Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Chaos in puncto Pflege muss endlich enden

21. Jänner 2020 | von Nina Zacke
Chaos in puncto Pflege muss endlich enden
Beleuchten den prekären Status Quo: Franz Webhofer (Vorstand der ARGE Tiroler Altenheime), Gertrud Geisler-Devich (Vorstand der Mobilen Pflege Tirol), Thomas Strickner (Obmann der Mobilen Pflege Tirol) und Robert Kaufmann (ehrenamtlicher Obmann der ARGE Altersheime bzw. Obmann und GF des Sozialzentrums Zirl). RS-Foto: Hackl

ARGE Tiroler Altersheime und ARGE Mobile Pflege Tirol üben Kritik am Status Quo und fordern spürbare Verbesserungen


Das Thema Pflege ist seit Wochen und Monaten in aller Munde. Außer Frage steht, dass es unter anderem durch demografische Veränderungen künftig noch mehr Pflegekräfte braucht. Um einem totalen Pflegenotstand entgegenzuwirken, müssen die Pflegeberufe attraktiver werden, aber die unsicheren und suboptimalen Rahmenbedingungen sind wenig hilfreich. Die beiden Arbeitsgemeinschaften (ARGE Tiroler Altersheime und die ARGE Mobile Pflege Tirol) luden zu einem Pressegespräch, um den Status Quo zu beleuchten.

„Grundsätzlich haben wir in Tirol ein gutes Pflegesystem, das aber zu kippen droht, wenn nicht richtig agiert wird“, zeigt sich Thomas Strickner, Obmann der Mobilen Pflege Tirol besorgt. Man begrüße, dass die Regierung nun einige Maßnahmen überdenkt, aber es gäbe viele Baustellen. Die Arbeitsgemeinschaften bemängeln die geringe Wertschätzung der Pflegeberufe, den Personalengpass, die fehlende Kostendeckung sowie das fehlgeschlagene Gehaltssystem. 2017 wurde seitens der Tiroler Landesregierung beschlossen, das Gehaltsmodell der Tirol Kliniken auch auf die Langzeitpflege zu übertragen. Zudem sollten die mobile Pflege ausgebaut und deren Kosten neu berechnet werden. Für letztere sei jedoch zu wenig Geld eingeplant worden. Nach wie vor seien in weiten Teilen der Tiroler Pflegelandschaft weder Leistungen noch das dafür bezahlte Entgelt vergleichbar. 

UMSTRITTENES ENTLOHNUNGSSYSTEM. Mit dem 1. Jänner ist das neue Gehaltssystem für Tiroler Pflegekräfte in Kraft getreten und dieses sorgt für große Verunsicherung. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – lautete die Devise der Gesetzesnovelle. Den Mitarbeitern in den Wohn- und Pflegeheimen ist eine Besserstellung versprochen worden: Stattdessen ergibt sich daraus eine schlechtere Bezahlung für Pflegehelfer und Heimhilfen. Aufgrund der massiven Kritik – unter anderem seitens der Arbeitsgemeinschaften und 4.000 gesammelten Unterschriften von Pflegebediensteten – zieht LR Bernhard Tilg nun die Notbremse. Die Gesetzesnovelle soll überarbeitet werden bzw. wird vom Land eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die das umstrittene Entlohnungsschema noch einmal auf Herz und Nieren prüft. Fix ist mittlerweile, dass Mitarbeiter mehr Zeit erhalten um zu entscheiden, ob sie in das neue Gehaltssystem optieren. Eine „Kann-Zulage“ soll von den Kommunen erbracht werden, wobei diese „Kann-Zahlung“ nicht zuletzt von der Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde abhängt. Inzwischen gab das Land Tirol zudem bekannt, dass die kurz vor Weihnachten angekündigte Streichung der Nachtzulage hinfällig sei und den Pflegekräften weiterhin 41 Euro brutto pro Nachtdienst zuerkannt werden.

NORMKOSTENMODELL UND TARIFKALKULATION. Seit drei Jahren wird die Vereinheitlichung gleicher Arbeit angestrebt, wobei Tirol über eine sehr differenzierte Struktur in den Pflegeheimen verfügt. „Die Heime betreuen zwischen 14 und 240 Bewohner. Zudem haben wir es sowohl mit Alt- und Neubauten zu tun, was mit massiven Unterschieden im Hinblick auf die Erhaltungskosten einhergeht. In Anbetracht der unterschiedlichen Voraussetzungen bzw. der enormen Vielfalt ist der Anspruch einheitlicher Tagessätze vielleicht nicht sinnvoll“, gibt Franz Webhofer, Vorstand der ARGE Tiroler Altenheime,  zu bedenken und räumt ein: „Wir waren zwar an den Entwicklungen beteiligt, aber Dabeisein ist nicht alles. Wir können uns in den Ergebnissen leider nicht wiederfinden.“ 

PERSONALMANGEL SORGT FÜR LEERE BETTEN. In den 92 Pflege- und Wohnheimen Tirols können aufgrund des Personalmangels bereits jetzt rund 200 Pflegebetten nicht belegt werden. Aktuell fehlen über 1.000 Mitarbeiter. Auch in den 68 Sprengelorganisationen sieht man sich mit massiven Personalengpässen konfrontiert. Bis 2030 werden allein in Tirol rund 76.000 Pflegekräfte gebraucht, wobei die Zahl der neu ausgebildeten Fachkräfte kontinuierlich rückläufig ist. „Seit Jahren liegen die Prognosen auf dem Tisch, aber das Land hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Gerechte Entlohnung würde die Suche nach neuen Mitarbeitern erleichtern. Stattdessen hat man in letzter Zeit damit begonnen, die Gehälter nach unten zu nivellieren“, berichten Strickner und Webhofer.

KERNFORDERUNGEN. „Wir wünschen uns eine angemessene Bezahlung der Mitarbeiter und vernünftige Rahmenbedingungen, damit die hohe Qualität der Pflege auch weiterhin gewährleistet werden kann. In diesem Sinne hoffen wir, dass die Verantwortlichen auf die Gesprächsstraße zurückkehren. Die großen Herausforderungen können nur durch ein konstruktives Miteinander bewältigt werden“, so Strickner abschließend.

Von Beatrice Hackl

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben