Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Charly Steck – Der Bühnenbildner

27. August 2019 | von Nina Zacke
Charly Steck – Der Bühnenbildner
Bühnenbild mit Schattenhaus: Schmuckes rosarotes Haus. Foto: Lia Buchner

Volksschauspiele 2019 – Das RUNDSCHAU-Interview mit dem großen Meister


Die „Tiroler Volksschauspiele Telfs 2019“ neigen sich dem Ende entgegen. Das Stück „Verkaufte Heimat“ aus der Feder von Felix Mitterer, das noch bis Ende dieser Woche in der Telfer Südtiroler Siedlung gespielt wird, feiert einen Erfolg, den es bisher bei den Tiroler Volksschauspielen Telfs noch nie gab. Mitverantwortlich dafür ist unter anderem auch Bühnenbildner Charly Steck. Die freie RUNDSCHAU-Journalistin Lia Buchner führte mit ihm nachstehendes Gespräch. 

RUNDSCHAU: Herr Steck, die Bühne in den Häusern der Südtiroler Siedlung prägt die diesjährigen Volksschauspiele maßgeblich. Wie haben Sie diesen Schauplatz gefunden?

Charly Steck: Markus Völlenklee hatte die Idee und nachdem die Neue Heimat in das Projekt eingestiegen ist, haben wir uns auf diese Häuserreihe geeinigt. Die wollte ich unbedingt haben, und es hat mit der Umsiedlungspolitik der Neuen Heimat gut zusammengepasst. Die Häuser sind heuer leer geworden. 

RS: Man hat aber den Eindruck, dass nebenan noch immer Menschen wohnen.

Steck: Ja, im Schattenhaus.

RS: Ernsthaft?

Steck: Ja, immer noch zwei Parteien. 

RS: Was haben die gesagt? „Geht’s Euch noch?“

Steck: Nein, überhaupt nicht. Ich bin da mit dem Hausmeister hingegangen. Der ältere Herr in der unteren Wohnung hat die Tür aufgemacht und gesagt: „Mir doch wurscht“, und die Tür wieder zugeschlagen. Und die oberen Mieter hatten auch nichts dagegen. Als wir dann angefangen haben, das Haus schwarz zu spritzen, haben sie gesagt: „Wartet, wartet“, haben ihre Tomatenstauden in Sicherheit gebracht und dann gings los.  

RS: Das Schattenhaus ist das Haus ganz links der Bühne. Was war die Idee dazu?

Steck: Ich hatte mir eigentlich immer drei Häuser als Bühnenbild gedacht. Das offizielle Haus, in dem das Municipio und die Schule drin sind. Dann das Volkshaus, in dem die Bauern leben, das schon ein bisschen zusammengebrochen ist, ein bisschen ärmlicher. Und dann kommt die Ruine, das was übrigbleibt, wenn die Katastrophe passiert. Und als ich diese drei Häuser aufgebaut hatte, da blieb dahinter ein schmuckes, rosarotes Haus stehen. Irgendwie hatte ich gedacht, das verschwindet dann schon aus dem Blick. Ist es aber nicht. Die Idee war also, es schwarz zu spritzen; alles, die Hausmauer, auch das Holz, den Giebel, die Dachziegel, es ist alles schwarz. Das Haus ist dadurch eigentlich nicht da, ein Schatten. Aber dass es so intakt ist, dass da noch Menschen drin leben, das beunruhigt mich sehr. Es ist ein bisschen alptraumartig.

RS: Seit wann arbeiten Sie an der Realisierung der Bühne?

Steck: Ich habe das Areal vor zwei Jahren zum ersten Mal gesehen, Fotos gemacht und immer wieder überlegt, wie das aussehen könnte. Es war ja vorher schwierig vorzustellen, mit den Gärtchen drinnen und den ganzen Dingen, die da vor den Häusern standen. Wie das mit der Neigung der Grundstücke ist, wie man die Tribüne hineinsetzen kann, wie der Winkel zu den Häusern ist. Da habe ich mir schon sehr lange Gedanken gemacht. Die konkrete Realisationsphase hat ein dreiviertel Jahr gedauert.

RS: Wann ist der erste Bagger gekommen? 

Steck: Die letzten Leute sind Ende Mai ausgezogen.

RS: Und denen hat nicht das Herz geblutet?

Steck: Doch. Doch schon, die geistern jetzt noch herum. Manchmal bin ich um sieben in der Früh hier, und da sieht man diese verlorenen Seelen, die vor ihren Häusern stehen. Oder sie gehen mit ihrem Hund spazieren und schauen so, und wenn man ihnen nahekommt, gehen sie schnell weg. Diese Menschen reden selten mit mir. Das sind schon Seelen, die da herumgeistern. Es gibt dann andere, die eher Sightseeing machen mit der Oma und dem Opa und sagen, da sind wir geboren, da sind wir aufgewachsen, fragen ob sie Fotos machen dürfen. Und die wahnsinnig vielen Geschichten da oben. Die einen erzählen, wo sie immer verstecken gespielt haben, die anderen erzählen vom Partykeller. Wo die bekannteste Hure von Telfs gewohnt hat, wo die Hebamme, das wird einem alles erzählt. Und gerne erzählt. Das ist schön und beängstigend zugleich. Weil ich merke, wie viel für die Menschen da dranhängt. Auf der anderen Seite kennt man die Geschichte dieser Häuser und weiß, dass sie tatsächlich von Kriegsgefangenen gebaut wurden, in Zwangsarbeit. Was das für eine Geschichte ist! 

RS: Das spürt man auch als Zuschauer. Diese Häuser sind so lebendig, so deutlich keine Kulisse.

Steck: Ich denke, dass wir das durch diese eigenartige Verfremdung geschafft haben. Ich habe die Häuser ja erstmal aufgebrochen und dann war eben drinnen, was drinnen war. Sachen aus den 70er, 80er Jahren, aus 2000. Und was mach ich jetzt damit? Reiße ich das alles raus und baue 40er Jahre Deko hinein? Ich habe entschieden, das nicht zu tun. Ich habe alles gelassen, wie es war und grau angespritzt. Dadurch entsteht eine seltsam morbide Realität, die nichts wegnimmt. Es ist alles noch da, aber auf eine distanzierte Art. Lebendig wird es nur durch die Figuren.

RS: Hat Ihr Erstkonzept zur Bühne gehalten oder ist es ein Entwicklungsprozess geworden? 

Steck: Ein großer Prozess. Beim Herausbrechen der Wände sind die Statiker draufgekommen, dass die Strukturen der Häuser unterschiedlich sind. Man hat damals von der linken Seite her zu bauen begonnen. Die linken Häuser sind noch aus Backsteinziegeln. Auf der anderen Innseite gab es damals eine Ziegelfabrik, die im Krieg irgendwann geschlossen wurde, und dann gab es keine gebrannten Steine mehr. In Moos unten haben sie dann eine Sandstein-Fabrik aufgebaut, die aus dem Innsand Steine gepresst hat. Ein Teil des mittleren Hauses und die ganz rechten Häuser sind aus diesem Sandstein gebaut, und die sind unheimlich brüchig. Die konnten wir kaum verändern. So ist das Konzept an den Gegebenheiten gewachsen. Ich bin immer dabeigestanden und habe geschaut. Das linke Haus wollte ich zum Beispiel ganz wegreißen, irgendwann habe ich dem Baggerfahrer gesagt, „Stopp. Jetzt muss ich mal zehn Minuten nachdenken.“ Heute bin ich froh, dass es wie nach einem Bombentreffer stehen geblieben ist.

RS: Vielen Dank für das Gespräch! 

Von Lia Buchner

Karl-Heinz Steck ist seit 1982 für das Bühnenbild der Tiroler Volksschauspiele verantwortlich. Foto: Lia Buchner

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben