Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Der Knackpunkt bleibt

5. Feber 2019 | von Nina Zacke
Auch das Publikum konnte seine Meinung zu den Vorschlägen der BürgerInnenräte sagen. An den einzelnen Tischen herrschte reger Gedankenaustausch darüber. RS-Fotos: Gerrmann
Auch im Detail wurde die Meinung des Publikums abgefragt. Nach Auffassung vieler war die Zeit zu kurz, um sich intensiv mit den einzelnen Punkten zu beschäftigen.

Im VZ Breitenwang wurden die Ergebnisse der BürgerInnenräte zum Fernpass präsentiert


Was tun gegen die Blechlawine auf der Fernpass-Route, die Jahr um Jahr schlimmer wird und den Außerfernern buchstäblich auf die Nerven geht? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Eine Antwort auf diese Frage erhoffte sich die Tiroler Landesregierung von Menschen, die sich bisher eher nicht an der Debatte pro und contra Fernpass-Scheiteltunnel beteiligt hatten. Ein klares Bild ergab sich indes bei der Präsentation der Ergebnisse der beiden BürgerInnenräte am vergangenen Donnerstag im VZ Breitenwang nicht.

Von Jürgen Gerrmann

Dabei gaben sich auch die beiden Stellvertreter von Landeshauptmann Günther Platter die Ehre: Ingrid Felipe (Grüne) erhoffte sich von der „unorganisierten Öffentlichkeit kreative Ideen“, die man im Miteinander umsetzen könne, und Josef Geisler fand: „Je mehr Bürger man einbindet, um so leichter fallen die Entscheidungen“. Sein Ziel: „Eine verbesserte Mobilität fürs Außerfern zustande zu bringen.“
Sowohl in Imst als auch in Reutte tagten dazu bunt zusammengewürfelte Bürgerräte, die laut Moderatorin Sabine Volgger vom Büro wikopreventk von einer unabhängigen Firma in Linz zusammengestellt worden war. In Imst allerdings in einem überschaubaren Rahmen: Dort wollten wegen des Schneechaoses lediglich vier von 15 Nominierten auch tatsächlich mitmachen.
Das Imster Ergebnis.

Sie zerbrachen sich dennoch intensiv die Köpfe und forderten beim öffentlichen Verkehr zum Beispiel einen Gratis-Autoreisezug mit tollem Design und umfassendem Service oder mehr Shuttle-Services von Hotels. Eine Maut fand ebenso Freunde wie eine verbesserte Information über die aktuelle Verkehrslage oder die Förderung alternativer Anreisetage im Fremdenverkehr jenseits des Wochenendes. Ein pfiffiger Werbespot solle die Vorzüge der Anreise mit der Bahn oder unter der Woche deutlich machen.
Unter der Rubrik „Technik“ tauchten verstärkte Kontrollen (auch um den Ausweichverkehr zu verhindern) ebenso auf wie ein autofreier Tag, ein an die Luftqualität angepasstes Dosiersystem sowie kleinere Gültigkeitsgebiete für den Ziel- und Quellverkehr. Selbst ein spezielles Gesundheitsprogramm für die Anwohner der Fernpass-Route stand auf der Liste – ebenso wie die umstrittenen Tunnels am Fernpass und durch den Tschirgant.
Die Reuttener Vorschläge.

Hierzu gab es indes ebensowenig eine klare Aussage wie bei der Reuttener Gruppe, deren Resultate Hartl Rief und Andy Singer vortrugen. Die Diskussion darüber war offenkundig gespalten. Gerade beim Scheiteltunnel sei das Kosten-Nutzen-Verhälnis kritisch beleuchtet worden: „Da stellte sich die Sinnfrage.“
Aber in der großen Linie war man sich einig: „Lebensqualität trotz Verkehr“ sei anzustreben.
Manche Punkte deckten sich mit Imst, andere kamen zusätzlich dazu: So plädierte man für den verstärkten Kauf örtlicher Produkte und einen regionalen Zustellservice. Galerien sollten Straßen und Bahnlinie vor Lawinen schützen, es gelte, künftige Entwicklungen in der Mobilität frühzeitig in die Konzepte einzubauen. In Frage gestellt wurde auch die ständige Zunahme des Tourismus – und das in einer Zeit, in der die Branche gar nicht mehr ausreichend Arbeitsplätze finde.
Populär war hingegen eine „Dörferlinie“ parallel zur Hauptverkehrsroute , mit der die Gemeinden entlang der B179 miteinander verbunden würden – allerdings müsse die Einheimischen vorbehalten bleiben. Und man plädierte auch für einen kostenlosen Nahverkehr, der eventuell im Zuge eines Pilotprojekts der EU realisiert werden könnte.
Debatte unter den Zuhörern.

Auch im Detail wurde die Meinung des Publikums abgefragt. Nach Auffassung vieler war die Zeit zu kurz, um sich intensiv mit den einzelnen Punkten zu beschäftigen.


Nach der Präsentation beugten sich auch Mitlieder der Arbeitsgruppe zur Fernpass-Strategie und interessierte Zuhörer über die beiden Vorschlagslisten. An den einzelnen Tischen wurde dabei heftig diskutiert, ein einheitliches Meinungsbild ergab sich indes danach nicht.
So beklagte Stephan Schwarz, der Bauausschussobmann von Bichlbach, dass seit Jahrzehnten „immer nur das gleiche geredet“ werde: „Das Land muss jetzt endlich den Kopf hochtun, Geld hergeben und was tun für uns Außerferner.“ Biberwiers Bürgermeister Paul Mascher wiederum hatte „die skeptische Einstellung zum Fernpass-Scheiteltunnel sehr gefallen“. Er fand es indes schade, dass die Folgen der bald fertigen Umfahrung von Garmisch für das Zwischentoren in den Gremien gar nicht thematisiert worden seien.
Ein anderer wiederum sah „eine gute Lösung bereits auf dem Tisch“. Und zwar? „Tschirgant- plus Scheiteltunnel. Davon wird auch die Umwelt profitieren. Und dann wird es fast möglich sein, mit dem Auto in einer Stunde von Reutte nach Innsbruck zu kommen.“ Dazu stand Annemarie Gigls Meinung ganz und gar nicht im Einklang: „Die BürgerInnenräte haben tolle Sachen ausgearbeitet. Aber wenn der Tunnel kommt, ist alles hin.“ Siegfried Kerle empfahl, die regionale Wirtschaft zu stärken: „Wir sind in einer Übergangszeit. Die Kapazität der Straße ist erschöpft. Wir müssen umdenken und umsteuern.“
Regierungsvertreter einig im Ziel.

Josef Geisler sah in den Papieren „viele Ansätze, die in der Region umsetzbar sind“. Man müsse an vielen Schrauben drehen: „Leider Gottes wird immer nur über diesen Tunnel geredet.“ Ingrid Felipe betonte die Einigkeit im Ziel: „Die Menschen zu entlasten.“ Die Strukturen des Verkehrs zu ändern (sei es nun bei der Straße oder bei der Bahn) gehe indes leider nicht so schnell. Das Vorgehen wolle auch gut bedacht sein: „Irgendetwas zu machen, ist mir zu wenig. Ich will was Kluges.“ Kostenloser Nahverkehr sei auf den ersten Blick eime faszinierende Idee: „Aber man darf nicht vergessen, dass in Wahrheit wir alle den zahlen.“ Wobei sie einräumte, dass bei Bussen und Bahnen im Außerfern „jede Menge zu tun“ sei: „Aber wir arbeiten dran.“
Ein Mitglied der BürgerInnenräte zeigte sich in der Schlussrunde „enttäuscht von der Regierung und den Bürgermeistern“. Von ihnen erwarte man, „dass sie endlich in unserem Sinne tätig werden. Wir haben es schließlich geschafft, zum Mond zu fliegen – und für den Fernpass soll es keine Lösung geben?“ Ein anderer warb dafür, die jetzige Misere auch als Chance für innovative Konzepte zu sehen. In der Stimme eines dritten war deutlicher Frust zu spüren: „Wir haben viel Zeit investiert, es wird aber leider Gottes nichts verändern.“
Auch Albert Linser lobte derweil die Ideenschmiede der Bürger: „Die haben hervorragend gearbeitet.“ Harte Kritik hatte er indes für die Landesregierung Tirols parat: „Den Tunnel zu beschließen und erst danach die Bürger zu befragen und ihnen vorzugaukeln, dass sie mitentscheiden können – das ist doch eine Frotzelei!“
Nun sollen Vorschläge samt dem Debattenprotokoll den Fachabteilungen der Landesregierung vorgelegt werden. Nach Auffassung vieler bleibt trotz umfangreichen Materials der Knackpunkt auch nach dieser speziellen Bürgerbeteiligung erhalten: die Tunnels durch Fernpass und Tschirgant.

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