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Die Argonauten und der Außerferner Künstler

21. Jänner 2020 | von Nina Zacke
Die Argonauten und der Außerferner Künstler
Eine sperrige Materie in einem lebendigen Vortrag beim Reuttener Museumsverein beleuchtet: Erich Printschler junior begeisterte mit seinem Wissen über die Argonauten und den im Lechtal geborenen Künstler Joseph Anton Koch. RS-Foto: Gerrmann

Hochinteressanter Vortrag beim Museumsverein über eine Rarität von Joseph Anton Koch


Eine absolute Rarität kann man zurzeit im Grünen Haus in Reutte bewundern: Zum allerersten Mal ist der komplette Satz der Radierungen, die der aus Elbigenalp stammende Künstler Joseph Anton Koch vor mehr als zwei Jahrhunderten in Rom geschaffen hat, in einem Museum zu sehen. Die zeit- und kunstgeschichtlichen Hintergründe zeichnete nun Erich Printschler junior in einem wahren historischen Panorama nach.

Von Jürgen Gerrmann

„Je länger man forscht, auf umso interessantere Dinge stößt man“, hatte Klaus Wankmiller vom Museumsverein, der übrigens aus Sicht Printschlers weit über die Grenzen des Außerferns hinaus „der Koch-Experte des 21. Jahrhunderts schlechthin“ ist, schon bei der Begrüßung der überraschend zahlreichen Gäste angemerkt.

Printschler stellte dabei einmal mehr sein faszinierendes Talent unter Beweis, scheinbar weit entfernte Themen ganz nah heranzuholen, sie unter den verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten und sein Publikum dadurch mit Aha-Erlebnissen der verschiedensten Art zu beschenken. Und so verharrte sein Thema nicht im Bereich der Kunst, sondern bezog auch die Geschichte, die Stilkunde, die antike Geografie, die Philosophie, ja, im weitesten Sinne die Psychologie mit ein.
SPERRIGER TITEL.

„Die Argonauten nach Pindar, Orpheus und Apollonias von Rhodos in 24 Tafeln, entworfen und gezeichnet von Asmus Jakob Carlsen und radiert von Joseph Koch, Rom 1799“ – so lautet der sperrige Titel des Heftes, dessen Einzelblätter außer in Reutte nur ein einziges Mal zu sehen gewesen waren. Und auch da in keinem Museum: 1987 zeigte man sie im Institut für Kunstgeschichte in Innsbruck.

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man zwar laut Goethe (mit dem Koch übrigens ebenfalls in Kontakt stand) getrost nach Hause tragen – aber nicht immer stimmt alles. Laut Printschler enthält schon der Titel eine Teil- oder Falschinformation: Der Tiroler in Rom hatte nicht nur radiert, sondern die Skizzen seines Schleswiger Lehrers und Freundes nach dessen Tod ergänzt und mit eigenen Elementen (hauptsächlich Landschaften) komplettiert.

1795 war der damals 27-jährige Außerferner in Rom angekommen und hatte sich dem Klassizisten Carlsen aus dem damals zu Dänemark gehörenden Norden Deutschlands angeschlossen. Der hatte die Theorie dieser neuen Kunstrichtung verinnerlicht: Laut Printschler brach der Klassizismus radikal mit der Pracht des Barock und des Rokoko, setzte auf Gradlinigkeit, schlichte, klare Formen. Gleichmaß und Harmonie wurden als Ideal propagiert, des Philosophen Kant zentraler Begriff der Freiheit sollte auch für die und in der Kunst gelten, der „ganze Schnickschnack wegfallen“. Demzufolge reduzierte auch der Brite John Flaxman (ein weiteres Idol Kochs in dieser Lebensphase) radikal die Formen: Die „Umrissradierung“ war geboren. Und Carstens lehnte auch die Ölmalerei radikal ab. Printschler: „Erst nach dessen Tod wurde Koch zum Landschaftsmaler.“
THEMA AUS DER ANTIKE.

Klassisch war auch das Thema, dem sich Carstens und Koch widmeten: Zwischen 1400 und 1000 vor Christus war die Heldengeschichte von den Argonauten geschrieben worden. „Eine typische Männergeschichte“ sah der Referent darin, Frauen  tauchen eher am Rande auf, wenn auch in einer überaus wichtigen Rolle: „Sie machen die Jungs zum Mann.“ Der zentrale Punkt ist für Printschler das Opfer („Im alten Griechenland war der Mensch Spielball der Götter, da ging nichts, ohne dass man sie sich gewogen machen wollte“), aber das Epos beinhalte auch weitere interessante Facetten. So kann man eine Kulturbegegnung miterleben: Schließlich schipperten Jason und seine Truppe nicht nur quer durch Europa, sondern die gesamte damals bekannte Welt – in der Bronzezeit ging das übrigens nur tagsüber, abends musste man anlanden und begegnete auf festem Grund nicht nur freundlichen Zeitgenossen und friedlichen Tieren, da musste auch mancher harte Kampf durchgefochten werden.

Im „ältesten Reisebericht der Griechen“ spielt übrigens auch das Land mit den ältesten Goldbergwerken der Erde eine zentrale Rolle – kein Wunder, dass das Objekt der Argonauten-Begierde, das Goldene Vlies, in Kolchis (dem Westen des heutigen Georgien) zu finden war. Auch der Wirtschaftsgeographie kann man in dieser Sage also begegnen.

Zudem konnte man in Printschlers Vortrag in ein zeitgeschichtliches Panorama eintauchen: Als der Lechtaler Koch an den Tiber kam, war Rom voll von Flüchtlingen der französischen Revolution. Drei Jahre später, als Koch die  Skizzen seines Freundes und Lehrmeisters komplettierte, hatten französische Truppen den Kirchenstaat eingenommen, der revolutionäre Kalender aus Paris den gregorianischen des Vatikan ersetzt. Printschler: „Koch schuf die Argonauten also im Kriegsgebiet.“ Unter miserablen Bedingungen übrigens: Er konnte nur das schlechteste Papier verwenden und ob der Kupferknappheit damals sein Werk nur in erbärmliche Druckplatten ritzen.
EINE WELT IM UMBBRUCH.

Auch innerhalb der Kunst verschoben sich da die bisherigen Leitlinien: So beschwerte sich Koch bitter, dass es Literaten plötzlich erlaubt sei, Kunstkritik zu machen. Unerhört so was!

So kann es nicht verwundern, dass Koch, der nur Jahre zuvor begeisterter Jakobiner gewesen war, sich von der Revolution lossagte: „Ich fing an, mich des Republikanismus zu schämen, dieweil die Freiheit zur feilen Dirne geworden.“

Die Geschichte um  Kochs Argonauten ist zugleich auch ein Künstler-Psychogramm der menschlichen Leidenschaften: Denn auch in höheren Sphären schwebenden Menschen war (und ist) Eifersucht nicht fremd. Mit Carstens und dem aus Vorpommern stammenden Kunsttheoretiker Carl Ludwig Fernow pflegte Koch zwar eine Art „Dreiecksbeziehung“, aber nach Carstens Tod trat offen zutage, dass sich die beiden anderen nicht viel gönnten. Es war wohl stets eine Art Freundfeindschaft zwischen den beiden, und so spielte Fernow in seiner Carstens-Biographie Kochs Rolle bei der Entstehung der Radierung wohl bewusst herunter. Ein Rätsel bleibt daher, warum Testamentsvollstrecker Fernow seinem „Intimfeind“ dennoch die Argonauten als einziges Werk aus Asmus` Nachlass überließ.

Freilich: Auch die Argonauten, die im Grünen Haus in einem eigenen verdunkelten Raum gezeigt werden, um das Kunstwerk nicht zu beschädigen, haben dem zeitlebens klammen Joseph Anton Koch finanziell kein Glück gebracht. „Sie waren kein Renner“, sagt Printschler. Verkauft worden seien die Heftchen für eine Zechine (heute etwa 150 Euro), die Selbstkos-ten seien etwa bei der Hälfte gelegen.

Wie viele damals gedruckt worden seien, weiß man gar nicht. Printschler rechnet damit: „Nicht mehr als 100.“ Auch heute könne man bei Sotheby's oder sonst  auf dem Kunstmarkt nicht viel dafür erlösen. Aber dennoch sei das Werk wichtig fürs Außerfern: „Es schließt eine Lücke.“

INFO. Die nächste (kostenlose) Führung durch die Joseph Anton Koch-Ausstellung im Grünen Haus zu Reutte gibt es am Donnerstag, 6. Februar, um 17.30 Uhr.

 

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