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Durchs „Schweigen im Walde“ – Berggeschichten Tour 3

6. August 2019 | von Nina Zacke
Der Höhepunkt unserer heutigen Tour: das Tajatörl inmitten der Bergwelt der Mieminger Kette. Hier herauf führt der Ganghofer-Steig. RS-Foto: Gerrmann
Galerie Berggeschichten Tour 3 „Thajatörl“. RS-Fotos: Gerrmann

Eine Wanderung übers Tajatörl zum Seebensee


„Willst Du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“, erkannte einst schon Goethe. Im Außerfern liegt nicht zuletzt das Schöne so nah. Vor allem in den Bergen. Die RUNDSCHAU war für ihre Leser unterwegs – und traf dabei auf wunderschöne Blumen, bizarre Felsen und einen Bestseller aus der Kaiserzeit.

Von Jürgen Gerrmann

Man sollte sie nicht unterschätzen: Ganz schön fordern kann einen unsere heutige Tour. Und deswegen sollte man es sich am Anfang nicht zu schwer machen. Tipp: Wenn man gleich zu Betriebsbeginn der Ehrwalder Almbahn eine der Gondeln bergauf nimmt, dann spart man sich 400 Höhenmeter, die einem später nicht in den Knochen stecken.
Oben angelangt, ist dann das einzige Problem, dass der Höhepunkt unserer Tour, das Tajatörl, auf den Wegweisern gar nicht erscheint. Doch das ist leicht lösbar: Wir folgen erst einmal der Beschilderung Richtung Coburger Hütte und kommen nach etwa zweieinhalb Kilometern zu einer Abzweigung nach links, ab der dann keinerlei Zweifel mehr bestehen. Kurz danach ändert der gemütliche Weg seinen Charakter: Es geht nun zackig bergauf in ein Geröllfeld hinein. Aber das bleibt erst einmal ein Intermezzo: Sowohl vor als hinter dem Brendlsee warten erstmal herrliche Wiesen mit einer wunderschönen Blumenpracht.
Die Botschaft der Alpenrose.

Nicht zuletzt die Alpenrose sticht einem da ins Auge. In diesem Fall übrigens die Bewimperte. Wie RUNDSCHAU-Blumenexpertin Christine Schneider erklärt, überbringt sie übrigens auch eine geologische Botschaft: Sie gedeiht nämlich nur auf Kalkstein.
Und der hat hier in die Mieminger Kette eine Szenerie gezaubert, die einem durchaus den Atem rauben kann: Taja-, Breiten- und Igelskopf, Mitter- und Griesspitzen, später Grünstein und Drachenkopf – jeder Gipfel hat seinen eigenen Charakter, keiner ist wie der andere und bei jedem Mal, wenn man hinsieht, entdeckt man wieder andere Facetten.
Das Schöne bei diesem Aufstieg ist auch: Man kann wirklich genießen. Denn, auch wenn es in die Stein- und Fels-Region geht: Nie wird es zu steil oder zu schwierig, um immer mal wieder ringsum zu schauen. Und man kommt kontinuierlich voran, denn die Steigung bleibt mehr oder minder stetig die gleiche.
Und so ist auch Zeit, immer mal wieder seinen Gedanken nachzuhängen. Wie viel junge Leute mögen heute noch Ludwig Ganghofer, nach dem dieser herrliche Steig benannt ist, noch kennen? Vor gut hundert Jahren freilich war er in aller Munde. Besser gesagt: In aller Augen, schrieb Ganghofer doch einen Bestseller nach dem anderen. Auch wenn das für viele Kitsch pur war: Die Geschichten verkauften sich prächtig (was heute im Grunde auch nicht anders ist).
Der Bayer teilte das Schicksal seines steirischen Kollegen Peter Rosegger, dem auch so mancher Kitsch-Vorwurf ins Waldbauernbub-Gesicht wehte und mit dem er eng befreundet war.
Einer war indes ganz besonders begeistert von Ganghofers Erzählungen: Deutschlands Kaiser Wilhelm II. erkor ihn zu seinem Lieblingsschriftsteller. Und der revanchierte sich, indem er als Bayer auf den Preußen Loblieder sang, die einem Troubadix alle Ehre gemacht hätten. So schrieb er über des Kaisers Dackel (einen Hund also) mitten im Weltkrieg: „Manchmal nimmt er auf des Kaisers Knie höchst schwierige und bedrohsame Stellungen ein, die fast an die Kletterkünste einer Gämse erinnern.“
Kein Wunder also, dass ihn der österreichische Publizist Karl Kraus in seinen „Letzten Tagen der Menschheit“ mit Spott überschüttete. Ganghofers Fans störte das freilich nicht im Geringsten. Auch in Ehrwald, wo er zwischen 1906 und dem Kriegsende oft auf dem Weg zu seinem Jagdhaus in der Leutasch oder zur Pirsch ins Revier im Gaistal durchkam, war er sehr beliebt.
Unsere Tour übrigens führt durch wichtige Schauplätze eines seiner erfolgreichsten Romane: „Das Schweigen im Walde“. Die Heldin, Lo Petri, eine Kunstmalerin, logiert da den Sommer über am Seebensee, und von dort flieht sie vor dem Feuer, das ein abgeblitzter Möchtegern-Liebhaber gelegt hat, um ihr Glück zu verhindern, auf einem hochgefährlichen Weg in Richtung Nachbartal (womöglich übers Tajatörl?). Aber letztlich vergebens: Lo und ihr Fürst Heinrich von Ettingen-Bernegg kriegen sich doch.
Und so könnten wir beruhigt den Weg von Seebensee über den Koatigen Weg zurück zur Gondel gehen...
Strecken-Stenogramm.

Start und Ziel:
Bergstation der Ehrwalder Almbahn
Länge: gut 14 Kilometer
Höhenunterschied:
je rund 850 Meter bergauf und bergab (bei Start an der Talstation jeweils 400 Meter mehr)
Dauer: rund 5,5 Stunden

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