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An Bleivergiftung verendet

Schrotkugelvergiftung bescherte Steinadlern einen qualvollen Tod

Norbert Rudigier, Falkner im Greifvogelpark Umhausen, klagt nicht an, will aber aufklären. Bleischrot, beispielsweise im Kadaver ausgelegter Köder für Füchse (Luderplatz), kann Greifvögeln zum Verhängnis werden, so kürzlich im Paznauntal. Ein Steinadlerpaar, der Wappenvogel unseres Landes, verendete kläglich nach einem mehrwöchigen letztlich vergeblichen Überlebenskampf.
28. März 2023 | von Peter Bundschuh
An Bleivergiftung verendet<br />
Die Ausrüstung des Falkners ist vielfältig. Im Zentrum stehen sehr schwere, den gesamten Unterarm bedeckende Lederhandschuhe in exzellenter Verarbeitung. Die Dolche (Krallen) der Adler sind bis zu zehn Zentimeter lang, der Vogel sei in der Lage wehrhafte Beute bis hin zum Wolf zu erlegen, erklärt Falkner Norbert Rudigier. RS-Foto: Bundschuh
Von Peter Bundschuh

Norbert Rudigier: „Als Falkner im Ötztal wende ich mich an die Öffentlichkeit, nicht um Beschuldigungen auszusprechen, sondern um Bleivergiftungen von unseren heimischen Greifvögeln fernzuhalten. Dem Adlerpaar wurde nicht willentlich Schaden zugefügt, sondern vermutlich durch ausgelegte Fuchsköder an einem für sie einsehbaren, also freien Platz. Die Magensäure der Greifvögel übersteigt teilweise die Zusammensetzung von Batteriesäure. Blei wird deshalb auch in kleinen Mengen in den Organismus aufgenommen und nicht wie bei anderen Tieren ausgeschieden.“ Der Beuteradius der Vögel ist sehr weit und geht über Bezirksgrenzen hinweg, der Erfolg einer Suche nach dem Ort der Vergiftung ist daher annähernd aussichtslos. Aufgefunden wurden die Vögel im Revier des Jagdpächters Peter Seiwald, der mit den Greifvogelfachleuten sehr konstruktiv zusammenarbeitet. Der Appell des Falkners geht dahin, Jungjäger dahingehend zu schulen, mit Bleischrot geschossene Köder nicht an offenen, daher für Greifvögel einsehbaren Luderplätzen (Anlockplätze vorwiegend für Füchse) auszulegen. Im Wald oder Dickicht ausgelegte Köder können hingegen von Greifvögeln nicht angeflogen werden.

ÖTZTALER BARTGEIER BESONDERS GEFÄHRDET. „Der Bartgeier war schon seit jeher Teil des Ötztales, doch der Mensch dichtete ihm Beinamen wie Kindsräuber an und rottete das imposante Tier vielerorts aus. Heute hat die Wissenschaft zweifelsfrei nachgewiesen, dass der Bartgeier ein reiner Aasfresser ist. Er nimmt dem Menschen nichts weg“, so Thomas Schmarda, Geschäftsführer des Nationalparks Ötztal. Dazu Rudigier: „Die Population der Steinadler kann das verendete Brutpaar eher verkraften, bei den Bartgeiern sieht es anders aus. Die bislang geglückte Ansiedelung dieser Vögel im Ötztal steht auf „dünnem Eis“ und könnte wegen ihrer geringen Anzahl durch Bleivergiftungen zum Scheitern gebracht werden.“

BLEIVERGIFTUNG KEINE SELTENHEIT. Bleivergiftungen sind ein ernsthaftes Problem beim Schutz von Greifvögeln. Auch ohne die streng geschützten Tiere zu bejagen, wirkt sich die Jagd mit Bleimunition in diesem Bereich aus. So seien Bleivergiftungen eine Haupttodesursache bei Seeadlern. Greifvögel fressen Aas von mit Bleimunition geschossenen Wildtieren und verenden an einer Bleivergiftung. Die Vögel nehmen das Gift also über Fragmente der Bleimunition auf und in ihrem Körper akkumuliert das Toxin über die Zeit. „Bleimunition von Jägern wird Greifvögeln oft zum Verhängnis: Fressen sie in der Natur zurückgelassenes Aas, ist das Risiko einer Bleivergiftung groß. Das hat merkbare Auswirkungen auf die Greifvogelpopulation in Europa, wie eine neue Studie zeigt. In den Überresten geschossener Wildtiere stecken oft Schrotkörner oder Geschosssplitter, die überwiegend aus Blei bestehen. Diese Fragmente von giftigem Blei nehmen Greifvögel wie Adler, Habichte und Mäusebussarde auf, wenn sie die angeschossenen Tiere fressen. Bei einer Bleivergiftung erleiden sie einen langsamen und schmerzhaften Tod. Die europäische Gesamtpopulation von zehn Greifvogelarten soll nach Angaben eines Forschungsteams der Universität Cambridge um über sechs Prozent kleiner sein als sie ohne Bleivergiftungen wäre. (Diese Angaben beziehen sich nicht explizit auf Tirol). Neben dem Seeadler sei der Steinadler die am stärksten betroffene Art. Diese sind von Natur aus langlebig, ziehen im Jahr nur wenige Junge auf und brüten erst spät in ihrem Leben (Leibniz – Institut für Zoo- und Wildtierforschung; Fachmagazin „Science of The Total Environment“).

ALTERNATIVEN ZUR BLEIMUNITION. Die „European Federation for Hunting and Conservation“ kam zum wenig überraschenden Schluss, dass die „Jägerdichte“, also die Anzahl der Jäger pro Quadratkilometer, in direktem Zusammenhang mit den Vergiftungen bei Greifvögeln stehe. In Ländern, in denen bei der Jagd keine Bleimunition verwendet werde, seien keine Bleivergiftungen bei Vögeln festgestellt worden. Derzeit haben nur zwei Länder Europas, nämlich Dänemark und die Niederlande, ein Verbot von Bleischrot verhängt. In Österreich gilt lediglich ein Bleischrotverbot für Wasserwildtiere. „Bemühungen, eine freiwillige Umstellung von Blei auf alternative Munition zu fördern, war bisher leider völlig wirkungslos. Mittlerweile gibt es gut funktionierende Alternativen zu bleihaltigen Schrotpatronen und Gewehrkugeln. Das Leid und der Tod zahlreicher Greifvögel durch Bleivergiftung wäre vermeidbar“, so Rhys Green und Romana Beer.
An Bleivergiftung verendet<br />
Im Bild das Prachtexemplar unseres Tiroler Wappenvogels. Aufnahmen von den leidvoll verendeten Vögeln erspart die RUNDSCHAU unserer Leserschaft. RS-Foto: Bundschuh

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