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„Die Hutterer“ im Stamser Bernardisaal

21. Mai 2019 | von Nina Zacke
„Die Hutterer“ im Stamser Bernardisaal
Professor Schabus gelang es, das von ihm historisch und sprachwissenschaftlich aufbereitete Thema der Hutterer und ihres Tirolbezugs in fachlich brillanter und doch lebendig kurzweiliger Erzählform wiederzugeben. RS-Foto: Bundschuh

Wilfried Schabus stellte seine Arbeit über die Glaubensgemeinschaft der „Wiedertäufer“ vor


Auf Einladung des „Freundeskreises für Pozuzo“ und vor einer dichten Publikumskulisse brachte Professor Schabus die in ihrer Einfachheit imponierende Welt der heute in Amerika lebenden Gemeinden der Hutterer den Interessierten im Oberland näher. Schabus gelang es, das historische und sprachwissenschaftlich aufbereitete Thema in lebendiger und kurzweiliger Erzählform wiederzugeben.

Von Peter Bundschuh

Professor Dr. Wilfried Schabus hat bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2008 als Sprachwissenschaftler gearbeitet und war auch im Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konsularisch tätig. Sein hauptsächliches Forschungsgebiet beschäftigt sich mit Auswanderergruppen aus dem ehemaligen österreichischen Großraum. In Stams begrüßte Professor Schabus im Originalton: „Ich möchte Ihnen heute Abend von den Hutterern erzählen. Wie sie ja wissen, haben die Hutterer viel mit Tirol zu tun. In den letzten Jahren sind die Hutterer hierzulande und auch in Südtirol an verschiedenen Orten im öffentlichen Raum sichtbar gemacht worden.“
Spät aber doch

So wurde am Goldenen Dachl eine Tafel zum Gedenken an Jakob Hutter angebracht, auch wurde der „Huttererpark“ am rechten Innufer in Innsbruck errichtet. 2007 gab es eine Hutterer–Ausstellung in der Landeshauptstadt. Die Bischöfe von Innsbruck und Bozen-Brixen initiierten gemeinsam mit den Landeshauptleuten von Tirol und Südtirol 2008 eine Versöhnung als die Rechtsnachfolger derer, die vor 500 Jahren die damals so genannten „Wiedertäufer“ auf grausamste Weise verfolgten.
Hutterer heute

Selbst eine noch so grobe historische Zusammenfassung eines halben Jahrtausends „Wiedertäufer“-Geschichte würde den hier gegebenen Rahmen sprengen. Festgehalten soll aber werden, dass die Lutherische Reformation vielen Gläubigen zu kurz griff. Gefordert wurde die Erwachsenentaufe, ein Leben in der Gemeinschaft in „Bruderhöfen“ ohne privates Eigentum und eine strenge Ausrichtung nach den Vorstellungen der frühen Christengemeinden. Dieses beinahe klösterliche Gebot des Arbeitens und Betens haben Gruppierungen wie die Mennoniten und die ihnen nahestehenden Hutterer bis heute konsequent beibehalten. Vergnügungen, wie wir sie verstehen, haben keinen Platz, technische Hilfsmittel sollen ausschließlich dem Arbeitsalltag dienen. Nach Jahrhunderten der Verfolgung und viel seltener (Halb-)Akzeptanz wandern die „Wiedertäufer“ Europas ab 1874 nach Dakota (USA) aus. Es sind 1265 Hutterer und tausende Mennoniten. Der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg und die damit einhergehende Wehrpflicht lässt die absolut gewaltfrei lebenden Hutterer nach Kanada auswandern.
Steckbrief eines Märtyrerpaares

Die Täuferbewegung gründete sich im Schweizerischen und basierte auf einem Leben in „Bruderhöfen“ mit Verzicht auf privates Eigentum. Die Landwirtschaft wurde gemeinsam betrieben, der Tagesablauf war streng geregelt. Jakob Hutter, selbst ein Südtiroler, war nach Tirol gereist, um eine Täufergemeinde in das sichere Böhmen und Mähren zu geleiten. Dabei wurde er in Südtirol in Ketten gelegt und nach grauenhafter Folter 1536 in Innsbruck am Platz vor dem Goldenen Dachl auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt. Seine Ehefrau Katharina wurde auf der Pustertaler Burg Schöneck
ertränkt.

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