Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ein Abriss und der Vorwurf des Versagens

15. Oktober 2019 | von Manuel Matt
Nach dem Abriss fehlt ein Teil im Ensemble der Imster Vogelhändlergasse. Unwiederbringlich verloren, meint der Imster Bauhistoriker Stefan Handle. Eigentümer und Stadtgemeinde verweisen auf die Gefahr, die vom desolaten Gebäude ausgegangen ist. Foto: Handle
RS-Foto: Matt

Historisches Haus verschwindet in der Imster Oberstadt: Besitzer begründet Abriss, Bauhistoriker kritisiert Stadtgemeinde


Bereits seit Jahren unbewohnt, hat nun für ein Haus im Vogelhändlergassen-Ensemble in der Imster Oberstadt jüngst das letzte Stündlein geschlagen. Ein Abriss sei alternativlos gewesen, sagt der Besitzer, der sich durch eine behördliche Aufforderung zum Handeln gezwungen sah. Der Imster Bauhistoriker Stefan Handle wirft der Stadtgemeinde ein Versagen hinsichtlich dem Schutz alter Bausubstanz vor.


Von Manuel Matt


„Ein markantes historisches Objekt“ und „im Zusammenspiel mit seiner Umgebung für viele als ein Inbegriff des bäuerlichen Imst“, urteilt der Imster Bauhistoriker Stefan Handle über das nun abgerissene Haus Schulgasse 17/Vogelhändlergasse 18 in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite „Historical Imst“. Knapp 50 Kommentare sind darunter hinterlassen worden und reichen von Befürchtungen, was baulich folgen könnte, bis „Schande“ und „Schade – wenn es einem nicht gehört“.




RS-Foto: Matt

Der Eigentümer

Der Kummer über das Ende des Gebäudes sei verständlich, sagt Ulrich „Uli“ Gstrein, Besitzer des Hauses und in Imst einerseits als Rechtsanwalt, andererseits als Obmann der Fåsnåcht bekannt. Er hatte 2002 die rechte Gebäudehälfte gekauft in der Hoffnung, es für seinen Sohn wieder herrichten zu können. „Aber es war nicht mehr zu sanieren, zumindest nicht nach heutigen Maßstäben“, sagt Gstrein. Schon seit den 90er Jahren mit einem Benützungsverbot belegt, habe es durch das undichte Dach immer wieder hereingeregnet, was ungebrannte Lehmziegel aufquellen und den Lehm herunterrinnen hat lassen. Auch das Innere musste mit Baustehern gestützt werden. „Es war eine leere Hülle, baulich eigentlich recht primitiv, mit kleinen niedrigen Kammern im Inneren und mit Zubauten mit Betonziegeln aus den 70er Jahren“, erzählt der Eigentümer. Ein entscheidender Punkt sei dann aber schließlich die herunterbröckelnde Fassade gewesen, was bei einem Lokalaugenschein Anfang diesen Jahres mit Vertretern der Stadtgemeinde und einem Statiker als Gefahr definiert worden war. Die Stadtgemeinde habe ihn daraufhin schriftlich zum Handeln aufgefordert, so Gstrein – und da der Statiker meinte, dass keine Sanierungsmaßnahme wirklich von Dauer sein werde, sei die Entscheidung schlussendlich zugunsten des Abriss ausgefallen. Um dies zu vereinfachen, erwarb Gstrein übrigens auch kurz zuvor die andere Haushälfte. Für einen Neubau gebe es bereits ebenso Pläne, wobei ursprünglicher Charakter und Kubatur, die Struktur von Wegen und Gärten und das Ensemble allgemein erhalten werden soll, verspricht Gstrein. Dafür arbeite er mit Dietmar Ewerz, einem befreundeten, „feinfühligen“ Architekten zusammen, der ebenso benachbarter Eigentümer ist. Zuvor sei aber noch einiges zu klären, wie komplizierte Grundeigentumsverhältnisse durch damalige, nicht im Grundbuch verzeichnete Tauschgeschäfte. Zudem brauche es einen durch die Stadtgemeinde erlassenen Bebauungsplan, da die Bauordnung beispielsweise enge Bauabstände wie anno dazumal nicht zulasse. „Wie gesagt, ich kann die Nostalgie verstehen, aber man muss das Ganze sehen. Es ist ein verklärter Blick auf ein Imst, das landwirtschaftlich geprägt war, es aber so nicht mehr gibt, was wirklich schade ist. Am Ende war es nur noch eine Fassade in wunderschöner Lage“, schließt Gstrein.



Der Bauhistoriker

„Das Ensemble, eines der letzten seiner Art in Imst, ist zerstört“, urteilt Bauhistoriker Stefan Handle – „und was auch kommen mag, es wird nie wieder so sein, wie es war.“ Weil Neubau eben Neubau bleibe. „Klar, eine Sanierung wäre aufwändig gewesen. Aber möglich“, sagt Handle – besonders dann, wenn man rechtzeitig damit begonnen hätte. Seine Kritik richtet er in erster Linie an die Stadtgemeinde. Der Abriss sei ein Symbol für das abermalige Versagen der Stadt, baukulturelles Erbe zu bewahren: „Es gibt kein Projekt, keine Anlaufstelle, keine Wertschätzung. Die Eigentümer werden schlicht alleine gelassen.“



Die Stadt

Einen behördlich verordneten Ensembleschutz hätte er begrüßt, sagt Gstrein – auch wegen möglicher Förderungen. Entsprechende Gespräche hätte es mit der Stadtgemeinde gegeben, seien aber im Sand verlaufen. Gescheitert sei aber noch nichts, sagt Bürgermeister Stefan Weirather – nur lasse sich ein Ensembleschutz nicht einfach „drüberstülpen“, ohne dass alle Eigentümer im Bereich dem Vorhaben zustimmen. „So weit sind wir aber noch nicht“, sagt Weirather. Angesichts des Vorwurfs seitens Handle, neuerlich bezüglich Bewahrung alter Bausubstanz versagt zu haben, betont Weirather die festgestellte Gefahr durch das desolate Gebäude, wobei die Stadt bei einem Unglück haften würde. Bestehe hingegen keine konkrete Gefahr, sei einem Eigentümer nicht vorzuschreiben, wie er mit seinem Eigentum zu verfahren habe. „Privat kann ich mich über verlorene Bausubstanz ärgern, die mir gut gefallen hat – als Bürgermeister muss ich aber emotionslos entscheiden.“ Im Stich gelassen werde aber kein Eigentümer, verspricht Weirather: „Wer Hilfe sucht, wird jede mögliche Unterstützung bekommen.“ Das sei auch in der Vogelhändlergasse der Fall gewesen.

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