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Gleiches Recht für Erstklässler und Professoren

Meinhardinum Stams: Direktor Georg Jud scheidet mit Ende des Schuljahres aus dem Amt

Nach fast 40 Jahren als Lehrer, zehn Jahren als Direktor und einem für alle Beteiligten besonders herausfordernden Schuljahr übergibt Georg Jud das Amt des Direktors am Gymnasium Meinhardinum an seine Nachfolgerin Christine Tiefenbrunner. Im Gespräch mit der RUNDSCHAU erzählt er von den gravierendsten Änderungen der letzten Jahrzehnte, vom Bildungsauftrag der allgemeinbildend höheren Schulen und den Wünschen, die er an seine designierte Nachfolgerin hat.
7. Juni 2021 | von Agnes Dorn
Gleiches Recht für Erstklässler und Professoren
Sowohl seine Tätigkeit als Lehrer als auch jene als Direktor hat der scheidende Leiter des Gymnasiums Meinhardinum, Georg Jud, sehr genossen. RS-Foto: Dorn
Von Agnes Dorn

Die Zahl Vier scheint heuer für Direktor Georg Jud eine ganz besondere zu sein: Denn genau in seinem 40. Schuljahr geht der langjährige Mathematik-, Physik und Informatiklehrer – früher als von seinem Lehrerkollegium erwartet – in Pension. Und genau in diesem Jahr feiert er mit seiner Ehefrau, mit der er vier Kinder und vier Enkelkinder hat, den 40. Hochzeitstag. Dass er nun nur von außen betrachten wird können, wie die Schule nach Lockdown und Corona wieder Richtung Normalbetrieb gefahren wird, stört ihn indes wenig, wie er schmunzelnd erklärt: „Ein Gärtner kann den Garten auch im Winter übergeben.“ Der Zeitpunkt der Übergabe sei genau richtig gewählt, betont er. Der Höhepunkt der Krise liegt offensichtlich hinter uns, die nächste Schulleitung kann nun die Schule, die noch kürzlich runtergefahren war, wieder hochfahren. Mit Christine Tiefenbrunner, einer langjährigen Kollegin am Meinhardinum, die sich bereits einige Zeit in ihre neue Aufgabe einarbeiten konnte, wird außerdem kein Vakuum im Direktorat entstehen, zeigt sich Jud zufrieden.

ALLGEMEINBILDUNG. In den fast 40 Jahren, die Jud nun bereits als Lehrer am Meinhardinum unterrichtet, hat sich die Dimension der Schule stark erweitert: Anstelle der neun Klassen mit 18 Lehrern gehen nun täglich rund 600 Schüler ein und aus. Im ersten Unterrichtsjahr Juds 1982 wurde erstmals eine Unterstufenklasse unterrichtet, inzwischen sind es insgesamt elf Unterstufenklassen. „Auch wenn sich die Schule in den 40 Jahren verdreifacht hat, ist es doch gelungen, ihren familiären Charakter zu bewahren“, sieht der scheidende Direktor die Entwicklung durchaus positiv. Als wohl dramatischste Neuerung der letzten Jahrzehnte bezeichnet Jud die Digitalisierung, die er bereits in seinem zweiten Jahr als Lehrer im Freifach Informatik miteinführen durfte. „Wir können Entwicklungen nicht aufhalten, aber mitgestalten. Die Digitalisierung kann sowohl eine Bereicherung als auch ein Störfaktor sein. Sie ist kein Wert an sich, sondern nur ein Zweck. Das Ziel muss immer im Vordergrund stehen. Wichtig ist, dass man den Menschen nicht übersieht und die Vermittlung des Gefühls ,Du bist mir wichtig‘“, weiß Jud von der Ambivalenz der nicht mehr aufzuhaltenden Digitalisierung. Ebenso verhalte es sich mit der Hinwendung zur Kompetenzorientierung im Bildungssystem, die im Grunde aber eine gute Entwicklung sei, so der Direktor: „Dieses Erwerben von langfristigen Fähigkeiten ist etwas ganz anderes als das Abrufen von einzelnen Inhalten. Wenn man Allgemeinbildung vermittelt, vermittelt man Fähigkeiten, die über die bloßen Fakten hinausgehen. Wenn man ein Weltbild und die Fähigkeit zur Kritik entwickelt, wird man zum Beispiel auch immun gegen Fakenews.“ 

WERTSCHÄTZUNG. Speziell an einer allgemeinbildenden höheren Schule, wie es das Meinhardinum als Gymnasium ja ist, gehe es darum, die Bedürfnisse der Schüler in den Mittelpunkt jeglicher Bemühungen zu rücken. Von einer Abschaffung des Gymnasiums, wie noch vor wenigen Jahren heiß diskutiert, sei inzwischen keine Rede mehr, zeigt sich der ehemalige Schüler des Akademischen Gymnasiums, der während seiner Lehrtätigkeit noch Philosophie an der Universität Innsbruck studierte, überzeugt. „Dass die Wertschätzung gegenüber dem Gymnasium steigt, erkennt man auch an den steigenden Anmeldezahlen. Heute hat man es auch nicht mehr so eilig, die jungen Menschen in einen Beruf zu drängen.“ Für die Zukunft der Schule hat der scheidende Direktor einen zentralen Wunsch: „Der menschliche Umgang, den unsere Schule auszeichnet, muss bewahrt werden. Ein Erstklässler hat das gleiche Recht wie ein Universitätsprofessor.“ Vor der Pension hat der vielseitig Interessierte indes keine Angst. Denn neben seinen Hobbys Musik und Tandemfahren mit seiner Frau wird er wohl endlich Zeit zum Lesen finden: „Ich habe keine Angst vor einem Pensionsschock. Ich werde mich endlich dem Stapel Bücher widmen, die ich gekauft und nie gelesen habe.“ Und auch die Jahresberichte vom Meinhardinum wird er in Zukunft weiterhin genau studieren.

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