Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Lieber Ideen entwickeln, als einfach abzuwarten

Veranstaltungstechnik-Unternehmer Alfred „Ali“ Bregenzer im RUNDSCHAU-Gespräch

Kein Konzert, kein Ausgehen, kein Vergnügen: Da mag ein Mensch noch so in sich gekehrt sein, echte Freude über die aktuell verordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommt wohl bei niemanden auf. Besonders hart trifft das Verbot von Veranstaltungen aber jene, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Wie Alfred „Ali“ Bregenzer, Musiker und Inhaber einer Veranstaltungstechnik-Firma. Die RUNDSCHAU sprach mit ihm über die momentane Situation – und ihre positiven Seiten
10. November 2020 | von Manuel Matt
Lieber Ideen entwickeln, als einfach abzuwarten
Ziemlich cool, auch in Pandemie-Zeiten: Alfred „Ali“ Bregenzer, Inhaber der Veranstaltungstechnik-Firma „Stageworks“ und Bandleader von „Mr. Nice“ RS-Foto: Matt
Von Manuel Matt

Vielleicht einer der letzten schönen Tage in diesem Jahr: Die Sonne scheint und es ist angenehm warm an diesem Freitag in Roppen. Alfred Bregenzer hat Zeit, den lauen Nachmittag daheim im Garten zu genießen. Sonst wäre der Terminkalender des Veranstaltungstechnik-Unternehmers, den die meisten nur „Ali“ nennen, wohl rappelvoll. Dieses Jahr ist es freilich anders. „Momentan gibt’s nix“, seufzt Ali und schaut auf Toni, seinen freundlichen Kater, der sich zufrieden die Sonne auf den Bauch scheinen lässt: „Alles wurde verschoben. Abgesagt wäre meistens aber das bessere Wort, wenn wir ehrlich sind.“ Wirklich florierend zeigte sich sein Geschäft heuer aber auch zuvor nicht, vor dem neuerlichen Lockdown, den das ganze Land momentan wieder durchlebt. „Seit März waren’s drei Aufträge. Sonst wären’s in diesem Zeitraum eher 15 bis 20 Jobs gewesen“, meint der Unternehmer mit einem müden Lächeln, das sich alsbald zum verschmitzten Grinsen wandelt. „Auf eine gewisse Weise war’s bisher aber auch eines meiner fleißigsten Jahre überhaupt“, sagt der Unternehmer und zeigt die Unterlagen, mit denen er momentan potentiellen Kunden seine Dienste anbietet. Immerhin würden in diesen seltsamen Tagen keine Aufträge von selbst reinflattern und „lieber entwickle ich neue Ideen, als einfach nur abzuwarten“, erzählt Ali. Eine dieser Ideen ist beispielsweise ein besonderer Anhänger – besonders deshalb, weil sich darin auf kleinstem Raum eine komplette Bühne mit allem Drum und Dran verbirgt. Dass das funktioniert, zeigte Ali in den vergangenen Wochen und Monaten bei mehreren Konzerten mit seiner eigenen Band „Mr. Nice“ in Trio-Formation. Das Konzept erlaube Live-Musik-Genuss mit Abstand, eigentlich ideal für Pandemie-Zeiten. „So recht zusagen will trotzdem kaum jemand. Die Unsicherheit ist absolut spürbar“, sagt der Bass spielende Veranstaltungsprofi: „Meine Erwartungen halten sich in Grenzen, ich hoffe auf Kleinigkeiten. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt, wird aber doch von Tag zu Tag kleiner.“

DIE REGIERUNG UND EIN VERSCHLAFENER SOMMER. Herzhaft lachen kann er trotzdem. Etwa über die Pläne der Bundesregierung, den von der Zwangspause betroffenen Unternehmen 80 Prozent des entgangenen Umsatzes zu ersetzen, auf Basis des Novembers im vergangenen Jahr. „Eine Lachnummer: Ein-Personen-Unternehmen bringen unvermeidlich Tätigkeiten als Sub-Unternehmer mit sich. Das heißt, dass ein und derselbe Umsatz in mehreren Buchhaltungen als förderbare Summe auftaucht. Ganz ähnlich ist es beispielsweise auch bei Agenturen, deren Umsatz großteils Fremdleistungen sind. Da frag’ ich mich schon: Übersieht die Politik was, oder ich? Nichtsdestotrotz werde ich nehmen, was ich bekomme“, sagt Ali und schüttelt den Kopf: „Gerechter wäre es in meinen Augen, die Jahresbilanz, den Gewinn heranzuziehen und zu zwölfteln.“ Überhaupt sei das Handeln der Politik unverständlich. „Ob solche scharfen Maßnahmen wie der Verbot sämtlicher Veranstaltung wirklich notwendig sind, sei dahingestellt. Jedenfalls trifft es durchwegs Branchen, die so brav waren wie wir, etwa die Gastronomie. Immerhin waren weder öffentliche Veranstaltungen noch Lokalbesuche ausschlaggebend bei den Infektionen“, ärgert sich Ali: „Ich habe – wie wahrscheinlich viele – den Eindruck, dass die Regierung den Sommer einfach verschlafen hat, anstatt wirklich durchdachte Konzepte zu entwickeln. Damit hätte es durchaus weitergehen können.“

DIE ANGST VOR DER ZEIT DANACH. Das Ausfallen von großen Aufträgen – wie das TschirgArt Jazzfestival, die Freiluftkonzerte im Imster Stadtpark oder der Ötztaler Mopedmarathon – tue weh, gibt der Unternehmer zu: „Weil’s gut lief, habe ich in den letzten vier, fünf Jahren rund eine Viertelmillion Euro in neues Equipment investiert. Das Bilden von großen Rücklagen war da nicht wirklich drin. Mit dem Bühnen-Anhänger konnte ich mich bisher noch über Wasser halten, auch die Kombi mit der Band hilft. Das Loch ist deswegen noch nicht so groß. Fürchten tu’ ich mich aber vor der Zeit danach, bis April.“ Positives kann Ali der momentanen Situation dennoch abgewinnen: „Eigentlich ist’s ziemlich nett, so oft und intensiv wieder Kontakt zu potentiellen Auftraggebern zu haben – und sei es nur am Telefon oder per E-Mail. In normalen Jahren kämen die Wiederholungsaufträge ja von selbst. Von den vielen neuen Kontakten bleibt sicher was hängen für das nächste Jahr. Davon bin ich überzeugt!“ Wann sich wieder eine Art von Normalität einstellen werde, sei „schwer zu sagen“, urteilt Ali: „Wohl frühestens im nächsten Sommer. Momentan ist alles Schadensbegrenzung.“ Dass das öffentliche Leben mit seinen mannigfaltigen Vergnügungen bis dahin nicht völlig im Dornröschenschlaf harren wird, da ist sich der Unternehmer aber sicher: „Es braucht sicher Events, speziell im Tourismusbereich, halt nur weit weg von Party. Wird öffentlich nichts geboten, wird halt privat wild gefeiert.“ 

HÄNGENDE KÖPFCHEN IN DER SZENE. Ein starker Wintertourismus und eine Vielzahl an heimischen Musikschaffenden – das geht in ganz Tirol, speziell aber im Oberland seit Jahren eigentlich Hand in Hand. Viel unterwegs mit seiner Band war da in der Vergangenheit während der Saison freilich auch Ali mit seiner Band. „Wenn’s hoch kommt, werden’s heuer maximal die Hälfte der sonst üblichen Auftrittsmöglichkeiten sein. Die Hoffnung liegt auf Hotel-Gigs, die Nachtgastronomie wird aber voraussichtlich auch in naher Zukunft völlig wegfallen“, blickt der Bassist und Bandleader auf die kommenden Monate: „Da lässt so mancher in der Szene das Köpfchen hängen – auch, weil logischerweise wenig Rücklagen da sind. Da hängen viele ziemlich in der Luft.“ Das Finanzielle sei aber nicht alles, sagt der Musiker: „Jeder würde gerne spielen, einfach der Freude am Tun wegen.“

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