Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Wann braucht ein Igel Hilfe und wann nicht?

Tierexpertin Verena Volgger gibt Tipps, die man beachten sollte, wenn man einen stacheligen „Swinegel“ aufnimmt

Der Sommer verabschiedet sich schön langsam, der Herbst hält Einzug im Land. Alljährlich werden zu dieser Zeit Tierheime und Wildtierstationen von vermeintlich hilfsbedürftigen Igeln wahrlich überflutet. Doch wie kann man als Laie beurteilen, ob der stachelige Freund wirklich Hilfe braucht oder ob man ihn unbegründet aus seinem natürlichen Umfeld und somit seinem Revier nimmt? Diese und andere Fragen beantwortet Tierexpertin Verena Volgger.
18. Oktober 2022 | von Verena Volgger
Wann braucht ein Igel Hilfe und wann nicht?<br />
Noch sind die Igel in freier Natur unterwegs. Den Winter verbringen sie normalerweise versteckt im Winterschlaf. Foto: Verena Volgger
Welche Igel brauchen unsere Hilfe? Am einfachsten ist diese Frage wohl bei verletzten Tieren zu beantworten. Blutende, hinkende, aber auch Igel, die offensichtlich über einen längeren Zeitraum ohne Futter und Wasser in Garagen, Luftschächten, Gartenhäusern etc. eingesperrt waren, brauchen immer Hilfe. Auch Säuglinge (Jungtiere unter ca. 200 Gramm Körpergewicht), die ohne Mutter außerhalb des Nestes gefunden werden, sollten – nach kurzer Beobachtungsphase – nicht sich selbst überlassen werden. Natürlich brauchen auch kranke Igel menschliche Unterstützung. Man erkennt sie daran, dass sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten oft tagaktiv sind. Während gesunde Igel die Form einer Birne und runde Knopfaugen haben, wirken kranke Tiere eingefallen und haben schlitzförmige Augen. Auch rollen sie sich nicht wie gesunde Tiere bei Berührung ein, sondern wirken apathisch. Ein schwankender, wackeliger Gang deutet ebenfalls auf ein nicht gesundes Tier hin. Husten und Röcheln, im schlimmsten Fall Atemnot, sind Zeichen für einen Lungenwurmbefall, der behandelt gehört. Igel, die bei Bodenfrost oder gar Schnee noch umher streunen, haben schlechte Überlebenschancen und sollten gesichert werden.

ERSTVERSORGUNG? Wie funktioniert die Erstversorgung eines hilfsbedürftigen Igels? Der erste Schritt ist die Sicherung. Mit Hilfe eines Handtuchs, Handschuhen, Jacke oder ähnlichem hebt man das Tierchen vorsichtig in eine mit Zeitungspapier ausgelegte Box (Schuhschachtel, Transportbox…). Als nächstes gilt es, den Allgemeinzustand festzustellen. Rollt sich der Igel bei Berührung ein oder liegt er nur apathisch da, oder fühlt sich der Bauch des Tierchens kälter als die eigene Hand an? In diesem Fall ist es unterkühlt und sollte ehest möglich gewärmt werden (Wärmflasche, PET-Flasche mit warmem Wasser). Bitte unterkühlte Tiere nie füttern! Hat das Tier sichtbare Verletzungen, kahle Stellen oder zieht ein Beinchen nach, sollte es zeitnah zu einem Tierarzt gebracht werden. Sind Parasiten zu sehen? Rascher Handlungsbedarf besteht bei Fliegeneiern und Maden. Diese müssen mit Pinzette oder an den behaarten Stellen mit Flohkamm und Zahnbürste gründlich entfernt werden. Während Zecken einfach mit einer Pinzette oder Zeckenzange herausgezogen werden können, sollte man Igel nicht ohne tierärztliche Beratung gegen Flohbefall behandeln. Viele der handelsüblichen     Präparate, die bei Hund und Katze gute Dienste leisten, werden von Igeln nicht vertragen und können im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen.

KEIN OBST UND KEINE MILCHPRODUKTE. Nachdem der Igel gesichert und wenn nötig gewärmt wurde, kann man ihm Wasser und Futter vorsetzen. Entgegen vieler Mythen fressen Igel weder Äpfel noch anderes Obst, weil sie reine Insektenfresser sind. Geeignetes Futter sind kurz angebratenes Rindsfaschiertes, gekochtes Hühnerfleisch, Katzenfutter (nur Pastete, da Futter in Sauce oder Gelee Bauchschmerzen zur Folge haben kann) oder ungewürztes Rührei. Bitte keine Milch oder Milchprodukte füttern! Nach der Erstversorgung kontaktiert man am besten eine Wildtierauffangstation oder einen Tierarzt, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

RAT BEI PROFIS HOLEN. Da, wie eingangs bereits erwähnt, Auffangstationen im Herbst und Winter aus allen Nähten platzen, sind diese immer dankbar, wenn man bereit ist, den kleinen Stachelträger selbst über den Winter zu bringen oder gesund zu pflegen. Man sollte jedoch nicht außer acht lassen, dass es sich um ein Wildtier handelt und die Aufzucht und Pflege einiges an Wissen und Erfahrung erfordert. Deshalb bitte Abstand halten von Selbstversuchen und zuerst Profis kontaktieren – diese werden gerne mit Rat und Tat unterstützend zur Seite stehen!
Wann braucht ein Igel Hilfe und wann nicht?<br />
Einfach putzig: Wer sich eines Igels annimmt, sollte unbedingt gewisse Regeln beachten. Foto: Verena Volgger

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