Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Die Freiheit der Narren

22. Feber 2022 | von Meinhard Eiter
Die Freiheit der Narren
Liebe Freunde des rituellen Frohsinns!

In Zeiten, in denen behördlich verordnetes Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes die ausgelassene Maskerade von Faschingsfetischisten und Fasnachtsfreunden lahm legt, fällt der Spaß in ein tiefes Loch. Aufgrund der Pandemie müssen die Narren heuer bereits zum zweiten Mal auf ihr buntes Treiben verzichten. Statt dem Fasnachtsvirus grassiert nach wie vor Covid-19. Omikron und Delta ersetzen Hexen, Bären und andere Figuren. FFP2 bleibt die dominierende Larve und versteckt die darunter liegenden sauren Mienen und entsetzten Fratzen. Solcherart der hüpfenden, tanzenden, kreischenden und johlenden Ausgelassenheit beraubt, versinken die Menschen in tiefe Nachdenklichkeit. Vielleicht sollte man die düstere Zeit nützen, um alte Traditionen neu zu überdenken. Der Brauch, im Februar den Winter auszutreiben, verliert ohnehin in vielerlei Hinsicht seinen Charme. Denn für Touristiker ist Schnee wie Geldregen. Und die durch mystische Handlungen herbei geschworene vorzeitige Erderwärmung entspricht auch so ganz und gar nicht dem alles überstrahlenden Problem des Klimawandels. Und so möchte ich meinen, dass ein Umdenken bei den Narren kein Unsinn wäre. Eine Überlegung könnte sein, das Auskehren auf den Herbst zu verlegen. Zu diesem Termin sind Viren noch im Sommerschlaf. Und das Vertreiben böser Geister mit Blickrichtung Wintersaison hätte einen gewissen Reiz. Ein segensreicher Kult im Sinne der Fruchtbarkeit wäre für Zeiten, in denen Leute aufgrund der Dunkelheit tendenziell früher ins Bett gehen, wohl auch kein Fehler. Mit Rollen, Schellen, Säcken und Spritzen das Schneetreiben einzuläuten und damit die deutschen Gäste herein zu beschwören, entspräche zudem dem neoliberalen Zeitgeist von Gier, Geiz und Geilheit!

Meinhard Eiter

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