Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Gratis und umsonst

2. Juni 2020 | von Meinhard Eiter
Gratis und umsonst
Liebe Freunde des Bildungswesens!

War die Matura heuer eine echte Reifeprüfung? Oder doch eher ein lauwarmer Hustentee im Kampf gegen ein Virus, gegen das es noch keine Impfung gibt? Die Aufregung war jedenfalls groß. Weniger Fächer, keine mündliche Vorsprache bei der Kommission. Und wer im Abschlusszeugnis ein Befriedigend stehen hatte, der konnte bei der schriftlichen Matura sogar einen leeren Zettel abgeben. Das reichte dann für ein Genügend. Für Leute, die es gerne streng haben, war das wohl ein Skandal. Die 2020er-Matura wird in die Geschichte eingehen. Wie ein schlechter Jahrgang beim Wein. Ich, der das begehrte Zeugnis vor 43 Jahren ebenfalls ziemlich minimalistisch abgeholt habe, sehe das locker. Auch als einstiger Nichtvorzugsschüler ist aus mir halbwegs etwas geworden. Diskussionen gab es schon damals. Die kostenlos zur Verfügung gestellten Bücher und Schulbusfahrten bescherten unserer Generation Neid und Häme. Was nichts kostet, ist nichts wert, hieß es damals. Ich sei nicht nur gratis, sondern wohl auch umsonst zur Schule gegangen, meinte einst einer meiner Widersacher im Versuch, mich persönlich zu beleidigen. Es stimmt: Ich habe nie für die Schule gelernt. Aber sehr viel vom und für das Leben. Nicht nur an Vor- und Nachmittagen. Auch Abends. Und nicht selten sogar in der Nacht. Anfangs oft wenig gewusst, am Schluss das Wesentliche verstanden. Heute ist das noch leichter. Vieles, was ich nicht im Kopf habe, kann ich googeln. Die Basis allen Lernens ist das Interesse. Oder ein Lehrer, der es gut mit einem meint. Die 2020er-Maturanten mussten dünne Luft über Masken einatmen. Aber vielleicht können sie dereinst sagen: Wir sind trotz Sauerstoffmangel mit Abstand am besten gefahren. Sogar ganz ohne Schulinspektor!

Meinhard Eiter

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