Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Nachbars Drittwohnsitz

15. September 2020 | von Meinhard Eiter
Nachbars Drittwohnsitz

Liebe Freunde des Urlaubsvergnügens Marke Ballermann!

Das Coronavirus hat uns wachgerüttelt. Wir wissen jetzt endgültig, dass Partys samt Saufgelagen zur ansteckenden Seuche werden können. Allen, denen noch immer die Vorstellungskraft fehlt, wie so etwas ausschaut, sei der aktuelle Bildband des Tiroler Fotografen Lois Hechblaikner mit dem Titel „Ischgl“ empfohlen. Wer dazu Rezensionen googelt, der stößt auf Schlagzeilen wie „Nacktes Grauen“, „Delirium Alpinum“ oder „Widerwärtiger Wahnsinn“. Das Buch hat wenig Text. Lässt Bilder sprechen. Fotos, die einem perversen Treiben schlicht und ergreifend einen Spiegel vorhalten. Was aussieht wie bitterböse Karikaturen von Manfred Deix, ist Realität. Aber, wie wir wissen, eh bald Vergangenheit. Denn die Ischgler haben hoch und heilig versprochen, dass es diese Form des Aprés-Ski-Vergnügens in Zukunft nicht mehr geben soll. Also: Schwamm drüber. Wir haben gelernt. Und die Zukunft wird sanfter im fremden Verkehr. Schauplatzwechsel. Bekannte von mir wohnen in Imst in idyllischer Lage als Anrainer eines Zweitwohnsitzes. Der Besitzer, ein Deutscher, hat daraus mittlerweile quasi einen Drittwohnsitz gemacht. Er vermietet. An junge Gäste. Die Partys feiern. Tag und Nacht. Mit allem was dazu gehört. Alkohol. Sex. Drogen. Lärm. Müll. Manchmal war schon die Polizei da. Und mahnte zur Ruhe und Vernunft. Mehr ist exekutiv nicht möglich. Politisch herrscht im Heiligen Lande längst Einigkeit. Alle Parteien wollen keine Zweitwohnsitze. Weil sie auch den Wohnungsmarkt für Einheimische in die Höhe treiben. Geschehen ist bisher so gut wie nichts. Manche sagen, das habe mit der EU zu tun. Freier Markt, Gesetze und so. Dabei geht es doch nur um Moral. Und Unanständigkeit, die keiner abschafft.

Meinhard Eiter

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