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Ein Fenster in die Vergangenheit

Museum im Ballhaus integriert Filmarchiv Imst in Dauerausstellung

Wie war das damals, als der Menschenfresser die entzückten Besucher der Imster Fåsnåcht verschlang, die Hakenkreuz-Fahnen am Stadtplatz im Wind wehten und nur wenige Jahre später die US-Armee kampflos in die Stadt einzog? Jene, die das damals alles mit eigenen Augen erfahren hatten, können heute kaum noch davon erzählen. Doch lief die Kamera mit – und den Blick auf eben diese Zeit eröffnet nun das Filmarchiv Imst als Teil der Dauerausstellung des Museums im Ballhaus.
6. Juli 2020 | von Manuel Matt
Ein Fenster in die Vergangenheit
Im Bild: Zeitzeugin Annemarie Rudel, Programmierer Lukas Oberbichler, Museumsleiterin Sabine Schuchter sowie Ideengeber und Koordinator Manfred Pascher (v.l.) RS-Foto: Matt
Von Manuel Matt

Ein g’scheider Hatscher war’s damals schon – aber wie sehr hat sie sich doch verändert, die Stadt, seitdem Annemarie Rudel einst als Kind im Jahre 1949 auf dem Weg zum Bahnhof die Kramer- und Schustergasse durchwanderte. Sie könnte noch davon erzählen, die sympathische Dame, wie es damals war, doch noch besser ist es wohl, ihr einfach selbst zu folgen. Möglich ist das dank dem Imster Filmarchiv, das sich die Dauerausstellung des Museums im Ballhaus vergangene Woche feierlich einverleibte.

EIN FILMARCHIV, FÜR D’IMSCHTER G’MACHT. 142 Filme – manche kürzer, manche länger – aus fünf Jahrzehnten sind es, die zusammengetragen wurden und nun eine kleine Zeitreise im ersten Stock des Ballhaus-Museums gewähren. Eine ziemlich emotionale Angelegenheit, „auch als Nicht-Imster“, sagt der Innsbrucker Manfred Pascher, der die Idee zum Filmarchiv lieferte und für die Koordination verantwortlich zeichnet. Gedacht ist das Ganze in erster Linie aber freilich für die Imster, betont Pascher – für gegenwärtige, für zukünftige und für jene, die nicht mehr unter uns weilen. Gebraucht hat es dafür „unendlich viel Arbeit und Geduld“, wie der Gast aus der Landeshauptstadt erzählt, war es doch mit dem Sammeln der filmischen Dokumente allein nicht getan. Geschnitten, indexiert und nachvertont wollten sie werden, was der zur Enthüllung leider nicht anwesende Alexander Zangerl erledigte. Für die beistehenden, erklärenden Worte sorgte derweil höchstpersönlich die Leiterin des Museums im Ballhaus, Sabine Schuchter, während mit Lukas Oberbichler auch ein Informatiker mit im Boot sitzt, der sich um die Programm-Adaptierung kümmerte.

KAISERLICHER BESUCH, ALMABTRIEB UND EINE NS-GROSSKUNDGEBUNG. Die ersten Kostproben dürften für das Premierenpublikum dann durchaus eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen sein. Gewährt wird der nostalgische Blick auf eine Welt, wie sie damals war – mit der Rodelweltmeisterschaft von 1963, dem Besuch der iranischen Kaiserin im Imster SOS-Kinderdorf ein Jahr später, dem Weg des Viehs hinunter ins Tal im Jahr 1967 oder dem legendären Menschenfresser-Wagen viele Jahrzehnte zuvor bei der Fåsnåcht 1933. Doch sind da auch Ereignisse, die lange Zeit ein schmachvolles Schattendasein im kollektiven Gedächtnis fristeten und vor denen manche wohl bis heute am liebsten die Augen verschließen würden – wie 1940, als das Kreisfest der Nationalsozialisten die Hakenkreuzfahne von den Häusern am Stadtplatz wehen ließ, während die Soldaten im Stechschritt an der Bevölkerung vorbeimarschieren. Bilder, die selbst 80 Jahre später noch schwer zu ertragen sind und es still werden lassen im Ballhaus-Dachgeschoss.

GESCHICHTEN VOM ENDE DES KRIEGES. Ob angenehm oder nicht: Es sind kostbare Schätze, die Amateurfilmer wie Eduard Förg, Gerd Jonak, Hubert Krabichler, Hartmut Lauer, Gerhard Mair, Franz Rampold, Ernst Röck, Karl Rudel, Helga Schatz, Josef Staggl und Helmuth Schöffthaler der Nachwelt überlassen haben, ergänzt durch Dokumentarfilme, Wochenschauen sowie filmische Zeitzeugnisse von Theo Hörmann und aus den Archiven des Rodelvereins Imst und des Roten Kreuzes. Am Ende des Eröffnungsabends stehen festgehaltene Szenen vom Kriegsende in Imst. Kein Zufall, wie Museumsleiterin Sabine Schuchter verrät, wird sich die nächste Sonderausstellung doch mit eben jenem Thema beschäftigen.
Ein Fenster in die Vergangenheit
Hakenkreuzfahnen am Imster Stadtplatz: Die Kreisfeier der Nationalsozialisten im Jahr 1940, festgehalten von Karl Rudel.Foto: Filmarchiv Austria/Karl Rudel
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Annemarie Rudel neben dem Film von 1949, der ihren Weg zum Imster Bahnhof dokumentiert. RS-Foto: Matt

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