Und aufs Neue gelang dem Stadtbühne - Imst-Team ein absolut bemerkenswerter Abend zeitgenössischer Musik. Die angesprochenen Genres, Minimal-Music, Jazz und Neo-Klassik waren im Konzept der beiden Musiker trotz eines großen Improvisationsspielraumes schlüssig miteinander verbunden. Harmonie und experimentelle Tonwelten stellten, außer wenn beabsichtigt, keinen Widerspruch dar, sondern ergänzten einander auf spannende Weise. Die besonders im Jazz bewährte Instrumental-Dualität von Klavier und Saxophon trug das Ihrige zu einem abgerundeten Musikerlebnis bei.
UNAUFGEREGT, KLANGEXPERIMENTELL, MEDITATIV. Schiftner und Castaneder betraten die Bühne und begannen zu spielen, einfach so? Ja, einfach so. Einleitende Worte wären auch völlig überflüssig gewesen, denn für den in Tirol geborenen Pianisten mit mexikanischen Wurzeln war es ein „Heimspiel“ im besten Sinne des Wortes und in der gediegenen Jazzclubatmosphäre, für die das Publikum bestens sorgte, fühlten sich auch der aus Kärnten stammende Ahmad Schiftner und sein ganz besonderes Saxophon offensichtlich wohl.
CASTANEDA MEETS SCHIFTNER. Stimmen aus der Musikwelt, die meinen wie folgt, werden Recht haben: „Donauwellenreiter sind eine der spannendsten, ungewöhnlichsten und innovativsten Formationen, die sich aus Wien heraus entwickelt haben. Längst sind sie international gefragt. Derzeit ist es um das geniale Plätschern des Wellenreiter–Ensembles mit „Frontman“ Castaneda still geworden. Pianist und Komponist Thomas Castaneda wendet sich derzeit anderen Projekten zu. Der gebürtige Kärntner Ahmad (Wolfgang) Schiftner war Saxophonist bei Joe Zawinul und arbeitete zusammen mit dem ,König des Wüsten-Blues‘ Ali Farka Touré.“ Ihre Konzepte und Choreographien erarbeiten Schiftner und Castaneda gemeinsam, zusammen mit ihrem Faible für ausgiebige Improvisationen entstand somit auf den Brettern der Imster Bühne eine spannende musikalische Dramaturgie. Diese hatte das Castaneda Piano-Solo-Album „I Will Never Die“ aus dem Jahr 2022 zur Grundlage.
MINIMAL, MUSIC UND NEOKLASSIK. Auch für Musikfreunde sind Minimal Music und Neo-Klassik nicht unbedingt Begriffe des täglichen Umgangs. Neben Jazz in unterschiedlichen Ausformungen standen aber gerade diese beiden Richtungen im Fokus des „I Will Never Die“ Konzertabends in Imst. Minimal Music als Richtung, oder besser Sammelbegriff der Neuen Musik entwickelte sich ab den 1960er Jahren in den USA. Als Begriff kam Minimal aber als Parallele zur Bildenden Kunst erst später auf. Verarbeitet werden in Minimal Tendenzen aus indischer und indonesischer Musik, aber auch Free-Jazz und sogar Anlehnungen an mittelalterliche Klänge sind nicht unwillkommen. Castaneda greift auch gerne das Genre des Psychedelic- Rock auf. Darüber hinaus bedienen sich auch Techno Produzenten gerne aus der vielfältig gefüllten Minimal Kiste. Jedenfalls ist eine exakte Abgrenzung des Minimal schwer möglich und für die Praxis bedeutet das: Mix ist ok aber der Cocktail muss auch passen, sonst wird´s bitter für die Ohren. Von Neo-Klassik spricht man seit Beginn der 2000 Jahre. Neben Berührungspunkten zur populären Klassik und Adaptionen klassischer Literatur taucht regelmäßig Neue Musik (auch Elemente der Minimal-Music) auf. Neo-Klassik kommt im sinnlichen Gewande und hat einen Hang zur „Schöngeistigkeit“. Das gilt nach Ansicht des Verfassers auch für die Kompositionen und Interpretationen von Castaneda. Da tut es recht gut, wenn schrille Klänge aus Ahmads „Super Saxophon“ in die raue Wirklichkeit zurückrufen. Eine Verschränkung von harmonisch und bizarr? Auch das geht, wenn man´s kann. Auf die Frage der RUNDSCHAU wie Castaneda seinen musikalischen Stil selbst einordnen würde, meinte er: „Ich mache Musik gegen den Krieg.“ Ein schöner Abschluss für einen schönen Abend.
Ahmad Schiftner spielt nicht nur Saxophon, sondern gestaltet darüber hinaus vielfältige Tonwelten, auch wenn diese nur durch das Aneinanderreiben seiner Hände entstehen. RS-Foto: Bundschuh
Thom Castaneda und Ahmad Schiftner (v.l.) RS-Foto: Bundschuh