Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ruwenzori: Mystische Mondberge am Äquator

Expedition zum Margherita Peak (5109 Meter) auf den Spuren von Prinz Luigi Amadeo von Savoyen „Herzog der Abruzzen“

An der Grenze zwischen Uganda und Kongo erhebt sich ein in unseren Breiten kaum bekanntes, faszinierendes Gebirge: Der Ruwenzori – die Mondberge! Eines von drei Gletschermassiven Afrikas und der letzten unberührten Naturjuwele unserer Erde. Erforscht und Erstbestiegen 1906 vom Herzog der Abruzzen. Auf den Spuren dieses großartigen Entdeckers begab ich mich mit meiner Frau auf eine faszinierende Expedition im Herzen Afrikas.
27. April 2022 | von Oliver Lair
Ruwenzori: Mystische Mondberge am Äquator
Naturkulissen wie aus einer fremden Welt, unwirklich und unbegreiflich – Jules Vernes lässt grüßen! Foto: Oliver Lair
Von Oliver Lair

Immer noch ranken sich zahlreiche Mythen um diese Region mit ihren eisbedeckten Gipfeln. Als Sir Henry Morton Stanley nach der Suche nach dem verschollenen Dr. Livingstone von silbern schimmernden Schneebergen am Äquator westlich des Viktoriasees berichtete, hielt man ihn schlichtweg für verrückt. Aber nachdem der Herzog der Abruzzen die vergletscherten Mondberge mit seiner Forschungsexpedition nachweisen konnte, gab es daran keinen Zweifel mehr.

DER START. Unsere Expedition startete beäugt von zahlreichen Zaungästen mit dem Wiegen und Aufteilen der Ausrüstung und Lebensmittel am Eingang zum Mubukutal. Entlang des rauschenden Mubuku-River machten wir uns – zwei Guides, ein Koch, zehn Träger und wir zwei „Weißhäute“ – auf den Weg durch den dichten Regenwald zum ersten Lager. Bei der abendlichen Besprechung wurden wir dann auf das zu erwartende unglaubliche Szenario eingeschworen. Und die nächsten Tage waren schier unglaublich: Landschaften und Naturkulissen wie aus einer anderen Welt! Unwirklich und unbegreiflich anmutend, Phantasie und Wirklichkeit schienen ineinander zu verschmelzen – ein Remake von Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde, hautnah! Eine derart intensive und faszinierende Natur hatten wir noch nicht erlebt. Der Ruwenzori gilt nicht zu Unrecht als eines der spektakulärsten und unzugänglichsten Gebirge der Welt, sondern auch als das Vegetationsdichteste. Und jeder Quadratzentimeter ist es Wert geschützt und für die Nachwelt erhalten zu werden. Das bitte muss unser aller Anspruch und Pflicht sein! 

DER SCHUTZ DER NATUR SOLLTE UNS ALLEN AM HERZEN LIEGEN! Nach zahlreichen Flussdurchquerungen, Passüberschreitungen, Durchkämmung „ewiger“ Sumpfgebiete (Lower Bigo Bog, Upper Bigo Bog), aller Klimazonen unseres Planeten gelangten wir schließlich zum eiskalten Bujuku-See, der höchstgelegenen Nilquelle. Wir stießen auf  einzigartige Tiere, wie dem Tree Hyrax, „Mountaingod“ Red Duiker, Dreihorn-Chamäleon oder der Otterspitzmaus (Schimpansen und Affen begegneten uns nur in der unteren Regenwaldzone), auf unglaubliche Gewächse mit riesigen Bartflechten und farbigen Moosen, auf traumhafte Riesenlobelien, everlasting Flowers, baumhohe Riesenfarne, Märchenwälder aus über zehn Meter hohen Senezien, „Blumen“, die durch den einzigartigen Pflanzengigantismus nur im Ruwenzori solch gewaltige Ausmaße annehmen, Nun wurde es von Tag zu Tag spürbar kälter. Der Niederschlag der uns im vorherrschenden Tageszeitenklima bei Temperaturen von bis zu 25 °C am Tag und leichtem Frost in der Nacht vorwiegend nachmittags heimsuchte, ging zunehmend von Regen in Graupel, Eisregen und Schneefall über – es gab die Variationen übrigens auch aus allen Himmelsrichtungen! Willkommen in der Polarzone am Äquator. Nach fünf anstrengenden Tagen in der Wildnis erreichten wir schließlich die Elena-Hütte, auf 4554 Metern. Nun hieß es alles für den morgigen Gipfeltag vorzubereiten, sich ein wenig zu stärken sowie trinken, trinken und nochmals trinken und nach Möglichkeit ein paar Stunden zu schlafen. Um 3 Uhr morgens war mit voller Hochgebirgsausrüstung Abmarsch! Zuerst begleitete uns bei eisigen -8 °C dichter Nebel und wir konnten nicht einmal die Abgründe bei den Kletterpartien erkennen. Dann hieß es aber auch schon Steigeisen rauf, denn zwei Gletscherquerungen mit bis zu 45° steilen Eisflanken, bizarre und unheimlich anmutende Eisformationen galt es zu überwinden. Nach der letzten Schlüsselstelle schließlich, einer knackigen Felsstufe mit Kaminkletterei kurz unterhalb des Gipfels, riss die Wolkendecke auf und es eröffnete sich ein gewaltiges Szenario! 

ES WAR GESCHAFFT! Ein Traum war für uns damit in Erfüllung gegangen. Wir konnten unser Glück kaum fassen, aber trotzdem befiel uns ein Gefühl von Demut. Demut vor den unglaublichen Leistungen der Helden unserer Vorzeit, ohne deren Mut und Forschungsdrang wir heute nicht hier stünden, aber auch vor einer großartigen Natur und unserer großartigen Erde, die wir winzigen Geschöpfe als Gast benützen dürfen. Und das sollten wir niemals vergessen! Der Abstieg über den Mount Baker und Freshfield-Pass gestaltete sich dann bei starkem Schneefall und später Regen genauso schwierig und eindrucksvoll wie der Aufstieg. Es war volle Konzentration bis zum Schluss angesagt! Denn ein Unfall oder gar eine Verletzung sollten hier fern der Zivilisation tunlichst vermieden werden. Nach einem Halt am Bujongolo-Rock Shelter, einem spektakulären Felsüberhang unter dem 1906 die Expedition des Herzogs der Abruzzen ebenfalls lagerte, stiegen wir entlang der Grenze zum Kongo weiter zum Kitandarasee und Butawu-River ab und erreichten nach Durchdringen des Bambusgürtels wieder das Nationalparkgate. Eine erlebnisreiche, von Top Mountain Tours top organisierte, Expedition ging damit zu Ende. Bis bald und bleibt aufmerksam!
Ruwenzori: Mystische Mondberge am Äquator
Vor der letzten Schlüsselstelle – willkommen in der Zone des ewigen Eises am Äquator! Foto: Oliver Lair
Ruwenzori: Mystische Mondberge am Äquator
Oliver und Christine Lair am Margherita Peak (5109 Meter), dem dritthöchsten Berg Afrikas Foto: Oliver Lair

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