„Geboren werden heißt, zu sterben anfangen“ – mit diesem Zitat von Laotse, begleitet vom großformatigen Werk „Phasengrenze“, werden die Besucher zur Einzelausstellung in der Städtischen Galerie Theodor von Hörmann empfangen. Thema der Künstlerin Susanne Liner ist der Körper mit all seinen Erscheinungsformen und dem darin wirkenden Leben. Liners experimentelle und sehr expressive Malweise basiert auf kindlicher Neugier und abenteuerlichem Entdeckergeist. Alles spricht aus ihren Werken – Form, Farbe und Textur werden gespeist aus dem Unterbewusstsein und den Ereignissen des Lebens, um mit Leidenschaft auf der Leinwand Form anzunehmen. Die Ausstellung zeigt eine Entdeckungsreise bis in mystische, magische Zwischenwelten und lädt dazu ein, die eigene Perspektive mit dem Interpretierbaren zu verbinden. Der Betrachter kann in einen Dialog eintreten, der es ihm ermöglicht, mit dem, was er selbst mitbringt, in Resonanz auf die Werken zu gehen und etwas daraus zu machen.
LEBEN BEDEUTET VERWANDLUNG. Laudator Dr. Günther Dankl: „Susanne Liner ist eine konsequent und präzise arbeitende Künstlerin. Eine, die am liebsten alles selbst in die Hand nimmt. Ihre zentralen Schaffensthemen sind der Körper und die essentielle Körpererfahrung.“ Dankl zieht Parallelen zu August Stimpfl, der sich Zeit seines Lebens mit dem Thema Körper auseinandergesetzt hat. „Während Stimpfl dabei zumeist den Blick von außen auf den Körper mit all seinen Verletzungen und Ängsten wirft, dringt Susanne Liner gleichsam in das Innere des Körpers und damit auch in ihr eigenes Ich ein. Aus diesem Grund hat sie diese Ausstellung ganz bewusst als eine zwischen Geburt und Tod, Bewusstsein und Unterbewusstsein oder Verwandlung angesiedelte Reise ins Ich angelegt. Leben bedeutet eine ständige Verwandlung. Zwischen Geburt und Tod eingebettet, unterliegt es stets einem transitorischen Gefühl und Übergang zwischen Werden und Vergehen. Das ist das zentrale Thema, das Liner in ihren berührenden und zumeist auch betroffen machenden Gemälden zum Ausdruck bringt.“
MYSTERIUM LEBEN, ZAUNREITERIN UND EIGENER GARTEN. Raum eins der Galerie führt das Mysterium Leben vor Augen – vom Beginn an, der bereits das sichere Ende in sich trägt. Eine Vielzahl an Eindrücken strömt auf den Betrachter ein. Zugleich darf er sich fragen, welche Impulse auf den neugeborenen Körper einströmen, wenn er in die Realität der Zeit geholt wird, wie eindrucksvoll das Werk „Dialog mit einer Fliege“ zeigt. Weiters spricht Liner Metamorphosen und surreal anmutende Mischwesen bildnerisch an. Auch der ewige Dialog zwischen allem wird durch zwei gegenüberstehende Bilder – „Lichtblick“ und „Groß in Klein“ – angedeutet. In Raum zwei begegnen wir der aus der Vergangenheit stammenden Hagazussa, der Zaunreiterin, die zwischen den Zeiten wirkt. Ihre Welt ist das Unbegreifbare und wird von Liner mit aktuellen Wolkenarbeiten, den losgelösten, entgrenzten Gestalten, die das Licht fangen, begleitet. Im dritten Raum kommt der Betrachter bei der Künstlerin selbst an und wird von ihrem eigenen Garten empfangen. Einer Traumvisualisierung eines innerkörperlichen Energieideals vom ausbalancierten Leben als kraftspendende Landschaft dargestellt. Liner gibt ihr Innerstes preis, den Spiegel ihrer Selbstreflexion, aus dem sie ihre Inspiration nährt und mit Leidenschaft ihres offenen Herzens nach außen trägt, in der Hoffnung, dass viele ihrer Einladung folgen und den eigenen Garten in sich selbst besuchen, ihn pflegen und darin Ruhe finden in Zeiten der beunruhigenden Schnelllebigkeit. Eine Ausstellung, die einen Wandlungsprozess durchschreiten lässt und den Betrachter einlädt, neugierig die eigene innere Welt zu erforschen.
Die „Soundklinik Imst“ begleitete die Vernissage mit dem Saxophon. Martina, Melanie und Ingeborg (v.l.).
RS-Foto: Bundschuh