Die ehrenamtlichen Gletschermesser des Österreichischen Alpenvereins haben im Gletscherhaushaltsjahr 2023/24 insgesamt 90 Gletscher beobachtet. Nur drei Gletscher blieben in ihrer Länge unverändert. Alle anderen sind weiter geschrumpft – im Durchschnitt um 24,1 Meter. Der Mittelwert ergibt sich aus 75 Gletschern, die sowohl 2023 als auch 2024 vermessen wurden. In der 134-jährigen Geschichte des Gletschermessdienstes bedeutet das den dritthöchsten Längenverlust, knapp hinter den Rekordjahren 2021/22 (-28,7 Meter) und 2016/17 (-25,2 Meter). „Die neuerlichen Rekordwerte zeigen eindrucksvoll, dass sich die österreichischen Gletscher weiterhin in einer Phase des raschen Verfalls befinden“, erklärt Gerhard Lieb, der gemeinsam mit Andreas Kellerer-Pirklbauer den Alpenverein-Gletschermessdienst wissenschaftlich leitet.
URSACHEN. Die Entwicklung sei vor allem auf außergewöhnlich warme Sommermonate ohne längere Kältephasen zurückzuführen. „Besonders die hohen Temperaturen im Juni, Juli und August 2024 haben dazu geführt, dass die Gletscher in rasantem Tempo abschmelzen konnten“, erklärt Kellerer-Pirklbauer. „Die für Gletscher wichtigen Sommer-Schneefälle, die die Eisschmelze etwas bremsen könnten, blieben erneut aus. In Summe war das Gletscherhaushaltsjahr 2023/24 sogar um 1,9 Grad Celsius zu warm.“ Dass Österreichs Gletscher in spätestens 40 bis 50 Jahren weitestgehend verschwunden sein werden, dürfte sich kaum noch vermeiden lassen. „Die österreichischen Gletscher existieren nur noch aufgrund der in der Vergangenheit gespeicherten Eismassen – ihr weiteres Schmelzen ist unter den aktuellen Klimabedingungen unvermeidbar“, warnt Lieb. Letztendlich sei diese Entwicklung aber ein globales Problem, erklärt Nicole Slupetzky, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins. Die Vereinten Nationen haben gemeinsam mit der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) das Jahr 2025 zum „International Year of Glaciers’ Preservation“ erklärt. Gletscher sind von entscheidender Bedeutung für die Regulierung des globalen Klimas und die Bereitstellung von Süßwasser für Millionen von Menschen. Der Österreichische Alpenverein fordert einen ausnahmslosen Gletscherschutz, der neben den Gletscherflächen auch die fragilen Gletschervorfelder, also die Bereiche, die erst in den letzten rund 175 Jahren eisfrei wurden, umfasst. Außerdem dürften die Klimaziele trotz anderer Herausforderungen nicht aus den Augen verloren werden.
ERGEBNISSE AUS DEM GLETSCHERMESSDIENST VON INTERNATIONALER RELEVANZ. Der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins beobachtet bereits seit 134 Jahren die Gletscher in Österreich und registriert akribisch deren Längenänderungen. An ausgewählten Gletschern werden durch den Alpenverein zusätzlich Messungen der Fließgeschwindigkeiten und der Oberflächenhöhe durchgeführt. Den beiden Leitern des Alpenverein-Gletschermessdienstes wurden für den Gletscherbericht 2023/24 von 25 Gebietsverantwortlichen 20 Berichte aus 17 Teilgebieten in zwölf Gebirgsgruppen vorgelegt. Die Messkampagnen fanden zwischen dem 13. August und dem 27. Oktober 2024 statt. Die in Österreich gesammelten Ergebnisse fließen auch in die globale Gletscherdatenbank des World Glacier Monitoring Service (WGMS) ein. Alle aktuellen, aber auch historischen Messdaten sind erstmals interaktiv über den „Gletschermonitor“ des Österreichischen Alpenvereins abrufbar. (www.alpenverein.at/gletschermonitor)
Und der Gepatschferner 1930. Foto: Much Heiss/ Innsbruck