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Wie ein Imster Baumarkt zur Filmkulisse wird

„An der Grenze“ wagt den Blick hinter die Postkartenidylle – und legt die Bruchlinien der Tiroler Gesellschaft als Krimibühne frei

Zwischen Baumarktregalen und Bergsilhouetten entsteht mit „An der Grenze“ ein Krimi, der die vertraute Tiroler Landschaft in ein vielschichtiges Spannungsfeld aus gesellschaftlicher Realität und dramaturgischer Dichte verwandelt. Gedreht wird noch bis Mitte April – in Rum, Hall, Stans, Garmisch, Leutasch und Imst. Auch das „Oilers 99“ in Haiming wird für eine kurze Szene zur Kulisse. Der Set-Besuch in Rum und die dort geführten Gespräche offenbarten eine Produktion, die Grenzen überschreitet – geografisch wie erzählerisch.
8. April 2025 | von Benjamin Hofer
Wie ein Imster Baumarkt zur Filmkulisse wird<br />
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Lavinia Wilson, Saralisa Volm und Philine Schmölzer (v. l.) am Set von „An der Grenze“. Gedreht wurde unter anderem in Imst und Haiming.
Funktion trifft Fiktion: Während viele Krimiformate auf urbane Schauplätze oder folkloristische Klischees setzen, schlägt „An der Grenze“ bewusst einen anderen Weg ein. Die deutsch-österreichische Koproduktion von Satel Film und Bavaria Fiction für ServusTV und ZDF positioniert das Handlungsgeschehen in der Grenzregion zwischen Tirol und Bayern. Gedreht wird diesseits und jenseits der Grenze. Eine der zentralen Kulissen ist der Ziegelwerk-Baumarkt Canal in Imst: ein Ort der Funktionalität, der in der Serie zum Arbeitsplatz der entlassenen Kommissarin Ira Zach (verkörpert von Lavinia Wilson) wird. Der Kontrast zwischen den rauen Höhenzügen der Tiroler Bergwelt und der schnörkellosen Ästhetik des Baumarkts ist dabei kein Nebeneffekt – sondern ein bewusst gesetztes Stilmittel. „Als wir zum ersten Mal in diesem Baumarkt in Imst standen, waren wir schockverliebt – uns war sofort klar: Das ist der richtige Ort“, erzählt Karsten Günther, Head of Innovation bei Bavaria Fiction. Die „markante Struktur“ des Gebäudes, so Günther, bilde mit der Bergkulisse ein Spannungsfeld, das für die Erzählung zentral sei. Produzentin Ula Okrojek von Satel Film lobt das „unglaubliche Entgegenkommen“ der Betreiberfamilie: „Dass wir dort unter der Woche im laufenden Betrieb drehen können, ist außergewöhnlich – und zeugt von der Tiroler Offenherzigkeit.“

TATORT GEGENWART. Inhaltlich bewegt sich „An der Grenze“ jenseits klassischer Krimiformate. Die Serie erzählt von der einst gefeierten Kommissarin Ira Zach, die inzwischen als Angestellte in einem Baumarkt arbeitet, und der jungen Ermittlerin Daphne Meindl (gespielt von Philine Schmölzer), die sie um Unterstützung in einem rätselhaften Fall bittet. Der Mord an einem führenden Naturschützer und ein toter Wolf markieren die Oberfläche eines tief liegenden Konflikts, welcher die gesamte Region spaltet. Die sogenannte „Tierfrage“ – ob das Tier oder der Mensch hinter den Vorfällen steckt – wird dabei zum erzählerischen Brennglas für gesellschaftliche Brüche. Gerade in Tirol, wo Wolfsrisse politische und emotionale Kontroversen auslösen, berührt der Film ein Thema, das nicht nur symbolisch aufgeladen ist, sondern auch unmittelbare Gegenwartsrelevanz besitzt.

GABELSTABLER VOR GEBIRGSKULISSE. Lavinia Wilson, die als Ira Zach zwischen Melancholie und Eigensinn changiert, betont die Ambivalenz des Drehorts: „Im beruflichen Alltag meiner Rolle herrscht eine bestimmte Tristesse, aber dann schaut man aus dem Fenster – und sieht diese unglaubliche Landschaft. Meine Figur erlebt diesen Kontrast jeden Tag.“ Mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: „Und ganz ehrlich: Ich freue mich auf die Szenen mit dem Gabelstapler.“ Auch Philine Schmölzer zeigt sich beeindruckt von Land und Leuten. Die Tiroler:innen beschreibt sie – im besten Sinne – als „straightforward“, oder, wie man hier wohl sagen würde: „grade Michl“. Ihre Figur, ehrgeizig, gebildet, mit einem Faible für Make-up und Pastelltöne ausgestattet, trifft in der rauen Realität des Alpenraums auf eine unerwartete Form von Bodenhaftung. Für Regisseurin Saralisa Volm steht fest: Sie will die Region nicht romantisieren – und schon gar nicht rein dokumentarisch festhalten. „Wir zeigen das Schöne, ja. Aber auch die Risse. Betonbauten, Einsamkeit, innere Kämpfe. Tirol und Oberbayern haben viele Gesichter – und genau das interessiert mich.“ „An der Grenze“ soll damit kein touristisches Postkartenbild zeichnen, sondern als filmisches Porträt einer vielschichtigen Gesellschaft wirken.

ZWISCHEN SCHRAUBENREGALEN UND SCHNEEGIPFELN. Gefördert von Cine Tirol, FISA+ und Film in Austria steht die Produktion exemplarisch für das, was moderne Fernsehunterhaltung leisten kann: regional verankert, international gedacht. Ein Sendetermin steht noch aus – sicher ist jedoch: Wenn „An der Grenze“ erscheint und den Baumarkt Canal in Imst auf der großen Leinwand präsentiert, wird man begreifen, dass hinter jedem Ort – selbst zwischen Schraubenregalen – eine Geschichte wartet, die erzählt werden will.

 
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Michael Kranz, der bereits in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ zu sehen war, sprach am Set von „An der Grenze“ mit der Rundschau über seine Rolle als Ermittler Wamsler. Fotos: ServusTV/Sebastian Marko

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