Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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3700 Quadratmeter Guthaben

Bürgermeister erörtert Grundübertragungen an Bergbahnen in Sölden

Auf Anfrage von Gemeindevorstand Stefan Brugger und Gemeinderat Markus Pirpamer ging Bürgermeister Ernst Schöpf der Frage nach, wann welche Übertragung von der damaligen Agrargemeinschaft Gaislachalpe (nunmehrige Gemeindegutsagrargemeinschaft) zur Gletscherbahngesellschaft beziehungsweise der Gemeinde Sölden erfolgt ist. Dass die Kommune damals sogar für das eigene Wasser zahlen musste, ist für ihn bezeichnend. Die Frage, ob das Land die Rückzahlung der Ausschüttungen ab 1998 übernehmen wird, ist indes immer noch nicht geklärt.
3. August 2020 | von Agnes Dorn
3700 Quadratmeter Guthaben
Für zukünftige Bauten könnten die Bergbahnen noch auf ein beträchtliches Guthaben an Gründen zurückgreifen. RS-Foto: Dforn
Von Agnes Dorn

Bekanntermaßen wurden und werden ehemalige Agrargemeinschaftsgründe nicht nur agrarisch genutzt. So auch jene Gründe in Sölden, die vormals der Agrargemeinschaft Gaislachalpe zugeschrieben wurden. „Die Nutzungen gab es aber nicht zum Nulltarif und das Geld ging in die falsche Kasse“, erklärt dazu Bürgermeister Ernst Schöpf als Anhänger der Rückübertragung der Agrarsubstanz an die Gemeinden. Um die Dienstbarkeits- und Übergabegeschäfte zwischen Agrargemeinschaft und Gletscherbahngesellschaft zu klären, sichtete der Dorfchef nun die betreffenden Verträge, angefangen beim Regulierungsvertrag von 1964. Dort war festgehalten worden, dass die Agrargemeinschaft der damals noch zu bildenden Gesellschaft (heutige Ötztaler Gletscherbahn) „den für die Errichtung einer Gondelbahn eines Sessellift und der notwendigen Stützen erforderlichen Grund entschädigungslos zur Verfügung“ stellen werde. Weiter heißt es, die Liftgesellschaft könne „Schlepplifte von Gigeretz in nordwestlicher Richtung bis zum Rettenbach ohne Grundentschädigung in beliebiger Anzahl errichten“. 

AUFBRUCHSTIMMUNG. Zwei Jahr später war die angekündigte Gesellschaft bereits gegründet und für die Errichtung von Mittelstation samt Restaurant sowie Bergstation der Gondelbahn auf den Gaislachkogel wurden der Gesellschaft insgesamt 5000 Quadratmeter übertragen und außerdem alle Rechte eingeräumt, „die für die Errichtung und den Betrieb der Gondelbahn auf den Gaislachkogel sowie von Schlepp- und Sessellift, ohne Beschränkung hinsichtlich Zahl und Art, auf Gp. 1501 und 6400 erforderlich sind“. Damals hätte unter den Pionieren eine Aufbruchstimmung hin zur Entwicklung eines Skigebiets geherrscht. Heute wäre eine solche Übertragung zum Nulltarif sicher nicht mehr denkbar, zeichnet Schöpf ein Sittenbild der damaligen Anfangsphase der Liftgesellschaft, an der die Gemeinde Sölden mit 15 Prozent beteiligt ist. 

GRUND & BODEN. Für den Bau der Gaislachalm wurde das Gebiet der bisherigen Nutzungsrechte im Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag von 1980 nun bis zu den Gaislacher Lehnen erweitert und eine jährliche Entschädigung von 3.000 Schilling an die 43 Liegenschaftseigentümer festgelegt. Außerdem wurde ein nicht definiertes Gebiet von 2000 Quadratmetern für 430.000 Schilling an die Gesellschaft verkauft, wohlgemerkt „obwohl sie nicht hätte müssen“, wie Schöpf unter Hinweis auf das Nutzungsrecht feststellt. „Die Gründe sind heute noch teilweise unverbraucht“, hält der Bürgermeister fest. Auch für die Erweiterung der Trinkwasserversorgung unterhalb der Mautstation bezahlte die Gemeinde 1990 bares Geld an die Agrarier: Die Gemeinde hat damals von der Agrargemeinschaft ihr eigenes Wasser für 450.000 Schilling abgekauft. Geld, das nicht mehr zurückgefordert werden kann, da die Ausschüttung vor 1998 getätigt wurde. 1995 wurden dann weitere 4000 Quadratmeter an Grund um einen Kaufpreis von 235.000 Schilling für Beschneiungsanlagen abgekauft, für die jährlich außerdem eine Entschädigungszahlung von 235.000 Schilling geleistet wurde und wird, die seit 2014 der Gemeinde zukommt. Abzüglich der tatsächlich erfolgten Bauten bliebe der Gesellschaft immer noch ein beträchtliches „Guthaben“, so Schöpf, der für die Zukunft festhält: „Wenn die Bergbahnen was bauen wollen, können sie darauf zurückgreifen. Das ist so ausgemacht.“ 

DER SÜNDENFALL IM LANDHAUS. Die Ausschüttungen aus der Agrarsubstanz in der Höhe von insgesamt 219.000 Euro, die seit 1998 an die Agrariern getätigt wurden, stehen indes der Gemeinde zu, wie die Agrarbehörde nun feststellte. Die 109.000 beziehungsweise 31.000 Euro an Ausschüttungen aus den Jahren 1995 beziehungsweise 1996, die die Agrariern außerdem aus den Verkäufen lukrieren konnten, sind indes vor dem Stichjahr 1998 und können nicht zurückgefordert werden. Wie es ausschaut, werden aber auch für die genehmigten 219.000 Euro nicht die Agrarier zum Handkuss kommen, sondern das Land wird die Zahlung übernehmen. Schließlich sei „der Sündenfall“ auch im Landhaus passiert, argumentiert Schöpf, der sich in dieser Causa als Gemeindeverbandspräsident derzeit noch in Verhandlung mit Landeshauptmann Günther Platter befindet. 
3700 Quadratmeter Guthaben
Bürgermeister Ernst Schöpf sieht das Land als verantwortlich für die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Agrarier an. RS-Foto: Dorn

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