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Agrargemeinschaftsthema wie Phönix aus der Asche

„Wir sprechen hier von Milliardenvermögen“

Vergangene Woche fand in Innsbruck eine großangelegte Pressekonferenz zum Thema Agrargemeinschaften im Salon „Pauli“ des altehrwürdigen Cafe Katzung statt. Medienvertreter aus dem ganzen Land füllten den Salon. Der parteiunabhängige Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ und deren Vertreter Werner Lux, Leonhard Steiger sowie Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf riefen dazu auf. Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl lassen Gemeindevertreter das Dauerthema Agrargemeinschaften wieder aufflammen.
19. Juli 2022 | von Christoph Hablitzel
Agrargemeinschaftsthema wie Phönix aus der Asche<br />
Baten zur Pressekonferenz: Werner Lux und Leonhard Steiger vom Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ sowie GVV Präsident Ernst Schöpf (v.l.). Foto: zeitungsfoto.at / Liebl Daniel
Von Christoph Hablitzel

Zum „größten Kriminalfall Tirols“ – Zitat Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) – baten der Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ und der Gemeindeverband (GVV) 74 Tage vor der nächsten Landtagswahl zur Pressekonferenz. Die konkrete Forderung der beiden Institutionen ist die Rückübertragung des entzogenen Grundeigentums an die Gemeinden. Durch ein einfaches Landesgesetz sei dies durchaus möglich, lautete die klare Forderung der Vertreter an die Politik. „Die Politik verharrt“, kritisierte Vereinsvertreter Leonhard Steiger. Zugleich beklagte er, dass das „Thema aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sei.“

MILLIARDENSCHADEN FÜR GEMEINDEN. Der zweite Vereinsvertreter Werner Lux verweist auf umfangreiche, sys-
tematische Erhebungen des GVV in den Jahren 2014-2016, die auf einen enormen Schaden schließen lassen. Diese Recherchen haben „die Dimension des Grundstückraubs verdeutlicht“, ergänzte Werner Lux. Durch Regulierungsverfahren in den 1950er und 1960er Jahren wurde Gemeindegut an Agrargemeinschaften übertragen. Jene Regulierungen „unterlägen dem Amtsgeheimnis“ und seien deshalb nicht einsehbar, kritisierten Lux und Steiger. Für sie steht auf alle Fälle fest, dass große Teile des Liegenschaftsvermögens von 170 Tiroler Gemeinden im Auftrag der Tiroler Landespolitik, welche vom Bauernbund dominiert wird, in den letzten 100 Jahren „entschädigungslos an rund 400 Agrargemeinschaften verschoben wurde.“ Ein „Milliardenvermögen“, das ein Fünftel der Gesamtfläche des Bundeslandes betrifft. Der Verein hat die GVV-Recherchen auf einer eigens dafür eingerichteten Website www.agrarpapers.tirol veröffentlicht, um so die Öffentlichkeit über diese „skandalösen Zustände“ zu informieren, so die beiden. „Im Netz kann es nicht verschwinden und unterliegt nicht dem Amtsgeheimnis“, sagte Steiger. Den Vorwurf, dass der Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl am 25. September bewusst gewählt wurde, bestritten die Vereinsvertreter.

FEHLER IN DER LANDESPOLITIK. Volle Rückendeckung für die Forderungen gibt es von Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf (ÖVP). Auch er ortet Säumnisse der Politik. „Der letzte Schritt fehlt“, so Schöpf – der selbst kein Mitglied des Vereins ist – zu der 2014, mit schwarz-grüner Mehrheit beschlossenen Novelle zum Flurverfassungsgesetz (Agrargesetz). Dieses Gesetz räumte den Gemeinden den Zugriff und die Disposition über den Substanzwert in vollem Umfang zu. Also jene Gewinne, die beispielsweise aus Jagdpacht, Schottergruben, Autobahnraststätten oder Verkauf von Bauland stammen.

KNALLHARTE KOMMUNALE INTERESSEN. Weiters hielt Schöpf fest, dass begangene Fehler dadurch aber nicht korrigiert wurden. Er plädierte ebenfalls für ein einfaches Landesgesetz, das die Rückübertragung regeln soll. „Unrecht wird nicht durch Zeitablauf recht“. Man muss die Causa „aktiv angehen“. Es gehe hier um „knallharte kommunale Interessen“, die der GVV vertritt. Die Faktenlage ist gegeben. In dieser ungelösten Frage sieht Schöpf „einen Auftrag an den dann sich neu zusammensetzenden Tiroler Landtag. Was aber gar nicht gehe: Dass man die Dinge schlicht und einfach verdrängt und das dann den Leuten auch noch als glaubhaft verkaufen will“, so Schöpf in klaren Worten.

LHSTV. JOSEF GEISLER (ÖVP) HÄLT DAGEGEN. Der zuständige LR Josef Geisler, auch Bauernbundobmann, ließ die Kritik nicht auf sich sitzen und verwies auf den Verfassungsgerichtshof. Dieser habe „eine Rückübertragung ausgeschlossen“, so der ÖVP-Politiker, der damit die neu entflammte Debatte gewissermaßen als beendet erklärt. Für politische Hochspannung im Land ist also gesorgt.

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