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Eine Person, eine Partei

27. August 2019 | von Manuel Matt
Eine Person, eine Partei
Auf der Bühne, in der Rede in seinem Element: Sebastian Kurz, bundesweiter Spitzenkandidat der Volkspartei. RS-Foto: Matt

ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz zu Gast in Längenfeld


Seit Dienstag ist er 33 Jahre alt – und nach der Nationalratswahl am 29. September wird Sebastian Kurz als Spitzenkandidat der Volkspartei (ÖVP) allen Umfragen entsprechend höchstwahrscheinlich der bisher jüngste, jemals wiedergewählte Bundeskanzler in der österreichischen Geschichte sein. Dass die Rezeptur des Erfolgskonzepts dafür kaum abgeändert werden muss, ließ Kurz jüngst bei einem Besuch in Längenfeld erahnen.


Von Manuel Matt


Es herrscht Volksfeststimmung an diesem Mittwochvormittag vor dem Naturparkhaus in Längenfeld. Die Musikkapelle spielt auf, die Ortsbäuerinnen sorgen für das leibliche Wohl der hunderten Besucher, die unter Zeltdächern oder eben auch wolkenverhangenem Himmel gespannt dem Kommenden entgegensehen. Unter das Volk mischen sich zahlreiche Persönlichkeiten der Volkspartei (ÖVP) wie der Imster Bürgermeister Stefan Weirather und seine Kollegen aus dem Pitz- und Ötztal, Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf, der Tiroler VP-Klubobmann Jakob Wolf, die Oberländer Nationalrätin und neuerliche Spitzenkandidatin Elisabeth Pfurtscheller sowie mit Franz Hörl und Peter Raggl die Tiroler Häuptlinge von Wirtschafts- und Bauernbund.



Gemeinsam für Kurz

Demonstrierte Einigkeit, die auch als dezentes Zeichen der Handschrift von Sebastian Kurz verstanden werden darf, der seit 2017 die Volkspartei anführt. Querschüsse und öffentliche Meinungsverschiedenheiten sind seitdem fast ein Relikt der Vergangenheit in der Gruppierung, in der es aufgrund ihrer bündischen Struktur und mächtigen Landeshauptleuten nicht selten brodelte. Dementsprechend herzlich gestalteten sich die Begrüßungsworte seitens Gemeindeverbandspräsidenten Ernst Schöpf und des gastgebenden Bürgermeisters Richard Grüner, wobei Letzterer neben Unterstützungsbekundungen auch auf den Handlungsbedarf bei Themen wie Fachkräftemangel, Pflege, Bürokratieabbau und Verkehr verweist. Zur Nationalratswahl-Mobilmachung von „Oma, Opa, Hund und Katze“ zugunsten von Kurz ruft anschließend der Tiroler Klubobmann Jakob Wolf auf, der übrigens „bewusst“ eine türkise Krawatte gewählt hat – durchaus ein Bekennen von Farbe, meinte Wolf doch noch 2018 in einem RS-Interview, dass er trotz aufsehenerregendem Umfärben ein „Schwarzer“ bleibe.



Kult als Trumpf

Die Volkspartei wird im September wohl noch stärker auf Sebastian Kurz als schlagendes Verkaufsargument setzen als in der vergangenen Wahl, wobei die Inszenierung teilweise durchaus den Bereich des Personenkults streift. Das unterstreichen auch die Auftritte der Tiroler Spitzenkandidatin und früheren Bundesministerin Margarete Schramböck sowie der Oberländer Listenersten und Nationalrätin Elisabeth Pfurtscheller. Beide geben Einblick in persönliche Anliegen wie Digitalisierung und Ausweitung des Computeria-Modells (Schramböck), Hausapotheken und Tschirgant-Tunnel (Pfurtscheller), weite Teile der Reden gelten aber dem Lob für den Bundesparteiobmann, dessen Name aberdutzende Male fällt. So vermutet auch Pfurtscheller abschließend gen Publikum: „Ihr wollt Sebastian Kurz hören!“



Heimspiel

Eben jener Gast aus Wien lauschte geduldig im Publikum, hatte zuvor große und kleine Hände geschüttelt und macht sich nun gemeinsam mit Landeshauptmann Günther Platter auf den Weg in Richtung Bühne, von Applaus begleitet. Freilich kein Geheimnis bleibt dabei das außergewöhnliche Redetalent, die gewinnende Art des an einem Misstrauensvotum gescheiterten Altkanzlers, der Herausforderungen wie Spendenkontroversen und Schredder-Affären bisher mühelos umschiffte. Freundlich staunt Kurz über „die beeindruckende Landschaft im Ötztal“, dankt für das zahlreiche Erscheinen und stellt sich anschließend den Fragen von Margreth Falkner, zuständig für Organisation und Gemeindeservice innerhalb der Tiroler ÖVP. Nach dem „Ibiza-Video“ seines Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ), das „alles auf den Kopf“ gestellt habe, dem Ende seiner Bundesregierung sieht Kurz nun „alle Chancen auf Stärkung“. Der Kurs bleibt unverändert rechts der Mitte, verspricht beispielsweise Steuersenkungen sowie eine „konsequente Einwanderungspolitik ohne Menschenfeindlichkeit“, wobei Kurz gekonnt auf emotionale Schlüsselbegriffe wie dem Schützen einer österreichischen Identität und „Hausverstand“ setzt. Thema soll auch der Klimaschutz sein, ohne schmerzlichen Verzicht auf persönliche Annehmlichkeiten, mit Fokus auf Elektro- und Wasserkraftmobilität. Eine CO2-Steuer werde es nicht geben, verspricht Kurz – wegen dem ländlichen Raum, zu dem zweifellos auch Längenfeld zählt, das in der vergangenen Wahl zu über 57 Prozent der „Neuen Volkspartei“ das Vertrauen geschenkt hatte. Städter hätten beim Klimaschutz angesichts urbaner Infrastruktur immerhin leicht reden, betont Kurz und erntet Sympathien, wie auch für das Versprechen, Pflege in der nächsten Amtsperiode als erstes Thema zu behandeln. Neben dem Inhaltlichem steht Kurz als Person im Rampenlicht: Der Mensch, dem zwischen starkem EU-Wahlergebnis und scheidender Regierung der Sinn nicht nach Feiern steht, der mit Freunden wandern geht, sie zuhause bekocht, während die Lebensgefährtin heimkommt und sich freut, dass ihr Sebastian mal zuhause ist. Schilderungen, die vielleicht nicht gänzlich ohne wahltaktisches Kalkül sind, aber jedenfalls sichtlich auf fruchtbaren Boden fallen. „Sebastian, die Menschen wollen dich hören – das habe ich noch nie so erlebt“, staunt auch der Landeshauptmann und verkündet: „Sebastian, wir brauchen dich!“



Prozession

Ein Thema wäre planmäßig eigentlich nicht vorgesehen gewesen, nämlich der Gletscherzusammenschluss Ötztal-Pitztal. Dem ungeachtet, formulierten dennoch vier Frauen unangemeldet, aber mit Glockengeläut ihren Einspruch zur „Gletscher-Ehe“ – mehr dazu in der aktuellen RUNDSCHAU-Ausgabe (Nr. 35, 42. Jahrgang) Seite 46. 

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