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In Haiming geht eine Ära zu Ende

Langzeit-Gemeindeoberhaupt Josef Leitner stellt sich nicht mehr der Wahl zum Bürgermeister

Josef Leitner ist seit knapp 30 Jahren Bürgermeister von Haiming. Bei den Gemeinderatswahlen 2022 wird er nicht mehr antreten. Mit Josef Leitner wird zweifellose eine Ära zu Ende gehen. Der Langzeitbürgermeister im Gespräch mit der RUNDSCHAU über den Wandel in der Politik, seine 30 Jahre als Bürgermeister, seine Erfolge und Niederlagen.
28. September 2021 | von Friederike Hirsch
In Haiming geht eine Ära zu Ende
Josef Leitner, seit knapp 30 Jahren Bürgermeister von Haiming, wird sich nach den Wahlen gänzlich aus der Politik zurückziehen. RS-Foto: Hirsch
Von Friederike Hirsch

Josef Leitner ist seit dem 29. März 1992 Bürgermeister von Haiming. Bei den Gemeinderatswahlen 2022 wird er nicht mehr als Bürgermeister kandidieren. Er wird diese Periode „fertig machen“ und nicht währenddessen übergeben. In Summe und auch mit dem heutigen Wissen, würde Josef Leitner, könnten wir ins Jahr 1992 zurückreisen, wieder als Bürgermeisterkandidat antreten. 

WUNSCHKANDIDAT. „Für mich ist natürlich der Kandidat der Allgemeinen Liste mein Wunschkandidat“, lächelt Josef Leitner. Die Allgemeine Liste hat einen Wunschkandidaten und das ist der amtierende Vizebürgermeister und Obmann des Bauausschusses Christian Köfler. „Es ist noch nicht endgültig, aber wie es ausschaut, wird es in diese Richtung gehen“, meint Leitner. Köfler ist seit zwölf Jahren Obmann des Bauausschusses und seit knapp sechs Jahren auch Vizebürgermeister. „In seiner Funktion als Obmann hat er einige große Projekte souverän abgewickelt, wie zum Beispiel das Gemeindezentrum“, sagt Josef Leitner. Auch als Vizebürgermeister hat Christian Köfler so einiges „zu schaukeln“ gehabt, war doch Bürgermeister Josef Leitner nicht immer bester Gesundheit. Aus Sicht der Allgemeinen Liste würde Köfler einerseits die nötige Erfahrung mitbringen und sich andererseits den Aufgaben bisher gestellt und „gut erledigt“ haben. Josef Leitner wird sich gänzlich aus der Politik zurückziehen. Nach den Wahlen wird er die Posten als Ortsparteiobmann der ÖVP und den des Verbandsobmannes und Geschäftsführers der Altersheime Haiming und Oetz abgeben. 

MÄRZ 1992. Als Josef Leitner vor 30 Jahren als Gegenkandidat zum amtierenden Bürgermeister Wilfried Stigger angetreten ist, war sein Ziel vorerst „keine Schlappe zu kassieren“. „Ich wollte zumindest ehrenhaft abschneiden, vom Gewinnen war keine Rede. Es war eine faustdicke Überraschung“, erinnert sich Leitner. Plötzlich saß Josef Leitner entgegen allen Prognosen im Amt. „Es hat damals, so weit ich mich erinnere, zwei große Themen gegeben. Das war der Bau des Gemeindesaals, um den es zehn Jahre lang eine heftige Diskussion gab, und die Bauplatzbeschaffung für junge Menschen“, sagt Leitner. Die größte Aufgabe damals war allerdings, die Zusammenarbeit im Gemeinderat zu forcieren und Mehrheiten zu bilden. „Ich hatte damals drei Mandate von 15“, erinnert sich Leitner. Ein weiteres großes Thema Anfang der 1990er war, dass die unterschiedlichen Ortsteile mit einer gewissen Infrastruktur ausgestattet werden sollten: „Eine Dezentralisierung, wenn man so will“, sagt Leitner. 

NICHT ALLES UMSETZBAR. „Im Laufe der Zeit ist es immer wieder gelungen, jungen Haiminger Familien ein Dach über dem Kopf zu ermöglichen, auch wenn es immer wieder zäh war“, sagt Leitner. Auch die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ort konnte erreicht werden. „Und touristisch haben wir auch zwei wesentliche Dinge erreicht. Das ist einmal der Liftanschluss in Ochsengarten an das Skigebiet Hoch Oetz und die Area47, welches ja ein europaweit herzeigbares Projekt ist“, sagt Josef Leitner. Schlichtweg nicht durchsetzbare Projekte hat es in den letzten 30 Jahren natürlich auch gegeben. „Da darf ich ein großes Beispiel herausgreifen, was ein großer Wunsch von mir war, und zwar die Firma Thöni in Haiming anzusiedeln. Die Firma hat in zwei Anläufen versucht, sich in Haiming niederzulassen. Dabei habe ich mich schlichtweg im Gemeinderat nicht durchsetzen können. Das tut mir heute noch leid“, sagt Leitner. 

POLITISCHE KULTUR. In der Gemeindepolitik Haiming hat es zweifellos themenbezogen auch heftige Auseinandersetzungen gegeben. „Insgesamt muss ich aber sagen – und vor allem zurzeit –, haben wir ein ausgezeichnetes Diskussionsklima. Zurzeit finden wir immer wieder einen sehr breiten Konsens“, sagt der Bürgermeister. „Man kann, glaube ich, eindeutig feststellen, dass die Kompromissbereitschaft, die Diskussionsbereitschaft und Zusammenarbeit bei uns im Gemeinderat kaum besser gewesen ist als heute.“ Den Vorwurf, dass Josef Leitner über die Bürger drüberfährt oder über den Gemeinderat, wird man so nicht stehen lassen können. „Ein klares Merkmal, dass dem nicht so ist, ist sicher, dass ich seit 30 Jahren Bürgermeister bin. Würde ich über die Bürger drüberfahren, dann wäre ich mit Sicherheit nicht so lange im Amt.“ Josef Leitner sagt, dass er hinhört und versucht den Bürgerwillen auch umzusetzen, und er versucht sich ein Bild zu machen. „Da im Gemeinderat 95 Prozent der Entscheidungen einstimmig fallen, wird man wohl kaum sagen können, dass ich die Entscheidung allein getroffen und diese dann diktiert habe“, sagt Leitner. Hat Josef Leitner allerdings für sich selbst eine Entscheidungen getroffen, dann steht er auch dazu. „Ich bin der Meinung, dass das auch der Wählerwille ist, dass man Kanten und Ecken zeigt und dass man auch dazu steht. Und nicht zu bestimmten Themen die Meinung wechselt, wie andere die Unterwäsche“, ist sich Josef Leitner sicher. „Es gibt schon so Ansätze, wo ich gern mal drüberfahren würde, so zum Beispiel bei Unterschriftenaktionen. Mit denen kann ich nichts anfangen, weil ich da schon ein Lehrbeispiel erlebt habe“, sagt Leitner.

UMWELT UND FORCHET. „Was mich mit Sorge erfüllt, ist die ganze Diskussion um Klima und Umwelt“, sagt Josef Leitner. Er ist kein Leugner der Klimaveränderung, aber er sieht die ganze Welt in der Pflicht, und nicht nur Österreich. Er empfindet die Maßnahmen, die nur wenige Staaten setzen, als „Tropfen auf dem heißen Stein“. „Unterschiedlichste politische Gruppierungen und NGOs stellen die Dinge so dar, als ob wir die Retter der Welt sein könnten. Das werden wir mit Sicherheit nicht sein. Damit richten sie in der politischen Diskussion Schaden an. Diese Menschen schaden der Umwelt, anstatt sie ihnen nützen. Viele Menschen, die gern etwas für die Umwelt tun würden, sind von den unrealistischen Forderungen abgeschreckt“, meint Leitner. Leitner nennt dazu ein konkretes Beispiel: „Wenn wir uns an den Liftzusammenschluss Oetz-Kühtai erinnern, da hat es den Slogan gegeben ,Das Schafjoch den Schafen‘. Das sind politisch gesehen dieselben Leute, die für die Ansiedlung des Wolfes sind. Fünf Liftstützen über das Schafjoch hätten kein einziges Schaf vertrieben, ein einziger Wolf hat 60 getötet.“ In der Gemeindepolitik wird das Forchet und Wohnraum bestimmende Themen bleiben. „Dazu möchte ich nur einen Satz sagen, weil ich niemandem etwas aufoktroyieren möchte. Das große Thema wird die Wohnungspolitik sein, mit Maß und Ziel. Es wird dabei auch Kompromisse mit dem Forchet geben müssen. Die Siedlungspolitik muss mit dem natürlichen Zuwachs einhergehen. Da wird es den Forchet brauchen,“ sagt Leitner. 

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