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Landwirtschaft gibt Sicherheit

Bezirksrunde der Landwirtschaftskammer präsentiert diesjährigen Jahresschwerpunkt

Noch bevor Corona eindrucksvoll zeigte, dass Regionalität in der Krise auch Versorgungssicherheit bedeutet, hat die Landwirtschaftskammer Tirol ihr Jahresthema genau diesem Themenbereich gewidmet: „Sicherheit und sicher morgen“. Auf ihrer Runde durch die Tiroler Bezirke machten die LK-Spitzenfunktionäre auch in Roppen halt, wo sie am Hof der Familie Rauch die Bedeutung der Direktvermarktung hervorhoben.
16. Juni 2020 | von Agnes Dorn
Landwirtschaft gibt Sicherheit
Im Bild: Hedwig und Emil Rauch, Kammeramtsdirektor Ferdinand Grüner, LK-Vizepräsidentin Helga Brunschmid, LK-Bezirksobmann Rudolf Köll, LK-Präsident Josef Hechenberger, Stefan Rauch, Bezirksstellenleiter Otmar Juen und Bezirksbäuerin Renate Dengg. (v.l.) RS-Foto: Dorn
Von Agnes Dorn

Die Corona-Krise habe schonungslos aufgezeigt, dass eine unendliche Globalisierung nicht nur Vorteile habe, so LK-Präsident Josef Hechenberger beim Besuch am Hof der Familie Rauch in Roppen. Und auch Stefan Rauch, der mit seinem Bruder Emil den landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam führt, kann das bestätigen und ergänzt: „Wenn es die Landwirtschaft nicht gebe, hätte auch der Arbeitsmarkt ein Problem.“ Denn immerhin würde jeder Arbeitsplatz in der Landwirtschaft drei weitere in vor- oder nachgestellten Produktionsbereichen bedeuten, sieht auch LK-Vizepräsidentin Helga Brunschmid die Bedeutung der bäuerlichen Produktion unter anderem in der Sicherstellung der Arbeitsplätze. So auch in der Corona-Krise, denn: „Von den Bauern hat keiner Kurzarbeit gebraucht“, verweist sie auf die fortlaufende Arbeit am Feld und im Stall. 

ALMEN UND TOURISMUS. Auch bei der Landschaftspflege würden Landwirte Sicherheit geben, so Brunschmid weiter. Denn wenn die Landschaft nicht bewirtschaftet würde, würde auch die Artenvielfalt sinken – speziell im Almgebiet, das als Grünland gepflegt wird. Gerade die Almwirtschaft sei sowohl für die Bauern als auch die Touristiker wichtig, greift LK-Bezirksobmann Rudolf Köll ein zentrales Thema der Tiroler Landwirtschaft auf: „Im Bezirk sind über 80 Prozent der Landwirte im Nebenerwerb. Hier ist die Almwirtschaft als Arbeitsentlastung notwendig. Sie ist aber auch für den Tourismus wichtig. Der sollte daher näher an die Grundbesitzer und die Landwirte treten“, richtet Köll wie seine Kollegen in Richtung des Tourismus einen eindringlichen Appell, regionale Produkte mehr zu schätzen und dementsprechend regional einzukaufen. 

ARBEIT HONORIEREN. Dass die bäuerlichen Betriebe nun in der Corona-Zeit plötzlich mehr gewürdigt würden als vor der Krise, freut den Landwirt Stefan Rauch zwar, doch gibt er im gleichen Atemzug zu bedenken: „Alles, was jetzt geschätzt worden ist, ist vor zwei Monaten kritisiert worden. Als Bauer wird man permanent geprügelt.“ Nun hofft er, dass diese gestärkte Akzeptanz durch die Bevölkerung auch nach der Krise anhalte und auch politisch ein Umdenken stattfinde: „Richtig wäre es, Bauern nicht zu subventionieren, sondern ihre Produkte entsprechend zu entlohnen.“ Das sieht auch Brunschmid ähnlich, denn: „Den Preis als Kriterium für ein Produkt zu nehmen, ist fraglich, wenn 30 Prozent der Lebensmittel auf dem Müll landen“.
ZUSAMMENARBEIT. Einig sind sich alle Landwirtschaftsvertreter darin, dass die Direktvermarktung besser verkauft werden müsste und die Bauern untereinander mehr zusammenarbeiten sollten. So sieht es auch Bezirksbäuerin Renate Dengg, die betont: „Es ist zu wenig, in den Selbstbedienungsläden nur Erdäpfel anzubieten. Wir müssen von diesem Konkurrenzdenken weg.“ Diesen Weg der Zusammenarbeit geht man auch am Hof der Familie Rauch in Roppen: Neben den eigenen Produkten (unter anderem Milch, Eier der 340 Legehennen, Apfelsaft und Schnaps, Obst und seit dieser Woche wieder Frühkartoffel) werden in dem seit vier Jahren neben dem Hof an der Landesstraße befindlichen Selbstbedienungsladen auch Produkte weiterer 25 bäuerlichen Betriebe aus der Region angeboten. 

LIEBER ZU REGIONALEN PRODUKTE GREIFEN. Die Familie der beiden Brüder, die beide im Vollerwerb Landwirte sind, bewirtschaftet insgesamt 27 Hektar, die auf rund 70 Feldstücke aufgeteilt sind. Der Konkurrenzkampf mit billigeren Anbietern landwirtschaftlicher Produkte bleibt indes auch weiterhin groß, wie Stefan Rauch betont. „Wir matchen uns mit Ländern, wo allein die Hofstelle 30 Hektar hat.“ Dass da Lebensmittel billiger produziert werden können als am kleinstrukturierten Betrieb in Tirol, sei klar. Und so wäre eine Forderung der Landwirtschaftskammer auch, dass zumindest die öffentlichen Großküchen von der Politik dazu verpflichtet würden, regionale Produkte zu verwenden, so Brunschmid. Dies würde aber auch voraussetzen, dass die dafür notwendigen Strukturen geschaffen würden und funktionierten. Der Verarbeitung des Schweineschnitzels aus Oberösterreich würde dies jedoch keinen Abbruch tun, so Hechenberger, denn: „Regional heißt aus Österreich.“ Er fordert indes weiter eine Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung sowie eine ausreichend finanziell abgesicherte Agrarpolitik gegen den Trend, dass immer alles billiger werden muss. „In der Krise war durch unsere Bauern die Versorgung sichergestellt, doch auch nach Corona kann eine weitere Krise folgen. Wir müssen daher die regionale Produktion durch unsere Bauern und Handwerksbetriebe stärken und so höchste Qualität und Nachhaltigkeit sicherstellen“, fordert der Präsident der Tiroler Landwirtschaftskammer abschließend.

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