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Spielt Bundesregierung mit gezinkten Karten?

Imster Anwalt Christian Schöffthaler bekämpft beim VfGH Schließungsverordnungen nach dem Covid-19-Gesetz

In Österreich gibt es seit 1950 ein Epidemiegesetz, mit dem sich allerdings bisher noch keine Bundesregierung intensiv befassen musste. Mit der Corona-Pandemie musste das vor 70 Jahre geschriebene Gesetz aktiviert werden. Doch die Regierung hebelte im März mit einem neu beschlossenen Cocid-19-Maßnahmengesetz das Epidemiegesetz aus. Vor allem wohl deshalb, um bei Entschädigungszahlungen mehrere Milliarden Euro einzusparen. Der Imster Anwalt Christian Schöffthaler brachte inzwischen unter dem Motto „Einer für alle“ für zahlreiche Betroffene in Tirol beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Individualanträge ein, da er der Ansicht ist, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegt.
14. April 2020 | von Gebi G. Schnöll
Spielt Bundesregierung mit gezinkten Karten?
Lehnen sich gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz auf: Gastronom Luis Kröll, Steuerberater Martin Frötscher und Rechtsanwalt Christian Schöffthaler (v.l.) RS-Foto: Schnöll
Von Gebi G. Schnöll

Mitte März wurden wegen der Corona-Krise von Bezirkshauptmannschaften in Tirol und auch in anderen Bundesländern Schließungen von  Gastronomie- und Seilbahnbetrieben verordnet. Die Verordnungen wurden ausdrücklich auf Grundlage des Epidemiegesetzes und vor Inkrafttreten des Covid-19-Maßnahmengesetzes erlassen. Der Paragraph 32 des Epidemiegesetzes „Vergütung für den Verdienstentgang“ sieht einen Entschädigungsanspruch für Unternehmen vor, die aufgrund der Verordnungen einen finanziellen Schaden erlitten haben. Die Regierung hat zwar umfassende Hilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer wegen der Einbußen im Zusammenhang mit der Corona-Krise beschlossen, allerdings auch eine relevante Kompensationshilfe abgedreht. Laut Epidemiegesetz muss nämlich der Verdienstentgang ausgeglichen werden, zudem könnten die Betriebe die während der Sperre angefallenen Lohnkosten zurückfordern. Das änderte sich aber mit der Aushebelung des Epidemiegesetzes. 

NACHTEILE FÜR BETROFFENE. Mit Bundesregierungsbeschluss werden die Entschädigungsansprüche nun aus dem Covid-19-Maßnahmengesetz unter anderem durch die Errichtung des Härtefallfonds befriedigt. Aus Sicht des Imster Rechtsanwaltes Christian Schöffthaler steht dieser jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlich erlittenen Schaden, welcher gemäß Epidemiegesetz die Bemessungsgrundlage der Entschädigungsansprüche darstellt. Dieser Ansicht sind auch der Imster Steuerberater Martin Frötscher und der Gastronom Luis Kröll aus Nauders.  Sie sehen im Covid-19-Maßnahmengesetz ebenfalls große Nachteile bei den Entschädigungszahlungen. Hauptbetroffene sind in Tirol unter anderem die Hotellerie und Seilbahnen. „Für diese wurde zunächst richtigerweise von den zuständigen Bezirkshauptmannschaften eine Verordnung erlassen und die Betriebe wurden daher nach dem Epidemiegesetz geschlossen. Wenige Wochen danach wurde nach einer Weisung aus Wien die Schließung nach dem Epidemiegesetz wieder aufgehoben und durch die Verordnung nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz ersetzt“, schildert Rechtsanwalt Schöffthaler.  „Die Schließungen kosten die Hotellerie und die Seilbahnwirtschaft mindestens 500 Millionen Euro, jetzt haben diese Unternehmen auch noch mit den Ausfällen aus dem Entschädigungstopf zu kämpfen“, zweifelt Luis Kröll die Vorgangsweise der Bundesregierung an.  

VIEL GELD VERLOREN. „Einer für alle“ lautet nun bei Rechtsanwalt Christian Schöffthaler das Motto. Er macht sich beim VfGH für Unternehmer und Arbeitnehmer gleichermaßen stark und bekämpft die Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz, da diese die eigenen, vorhergegangenen Epidemiegesetz-Verordnungen aufgehoben und damit zeitlich verkürzt haben. Die Verordnung nach dem Epidemiegesetz über die Schließung von Gastronomiebetrieben, Seilbahnen, Skibussen etc. trat am 16. März in Kraft und sollte ursprünglich bis zum 13. April dauern. Die Epidemie-Verordnung wurde allerdings am 26. März aufgehoben. Ergibt eine Differenz von 19 Tagen. „Bedenkt man, dass es hier um alle Gastronomie- und Seilbahnbetriebe Tirols geht, birgt die Aufhebung der Verordnung nach dem Epidemiegesetz ein riesiges Potenzial. Es ist evident, dass hier die Unternehmer bei weiterer Gültigkeit der Epidemie-Verordnung vom Staat wesentlich mehr Entschädigungsleistungen erhalten würden“, so Schöffthaler. Ähnlich ist es bei der Verordnung über das Verlassen des Landesgebietes durch Ausländer beziehungsweise nicht Ansässige sowie des Verbots des Verlassens des eigenen Wohnraums. Wirtschaftlich betroffen sind der Handel und viele Dienstleistungsbetriebe. Auch hier wurden mit dem Inkraftsetzen des Covid-19-Maßnahmengesetzes Millionen Euro eingespart. „Sogar ein Pensionist, der einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, hätte nach dem Epidemiegesetz einen Entschädigungsanspruch gehabt“, weiß Steuerberater Martin Frötscher. Die Frist von sechs Wochen zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus dem Epidemiegesetz ist aufrecht geblieben. Christian Schöffthaler rät allen Unternehmern und Arbeitnehmern, diese Frist unbedingt einzuhalten. In einem Brief an Kanzler Sebastian Kurz bittet der Anwalt um eine Fristverlängerung bis Jahresende und er äußert Bedenken, dass die Bezirkshauptmannschaften wegen der kurzen Frist mit Entschädigungsanträgen geradezu überhäuft und österreichweit die Landesverwaltungsgerichte mit Rechtsmitteln geflutet werden. 

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