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Zwischenbilanz zur Kraftwerkserweiterung Kühtai

Letzte Erkenntnis liegt vor, Arbeiten schreiten voran

Nach jahrelangem Rechtsstreit um die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz hat der Energiekonzern Tiwag vom Verwaltungsgerichtshof die letzte, endgültige Erkenntnis für den geplanten Bau erhalten. Nun zog der Vorstand Zwischenbilanz und erläuterte im Rahmen einer Projektpräsentation auch den aktuellen Stand beim Bau des Schwallausgleichbeckens in Stams.
30. Juni 2020 | von Agnes Dorn
Zwischenbilanz zur Kraftwerkserweiterung Kühtai
Projektleiter Klaus Feistmantl, Vorstandsdirektor Johann Herdina und Stützpunktleiter Robert Neuner (v.l.) erläutern die Erweiterung der Kraftwerksgruppe. RS-Foto: Dorn
Von Agnes Dorn

Das zehn Hektar große, 300000 Kubikmeter umfassende Schwallausgleichbecken, dessen Bau bereits im letzten Herbst begonnen wurde, wäre auch ohne Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz notwendig geworden, da der nationale Gewässerbewirtschaftungsplan dies ab 2027 zwingend vorgeschrieben hätte. „Durch Einleitung des Kraftwerkabflusses in das Ausgleichsbecken wird der Schwall reduziert, bevor das Wasser in den Inn geleitet wird. Die Tiwag leistet damit einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Ökologisierung des Inn“, erklärt Tiwag-Vorstandsdirektor Johann Herdina. Durch das im Schutzgebiet des Ortolans vorgeschriebene Bauverbot in der Vogelbrutzeit steht momentan die Baustelle in Stams bis Ende Juli still.

BESTAND & ERWEITERUNG. Dagegen laufen die Maßnahmen in Kühtai in vollen Touren. Ab Februar gab es aufgrund der Arbeiten an der Bestandsanlage einen vollkommenen Stillstand des Kraftwerkbetriebs. Das in 39 Jahren abgelagerte Sediment wurde bereits entnommen und auf die Bodenaushubdeponie in Kühtai gebracht, deren zulässige Kubatur bereits zuvor erhöht worden war. Nach den Sanierungsarbeiten läuft nun seit Ende Mai läuft der Einstau des Speichers Längental. Das Kraftwerk Silz ist mit beiden Maschinen wieder in Betrieb. Im Längental wurden zum weiteren Ausbau die ersten Schutzmaßnahmen wie die Errichtung von Steinschlagschutznetzen und Sprengmasten umgesetzt sowie im Kühtai neue Biotope für Frösche und Bergmolche geschaffen.

31000000 KUBIKMETER AN WASSER. Nach Abschluss der Vorarbeiten werden die Hauptarbeiten im Längental im April 2021 begonnen, zwei Jahre später werden jene im Sulztal und im Stubaital gestartet. Von sechs Bächen wird bis zu 80 Prozent des Wassers in einem 25 Kilometer langen und 4,2 Meter breiten Beileitungsstollen in den neuen, 31 Millionen Kubikmeter Wasser fassenden Speicher, dessen Damm ab dem Frühjahr nächsten Jahres errichtet werden soll, geleitet. Genau dieses Ausmaß des geplanten Projekts ist es auch, das sowohl den Alpenverein und den Österreichischen Alpenverein, Naturschutzverbände und der Gemeinde Neustift im Stubaital auf die Barrikaden gebracht hatte: „Das Längental mit seinen hochwertigen Lebensräumen versinkt im neuen Speichersee, Wildbäche verschwinden zu einem großen Teil in den Wehren und unterhalb verbleiben kleine Gerinne, die keine ökologische Funktion mehr erfüllen können“, zeigt beispielsweise der Deutsche Alpenverein auf. 

ÖFFENTLICHES INTERESSE. Man habe viele zusätzliche Änderungen in das Großprojekt mit eingebaut, verweist dagegen Herdina auf Kompromisse. So würden in vielen Bereichen bis zur geplanten Inbetriebnahme 2026 Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt: Geplant sind neben dem Schwallausgleichbecken in Stams zusätzliche Renaturierungsmaßnahmen in den Rietzer Innauen und im Längenfelder Unterried, Aufstiegshilfen für Seitenbäche vom Inn, wie dem Leiblfinger Gießen, dem Rietzer Bach oder Seitenbächen der Ötztaler Ache sowie eine Absenkung der Sohle bei der Brunauer Wehr. „Es wird zu jedem Projekt Widerstand geben“, sieht Herdina kritische Stimmen gelassen. Dass das öffentliche Interesse auch bei der Erweiterung der Kraftwerksgruppe Kühtai wie in vielen Wasserkraftprojekten dem Naturschutz übergeordnet wird, bleibt den Projektgegnern indes weiter ein Dorn im Auge, wie auch Manfred Seiler, Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, betont: „Selbstverständlich akzeptieren wir diese höchstrichterliche Entscheidung. Im Hinblick auf ein Gelingen der Energiewende halten wir diese Entscheidung trotzdem für falsch und appellieren an alle Verantwortlichen, bei zukünftigen Verfahren die Relation von Naturzerstörung und energetischem Nutzen im Auge zu haben.“

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