Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Jederzeit einsatzbereit!

12. März 2019 | von Sabine Schretter
Bergrettung, Rettung und Feuerwehr bei einer Seilbergeübung. Annahme war ein Fahrzeugabsturz in ein Bachbett. Fotos: Wolf
Sondenübungen – im heurigen Winter waren diese Kenntnisse besonders gefragt.

Die Bergrettung hilft dort, wo andere Rettungsorganisationen nicht mehr weiterkommen


Auch wenn immer mehr milde Tage und steigende Temperaturen den nahenden Frühling schon ankünden, ist dieser Winter 2019 als „Ausnahmewinter“ noch immer gegenwärtig. Vor allem Bergretter waren während der letzten Wochen massiv gefordert.

Bergrettungs-Bezirksleiter Markus Wolf ließ im Gespräch mit der RUNDSCHAU den Winter Revue passieren und gab einen Einblick in das Wesen der Bergrettung.
„Der heurige Winter war insofern eine Ausnahme, als dass der große Schnee aus Nordosten kam, was für unsere Region eher selten ist. Es gab sehr viele Schneeverfrachtungen, dadurch stieg die Schneebrettgefahr rasant an. Das Gefahrenpotential war über einen langen Zeitraum sehr hoch, die Lawinensituation angespannt. Viele Abgänge – auch mit Verschütteten – waren zu verzeichnen, Lawinensperren stellten uns vor besondere Herausforderungen“, erklärt Markus Wolf.
Viele Einsätze.

Sondenübungen – im heurigen Winter waren diese Kenntnisse besonders gefragt.


Lawinensperren – während der massiven Schneefälle im Jänner und Februar auch in Teilen des Bezirks Reutte notwendig geworden – bewirkten, dass die Bergrettung im Bezirk Reutte „First Responder“ übernehmen musste. „Wir waren in den Ortsteilen, die von der Außenwelt abgeschnitten waren, mit diesen Aufgaben betraut“, blickt Markus Wolf zurück. So mussten etwa lebensnotwendige Medikamente über Lawinenkegel zu den Patienten gebracht werden. Eine gestürzte Person musste zuhause geborgen und dann ebenfalls über einen Lawinenkegel bis zum Rettungsauto transportiert werden. „Besonders herausfordernd war es, einen Dialysepatienten rechtzeitig aus dem Ort und zum BKH Reutte zu bringen. Das war nur mit der Pistenraupe möglich“, so der Bezirksleiter.
Neben diesen „Einsätzen unter besonderen Bedingungen“ wurden die Bergretter zu vielen Lawinenereignissen mit verschütteten Personen gerufen. „Es ist schon so, dass heute viel mehr Leute auf den Bergen unterwegs sind – die Bedingungen für den Wintersport waren ja bei dem tollen Schnee optimal. Die Wintersportler sind auch durch die Bank sehr gut ausgerüstet, bereiten sich aber leider oft nicht ausreichend vor. Die Gefahr – gerade in so schnee-reichen Wintern – ist nicht zu unterschätzen. Hier fehlen oft die Eigenverantwortung und auch die Verantwortung anderen gegenüber. Viele machen sich zu wenig Gedanken über die Geländebeschaffenheit, checken die Lawinensituation nicht. Dann passiert eben häufig etwas, das unseren Einsatz notwendig macht“, schildert der Bergretter.
Er appelliert an die Schneebegeisterten, sich bewusst zu machen, dass Bergretter ehrenamtlich und unentgeltlich ihren Dienst versehen. „Kein Bergretter bringt sich selbst unnötig in Gefahr! Wir Bergretter müssen nicht gehen. Wir analysieren die Lage und entscheiden dann, was, wie und ob wir etwas machen. Dieser Grat ist sehr schmal und es braucht hier eine glasklare Vorgabe. Einen Einsatz leisten wir nur, wenn wir uns selbst nicht in Gefahr bringen“, wird der Bezirksleiter eindringlich. Keinem kann verboten werden, seinen Sport auszuüben. Es sollte aber im Bewusstsein verankert sein, dass bei einer Gefahrensituation nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Bergretter bedroht ist.
Management.

Als Bezirksleiter unterstehen Markus Wolf im Bezirk Reutte 536 Bergretter. „Darunter sind auch 20 Damen, die den Männern in nichts nachstehen. Im Bezirk Reutte gibt es zwölf eigenständige Ortsstellen, aufgegliedert in drei Talschaften – Lechtal, Reutte und Umgebung und Zwischentoren. Sie sind untereinander gut vernetzt, tauschen sich regelmäßig aus. So sind wir bestens aufgestellt und ergänzen uns perfekt.“ Der Bezirk Reutte nimmt mit dieser Organisationsform der Bergrettung eine Vorreiterrolle in Tirol ein.
Ausbildung.

Die Ausbildung zum Bergretter ist aufwändig und verpflichtend. Nach einer zwölfmonatigen Anwärterzeit mit abschließender Prüfung in Haiming, beginnt die Grundausbildung. Diese umfasst einen jeweils siebentägigen Sommer- und Winterkurs sowie einen dreitägigen Medic-Kurs. Um einsatzfähig zu sein, sind für jeden Bergretter mindestens sechs Übungen pro Jahr und alle drei Jahre ein fünftägiger Fortbildungskurs im Jamtal verpflichtend.
Die technische Ausbildung und die Medic-Ausbildung sieht Markus Wolf als Grundsäulen. „Bergretter kommen dort zum Einsatz, wo andere Rettungsorganisationen nicht hin- oder weiterkommen, das heißt: in schwierigem Gelände. Ein Bergretter musss sofort checken, welche Problematik vorliegt, die verunfallte Person akutversorgen, aus dem Gefahrenbereich bringen und sicherstellen, dass dann die medizinische Versorgungskette weiterläuft.“
Zu den Bergrettungen der zwölf Ortsstellen kommen zwei Spezialeinsatzgruppen – eine Hunde- und eine Canyoningstaffel – dazu, die zusätzliche Ausbildungen durchlaufen müssen. „Wir haben im Bezirk zehn Hundeführer und zehn Canyoningretter, die in Schluchten und fließenden Gewässern zum Einsatz kommen“, führt Markus Wolf dazu aus. Die meisten Bergetechniken im Canyoningbereich basieren auf alpinen Grundtechniken, unter exakter Einschätzung der Wassergefahr. Jeder Canyoningretter ist auch Canyoningguide. Die Hundestaffel bezeichnet Wolf als „Elitetruppe“. „Sie machen nach abgeschlossener Ausbildung – umfassend drei Jahre und beinhaltend die Suche nach verschütteten Personen oder vermissten Personen in unzugänglichem alpinen Gelände – zwölf zusätzliche Übungen pro Jahr und absolvieren jährlich eine Kurswoche im Kühtai.“
Keine Nachwuchssorgen.

Es gibt tirol- wie bezirksweit keine Nachwuchsprobleme bei der Bergrettung. Im Außerfern zählt man pro Jahr zwischen 15 und 20 Anwärter. „Dabei tun sich die einsatzstarken Ortsstellen wie Ehrwald schon leichter“, erklärt Markus Wolf.
Bergretter sind Menschen mit starkem Charakter und Willenskraft. Zu einem Einsatz wird immer ein Team gerufen, jeder Bergretter schätzt aber die bestehende Situation für sich individuell ein und überlegt, was zu tun ist. „536 solche Charaktere und die unterschiedlichsten Situationen zu koordinieren, ist meine größte Herausforderung. Bei der Bergrettung gibt es keine Hierarchie, aber immer einen Einsatzleiter, dessen Entscheidung ist Gesetz“, umschreibt Markus Wolf eine seiner Hauptaufgaben.
Gutes Zusammenspiel.

Markus Wolf ist es abschließend ein Anliegen, das sehr gute Zusammenspiel aller Blaulichtorganisationen im Bezirk Reutte in den Fokus zu stellen. Auf Führungsebene begegnet man sich auf Augehöhe, es besteht ein regelmäßiger Austausch. „Diese Koordination ist arbeitsintensiv, aber sehr wertvoll. Man merkt das besonders beim Blaulichttag, der einmal im Jahr stattfindet und jede Organisation für sich – vor allem auch die Bergrettung – stärkt.“
„BH Katharina Rumpf zeigt sich stets interessiert an der Arbeit der Bergretter und bekundet große Wertschätzung. „Nach den Einsätzen erkundigt sie sich immer nach uns, fragt, wie der Einsatz gelaufen ist und bedankt sich für die Arbeit, die wir leisten“, weiß Markus Wolf dies zu schätzen.

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