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Bagger beendete letztes Kapitel

Perjen: Letztes Haus der alten Südtiroler Siedlung und die Feuerwehrhalle sind abgerissen und bereits entsorgt

Das letzte Haus der alten Südtiroler Siedlung und die danebengelegene Feuerwehrhalle am Lötzweg in Perjen sind abgerissen – sie müssen einer neuen Wohnanlage weichen. Es waren vor allem ältere Perjener, die das Ende dieser Gebäude, mit denen sie Erinnerungen und Erfahrungen verbinden, verfolgten. Eine dieser Erfahrungen soll hier erzählt werden.
27. September 2022 | von Von Herbert Tiefenbacher
Bagger beendete letztes Kapitel<br />
1952 wurde die Feuerwehrhalle am Lötzweg in Perjen in Betrieb genommen. Sie musste nun einer neuen Wohnanlage der NHT mit 41 Wohnungen weichen. RS-Foto: Tiefenbacher
Von Herbert Tiefenbacher

Der Bagger hat kürzlich die Feuerwehrhalle und das letzte Überbleibsel der menschenverachtenden Umsiedlungspolitik der Nationalsozialisten (Südtiroler Option) am Perjener Lötzweg dem Erdboden gleich gemacht. Der Bauschutt ist inzwischen entsorgt. Die entstandene Baulücke wird nicht lange leer bleiben: Die Neue Heimat Tirol (NHT) wird dort die Erneuerung und Erweiterung der Südtiroler Siedlung fortsetzen.

PLANÄNDERUNG. Der Bauantrag für eine Mietwohnanlage mit vier Baukörpern (davon ein Viergeschoßer) und insgesamt 45 Wohnungen ist genehmigt. Es wurde mehrfach sowohl von der SPÖ-Gemeinderatsfraktion und der Liste „Zukunft Landeck“ als auch von Bürgern (Stellungnahmen und Unterschriftenaktion) Unzufriedenheit geäußert. Reibepunkt war vor allem die festgelegte Höhe des Viergeschoßers. Sie wurde als zu hoch kritisiert. Von der Mehrheit des Landecker Gemeinderates (10 zu 9) wurden die Einwände abgelehnt. Damit war der Weg frei für die Realisierung des Wohnprojektes. Auf Anfrage der RUNDSCHAU, ob es vonseiten der NHT inzwischen irgendwelche Planänderungen gegeben hat, teilte deren Geschäftsführer Hannes Gschwentner mit: „Grundsätzlich hat sich nichts Wesentliches gegenüber der ersten Planung verändert. Es wurde lediglich die Dimensionierung des Viergeschoßers reduziert und statt 45 Wohnungen werden nun 41 Wohnungen errichtet und die Wohnanlage bekommt eine zweite Gewerbeeinheit.“ Das Bauvorhaben ist voraussichtlich mit April 2024 abgeschlossen. Die Baukosten beziffert Gschwentner mit ca. 12 Millionen Euro.

ABBRUCH. Als die Abbrucharbeiten am Lötzweg im Gange waren, schauten häufig ältere Perjener vorbei. Etliche von ihnen haben zu diesen Gebäuden eine ganz persönliche Bindung. Ein älterer Mann erzählte seine Geschichte: So schildert er seine Kindheits- und Jugenderinnerungen an die beiden Gebäude und berichtet, wie sich die Mitgliedschaft bei der Feuerwehr auf sein Leben positiv ausgewirkt hat. Aufgewachsen ist der noch rüstige Rentner in der nun Stück für Stück abgerissenen Südtiroler Siedlung am Lötzweg. Die Wohnungen in diesen Siedlungen dienten zur Neubeheimatung von Südtirolern, die sich in Folge des 1939 geschlossenen Hitler-Mussolini-Abkommens zur Auswanderung aus Südtirol entschlossen hatten. Damals wanderten etwa 75000 Personen aus. Sie trieb die Angst an vor dem faschistischen Regime des „Duce“ (Benito Mussolini), wirtschaftliche und soziale Not und die intensive Propaganda der Nationalsozialisten zur Umsiedlung ins „Großdeutsche Reich“. Der Großteil der „Umsiedler“ blieb im heutigen Österreich. Für sie wurde Wohnraum benötigt. So entstanden alleine in 21 Orten im Gau Tirol-Vorarlberg 30 schnell hochgezogene Südtiroler Siedlungen mit ca. 5000 Wohnungen, was 59,1 Prozent aller für die Südtiroler errichteten Wohnungen entspricht. Die Bauten in Innsbruck und Landeck-Perjen waren die ersten, die in Tirol entstanden sind. Sie wurden in den Jahren 1940/1941 errichtet. Am Perjener Lötzweg entstanden 21 Häuser mit insgesamt 120 Wohnungen.

ZUM POSITIVEN GEWENDET. Den „Umsiedlern“ schlug jedoch auch hier wie in anderen Orten Ablehnung entgegen. „Auch wir Umsiedlerkinder in Perjen wurden nicht gern gesehen. Wir wurden immer wieder mit dem Hinweis, dass uns hier nichts gehöre, verjagt, wenn wir außerhalb des Siedlungsareals unserem Spieltrieb nachgegangen sind“, erinnert sich der nun 80-Jährige. Das von wenig Akzeptanz geprägte Verhältnis hat sich aber dann hin zum Positiven gewendet. 1952 konnte der 5. Zug (Perjen) der Freiwilligen Feuerwehr Landeck mit Mannschaft und Gerät in die neu erbaute Feuerwehrhalle am Lötzweg gehen. Als dann eine Jugendfeuerwehr gegründet wurde, entschloss er sich, dieser beizutreten. Und durch das aktive Miteinander entwickelte sich ein von gegenseitigem Respekt und gegenseitger Wertschätzung geprägtes Verhältnis. Ja, es entstanden Freundschaften. Mit Stolz erinnert sich der überzeugte Perjener an die Aufwertung des 5. Zuges vom Löschzug zum Katastrophenzug in den 1970er-Jahren. Und dann sprach er in schwermütigen Sätzen die Auflösung am 27. April 2003 an, die aus seiner Sicht vor allem ein Verlust fürs Gemeinschaftsleben im Stadteil Perjen ist. Hier zeigt sich, dass Vereine wichtig sind. Sie nehmen eine wichtige Rolle für das lokale Zusammenleben gerade in einer Stadt ein und übernehmen eine wichtige Integrations- und Sozialfunktion. Hier lässt sich die Geborgenheit der Gemeinschaft erleben. Außerdem fördert ein reges Vereinsleben gegenseitiges Kennenlernen, woraus Freundschaften entstehen können. Übrigens: Der 5. Zug hatte durchschnittlich 50 Mitglieder.

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