Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Den durchschnittlichen Corona-Patienten gibt es nicht“

Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll vom Krankenhaus St. Vinzenz im Interview

Am erfreulichsten an der Corona-Situation im Oberland ist die relativ geringe Sterblichkeit. Betroffen kann aber jeder sein: Im Krankenhaus St. Vinzenz in Zams wurden bisher Patienten von 22 bis 94 Jahren behandelt, wie der Ärztliche Direktor Prim. Ewald Wöll weiß.
20. April 2020 | von Daniel Haueis
„Den durchschnittlichen Corona-Patienten gibt es nicht“
Prim. Ewald Wöll: „Erfreulicherweise ist die Sterblichkeit im Bezirk Landeck und Imst sehr gering und auch geringer als der Tiroler Durchschnitt.“ RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

RUNDSCHAU:
Wie geht‘s Ihnen und den anderen Ärzten und dem Pflegepersonal im Krankenhaus St. Vinzenz, die direkt mit den Covid-19-Patienten zu tun haben?
Prim. Ewald Wöll: Die letzten Wochen stellten für uns alle eine Herausforderung dar. Alle Berufsgruppen sind großen Belastungen ausgesetzt. Besonders für die Kolleginnen und Kollegen, die direkt im Covid-Bereich arbeiten, ist die Tätigkeit im Schutzanzug körperlich sehr anstrengend. Dazu kommt noch die psychische Beanspruchung. Großer Dank gilt hier allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Situation so großartig gemeistert haben und sich maximal eingesetzt haben.

RS: Haben sich Mitarbeiter im Job infiziert?
Wöll: Nachdem ein Großteil unserer Mitarbeiter aus der Region kommt, ist letztlich schwer zu sagen, wo die Ansteckung stattgefunden hat. Es gibt infizierte Mitarbeiter, die meisten davon sind jedoch aus der Quarantäne schon wieder zurück. Wir haben jedoch großes Augenmerk auf Schutzkleidung und wiederholte Hygiene-Schulungen gelegt, um die Infektion bei der Arbeit zu minimieren.

RS: Bisher hat‘s knapp 1000 Coronavirus-Infizierte im Bezirk Landeck gegeben. Wie sieht der durchschnittliche Patient aus, der im Krankenhaus behandelt werden muss?
Wöll: Den durchschnittlichen Corona-Patienten gibt es nicht. Wir haben Patienten zwischen 22 Jahren und 94 Jahren behandelt. Patienten mit Begleiterkrankungen und solche ohne Begleiterkrankungen. Das klinische Bild ist jedoch bei den Patienten ähnlich, sie sind gezeichnet durch Atemnot, Husten, teilweise grippeähnlicher Symptomatik und einige auch mit Magen-Darm-Beschwerden, insbesondere Durchfall oder Bauchschmerzen.

RS: Die Covid-19-Sterblichkeit im Bezirk Landeck scheint eine relativ geringe zu sein – rund 1,2 Prozent. In Imst sind‘s 1,8 Prozent. Der Tirolschnitt beträgt rund 2,5 Prozent. Wie ist dies zu erklären?
Wöll: Erfreulicherweise ist die Sterblichkeit im Bezirk Landeck und Imst sehr gering und auch geringer als der Tiroler Durchschnitt. Aufgrund der doch im Vergleich geringen Patientenanzahlen und der unterschiedlichen Kollektive ist hier aber eine statistischer Vergleich nicht zulässig. Tatsache ist aber, dass wir sicherlich im Bezirk eine hohe Wachsamkeit haben und Patienten sehr früh getestet und behandelt wurden. Auch die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Kollegen in der niedergelassenen Praxis ist hier hervorzuheben.

RS: Was wissen Sie nach mehr als einem Monat Neues über das Virus und die Krankheit, was direkte Auswirkungen auf das Verhalten der Bevölkerung haben sollte?
Wöll: Wir sind nun seit über einem Monat mit der Erkrankung konfrontiert und können sagen, dass die Verläufe sehr unterschiedlich sein können. Der Großteil der Patienten hat keine oder nur geringe Beschwerden, wir beobachten aber schwere Verläufe in allen Altersklassen. Diese treten zwar häufiger bei Patienten mit Begleiterkrankungen auf, aber auch junge Menschen ohne Vorerkrankungen mussten bei uns intensivmedizinisch betreut und künstlich beatmet werden. Nachdem es jeden Treffen kann und vor allem sehr junge Menschen auch als Überträger fungieren können, ist die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen unumgänglich. Auch wenn sich jetzt die Situation etwas gebessert hat und die strengen Maßnahmen gelockert wurden, ist es gerade aus diesem Grund umso wichtiger, die Regeln des sozialen Distanzhaltens und die Hygienemaßnahmen einzuhalten um nicht leichtfertig den bisherigen Erfolg aufs Spiel zu setzen.

RUNDSCHAU: Danke!

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