Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Ich wollte den Menschen etwas zurückgeben“

6. August 2019 | von Nina Zacke
„Ich wollte den Menschen etwas zurückgeben“
Die Frauen von Patacancha und Martina Öttl. Foto: Mercedes Durand Zamalloa

Die Zammerin Martina Öttl produziert in Südamerika ihre eigene Modekollektion


 

Seit rund eineinhalb Jahren ist Martina Öttl auf Reisen. Nach ihrem Bachelorstudium in Architektur und einer Modeausbildung mit Abschluss als Damenkleidermacher-Meisterin nahm die 29-Jährige eine Auszeit und reiste nach Moro in Peru, um dort als Voluntärin in einer Näherei mitzuarbeiten. Jetzt produziert die Zammerin in Südamerika eine eigene nachhaltige Modekollektion. Und dies alles mit ökologischen Materialien und fairer Bezahlung der Menschen, die an dem Projekt mitwirken.

 

Von Albert Unterpirker

 

Ich wollte den Menschen, von denen ich vor Ort so viel lernen konnte, etwas zurückgeben“, sagt Martina Öttl. Zudem liegt ihr der Klima- und Umweltschutz sehr am Herzen. „Da die konventionelle Bekleidungsindustrie ja leider sehr umweltschädlich für uns Menschen und unsere Umwelt ist, möchte ich als Person, die in dieser Sparte arbeitet, kräftig gegensteuern. Die derzeitige Klimasituation unserer Erde sorgt mich sehr. Meiner Meinung nach müssen wir jetzt etwas ändern und jeder in seinem Bereich aktiv werden. Mit meinem Projekt möchte ich so viele Leute wie möglich erreichen und auf einen bewussten Konsum von Kleidung aufmerksam machen.“ Die Umwelt könne die Folgen klimaschädigender Konsumgüter „nicht ewig tragen – wir sollten nachhaltig und vor allem auch mit Hirn, Verstand und Herz deutlich weniger konsumieren“, so Öttl. Das erste halbe Jahr war für die Zammerin allerdings kein Honiglecken, machten ihr doch die sprachlichen Barrieren ab und zu erheblich zu schaffen. „Da ich erst in den wenigen Monaten in Peru Spanisch gelernt habe, waren meine Sprachkenntnisse nicht ausreichend (Anm.: in der Schneiderei konnte kaum jemand Englisch oder Deutsch), deshalb entschied ich mich nach meinen ersten sechs Monaten in Peru, meine Reise fortzusetzen, und für zwei Monate nach Spanien zu reisen, um dort mein Spanisch zu verbessern.“

 

PERSÖNLICHE GRENZEN. In Spanien arbeitete die Oberländerin über World-Wide Opportunities of Organic Farming (WWOOFing) bei vier biologischen Landwirtschaftsprojekten mit und konnte dort auch ihrem Interesse für nachhaltige Landwirtschaft, Umweltschutz und ökologische Lebensmittelproduktion nachgehen. Öttl: „Ich arbeitete in einem Blumen- und Gemüsegarten nahe Valencia, auf einer Oliven- und Mandelfinka nahe Alicante, in einem sozialen Gartenprojekt, das mit ehemaligen Suchtkranken arbeitet, nahe Madrid und einem Gemüsegarten mit Bäckerei nahe Bilbao.“ Ihr Spanisch wurde in dieser Zeit sehr viel besser. Danach ging es wieder nach Peru, wo sie ihr eigenes soziales Modeprojekt in Zusammenarbeit mit den beiden Sozialprojekten „Awamaki“ und der Schneiderei „Caponi“ in Peru realisierte. Die größte Herausforderung waren für sie derweil die anfänglichen Sprachbarrieren. „Man stößt nicht selten an seine persönlichen Grenzen, denn man will kommunizieren und sich verständigen. Manchmal funktioniert das zu Beginn, aber nur bedingt und manchmal gar nicht. Das war für mich eine sehr interessante und gute Erfahrung, fremd zu sein in einem Land, in dem ich die Sprache nicht spreche, aber eine Zeit lang leben will.“ Oft habe sie in dieser Zeit an geflüchtete Menschen denken müssen, „wie es diesen Menschen wohl ergeht, die in ein Land kommen und absolut nichts verstehen. Das ist etwas, das sehr schwierig sein kann, auch mental. Man fühlt sich manchmal alleine, als Außenseiterin und nahezu dumm, weil einfache Dinge nicht begreiflich erklärt werden können. Die Gefahr zu resignieren ist groß, weil man sich nach einer Zeit auch unverstanden fühlen kann“, erzählt Öttl.

 

TEIL DER GESELLSCHAFT. Die Sprachbarrieren wurden letztendlich aber überwunden. „Bei meinem zweiten Peruaufenthalt und meiner erneuten Arbeit mit den Leuten in der Schneiderei gibt es so gut wie keine Verständigungsprobleme mehr – was das Arbeiten natürlich irrsinnig erleichtert und mich noch mehr als ein Teil der Gesellschaft und der Leute hier fühlen lässt. Man wächst hinein und verwurzelt, wenn man den Rückhalt bekommt. Moro wurde für mich eine Art drittes Zuhause (nach Tirol und Wien) – und die Menschen hier sind meine peruanische Familie geworden.“

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