Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Können keinen Zaun um den Bezirk Landeck bauen“

Informationsveranstaltung im Kappler Dorfzentrum

„Große Beutegreifer in Österreich und Tirol“ – diesem sehr aktuellen Thema widmete sich kürzlich eine Informationsveranstaltung im Kappler Dorfzentrum. Veranstaltet wurde der Abend vom neu gegründeten Forum Gemeinwohl Paznaun – es referierten Martin Janovsky und Josef Gitterle. Das Fazit des Abends: Einfache Lösungen – den Wolf betreffend – sind nicht in Sichtweite, die Wahrscheinlichkeit, dass vermehrt Wölfe in unserer Region auftreten, ist sehr hoch. Zu 94,7% ernähren sich Wölfe von Schalenwild, Angriffe auf Menschen sind aber äußerst selten.
14. Juli 2020 | von Von Elisabeth Zangerl
„Können keinen Zaun um den Bezirk Landeck bauen“
DI Josef Gitterle (Landesbeauftragter für Herdenschutz), Dr. Martin Janovsky (Landesbeauftragter für große Beutegreifer), Markus Noppeney und Kerstin Maly (Forum Gemeinwohl Paznaun, v.l.) RS-Foto: Zangerl
Von Elisabeth Zangerl

Ziel des vom Forum Gemeinwohl Paznaun organisierten Infoabends war es, den Teilnehmern eine neutrale, sachliche und fachliche Information über Bären, Wölfe und Luchse zu ermöglichen, um die Situation besser einschätzen zu können. Jedem Teilnehmer soll die Möglichkeit eingeräumt werden, sich eine Meinung über dieses aktuelle Thema zu bilden. Begonnen hat der Themenvortrag von Martin Janovsky, dem Landesbeauftragten für große Beutegreifer, mit dem Luchs: „Dieser Tierart geht es nicht gut – hier sind keine Ausbreitungstendenzen ersichtlich.“ In Kappl und auch zuletzt in Grins wurde ein Luchs gesichtet, aber weder Nutztierschäden noch eine Gefährdung für den Menschen sind hier zu verzeichnen. Anders sieht’s beim Bär aus, einem weiteren großen Beutegreifer, Janovsky erklärt: „Die Quellpopulationen in der Provinz Trient sind für uns maßgeblich – beim Bär ist ein anderes Risikopotenzial da.“ Bei den Bären wandern aber praktisch nur junge Männchen, gefährlicher in Anbetracht der Angriffe sind jedoch Weibchen, die ihre Jungen verteidigen.

„SCHLARAFFENLAND FÜR WÖLFE“. Das momentan wohl heißeste Thema ist der Wolf, Janovsky erklärt: „Erstmals spürbar ist der Wolf in Tirol 2009 geworden, als zwölf Schafe in einer Nacht gerissen wurden – dieser Vorfall hat die Diskussion eröffnet“, und: „Es geht nicht nur um die italienische Population, Österreich ist im Schnittpunkt von vier Populationen.“ Im Gegensatz zu anderen geschützten Tierarten ist der Wolf zudem „sehr fruchtbar“, Janovsky erklärt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Tiere bei uns vermehrt ankommen, steigt – Wölfe sind Fleischfresser.“ Zu 94,7 Prozent ernähren sich diese von Schalenwild, Nutztiere werden nur zur Beute, wenn diese „erreichbar“ für Wölfe sind. Janovsky erklärt: „Österreich ist ein Schlaraffenland für Wölfe, wir haben europaweit die höchste Schalenwilddichte“, und: „Wölfe brauchen keine Wildnis, nur relativ kleine Rückzugsräume.“ Was auch für eine rasche Ausbreitung spricht, ist die Tatsache, dass Wölfe im Gegensatz zu Luchsen weit wandern, auch die weiblichen Tiere: „1000 bis 1500 Kilometer und mehr wandern die Wölfe“, weiß Janovsky.

„EINFACHE LÖSUNG NICHT IN SICHT“. „Das Problem entsteht daraus, dass Wölfe Fleischfresser sind – Wölfe sind zudem streng geschützt“, so der Landesbeauftragte für große Beutegreifer, und: „Einfache Lösungen sind nicht in Sicht – man kann nicht sagen, man will den Wolf nicht, das ist, wie wenn man sagt, man will die Migration oder den Klimawandel nicht. Wir können keinen Zaun um den Bezirk bauen.“ Janovsky abschließend: „Eine einfache Lösung einer wolfsfreien Zone ist explizit ausgeschlossen“, aber: „Wölfe sind in der Regel für den Menschen ungefährlich – das Risiko, von Wölfen angegriffen zu werden ist sehr, sehr gering.“ In der anschließenden Diskussion kamen Vergleiche zu unserem Nachbarland Schweiz zur Sprache: „Die Schweiz sagt ja zu den Wölfen, aber mit einem Aber“, so Janovsky, der auf eine weitere Frage erklärt, dass bei einer Wolfssichtung entweder die Bezirkshauptmannschaft, die Polizei oder direkt das Land Tirol kontaktiert werden muss.

HERDENSCHUTZ & FORUM GEMEINWOHL. Im Anschluss referierte Josef Gitterle über Herdenschutz und Entschädigungszahlungen vonseiten des Landes: „Die Entschädigungszahlen sind in den letzten zwei Jahren im höheren Bereich, großteils wurden Schafe gerissen.“ Als Basis für Entschädigungszahlungen in Tirol dient eine Richtlinie, welche die Abwicklung regelt. Neu ist, dass es nun auch eine Unterstützung für Futterkosten (bei vorzeitigem Almabtrieb etc.) gibt. 2019 wurden beispielsweise 14.000 Euro an Entschädigungszahlen geleistet, 58 Schafe wurden gerissen, 46 durch einen Wolf, zwölf durch einen Bär. Auch behandelte Gitterle im Anschluss die sehr interessante Frage, inwieweit Herdenschutz machbar ist – Untersuchungen von vier Almen zeigten, dass dies nicht überall einfach umzusetzen ist. Diese Infoveranstaltung war die erste des neugegründeten Forums Gemeinwohl Paznaun: „Es geht um ein gutes Miteinander – wir möchten informieren, sensibilisieren und die Meinungsfreiheit fördern“, erklärt Vereinsmitglied Kerstin Maly, und fährt fort: „Unsere erste Aktion war eine Müllsammelaktion am 27. Juni – allein in See wurden 160 kg Müll gesammelt.“ Grundsätzlich ist es dem Forum ein Anliegen, aktuelle Themen aufzugreifen, das Forum ist offen für alle – sozusagen nicht einer Religion oder politischen Partei zuzuordnen.
„Können keinen Zaun um den Bezirk Landeck bauen“
Die erste Informationsveranstaltung des neu gegründeten Forums Gemeinwohl Paznaun in Kappl war sehr gut besucht. RS-Foto: Zangerl
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Dr. Martin Janovsky (Landesbeauftragter für große Beutegreifer): „Einfache Lösungen sind nicht in Sicht – man kann nicht sagen, man will den Wolf nicht, das ist, als wenn man sagt, man will die Migration oder den Klimawandel nicht.“ RS-Foto: Zangerl
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DI Josef Gitterle (Landesbeauftragter für Herdenschutz): „Die Entschädigungszahlungen sind in den letzten zwei Jahren im höheren Bereich, großteils wurden Schafe gerissen.“ RS-Foto: Zangerl

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