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„Mitten drin statt nur dabei“

Michael Eberharter ist Regionalleiter der Lebenshilfe Landeck

Seit Mitte Mai laufen der Lebenshilfe in Landeck die Fäden bei Michael Eberharter zusammen. Der neue Regionalleiter folgt Werner Weibold nach, der die Region behutsam geleitet und die Weiterentwicklung der Angebote vorangetrieben hat. Diesen Weg in Richtung kleinere Standorte und „mehr mittendrin“ wird Michael Eberharter weitergehen.
22. Juni 2020 | von Daniel Haueis
„Mitten drin statt nur dabei“
Michael Eberharter: „So ist es mir immer wieder wichtig zu betonen, dass Klientinnen und Klienten auch ohne Begleitung ihren Interessen nachgehen.“ Foto: Lebenshilfe Tirol/Schafferer
„Ich habe Respekt vor dem, was meine Vorgängerinnen und Vorgänger in den vergangenen 42 Jahren seit der Gründung der Lebenshilfe in Landeck geleistet haben. Das war richtige Pionierarbeit, getragen von äußerst engagierten Mitgliedern, Führungskräften und Mitarbeiter/innen der Lebenshilfe, Angehörigen, Spender/innen und den damaligen politisch Verantwortlichen. Sie haben gemeinsam den Grundstein gelegt, dass Menschen mit Behinderungen sichtbar wurden, ihren Platz in der Gemeinschaft einnehmen konnten. Jetzt ist es Zeit, den nächsten Schritt zu tun – hin zu noch mehr mitten drin“, umreißt Michael Eberharter die inhaltliche Ausrichtung. Es werde gemeinsam einen ganzheitlicher Weg gegangen: „Wohnen, Arbeiten, seine Freizeit genießen – das alles tun Menschen mit Behinderungen wie jede und jeder von uns. Wir werden uns deshalb z.B. weiterhin mit vollem Elan um Kooperationen mit heimischen Firmen bemühen“, so Michael Eberharter. Die nötige Erfahrung bringt der neue Regionalleiter mit – als ehemaliger Zivildiener, als Assis-tent und als Leiter der Lebenshilfe-Standorte Wohnen Schlitters und Wohnen Ramsau im Zillertal kennt er die Praxis.



Michael Eberharter im Interview

RUNDSCHAU: Sie sind der neue Regionalleiter der Lebenshilfe Landeck. Was sind Ihre konkreten Aufgaben?

Michael Eberharter: Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die wir begleiten. Dabei lege ich ganz besonderes Augenmerk auf Mitsprache und Teilhabe. Schließlich habe ich ihnen gegenüber gemeinsam mit meinem Team den Auftrag, unsere Angebote gemäß den Qualitätsstandards zu planen, zu koordinieren, zu evaluieren und kritisch zu reflektieren. Ein mir ganz wichtiger Teil ist die gute Zusammenarbeit mit Angehörigen, Erwachsenenvertreterinnen und -vertretern, der Bezirks-hauptmannschaft und lokalen Firmen und Vereinen – überhaupt ein guter Kontakt, ein Miteinander mit den Menschen, die im Bezirk Landeck leben. Wir als Lebenshilfe sind in Prutz, in Ried und in Landeck im besten Sinn mittendrin im Gemeindeleben. Generell trage ich die Verantwortung für die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Region auf der Basis der Identität der Lebenshilfe Tirol. Das beinhaltet eben auch auch eine Weiterentwicklung unserer Angebote. Das alles funktioniert natürlich umso besser, je besser das Arbeitsumfeld für unsere Assistentinnen und Assistenten und unsere Leitungspersonen ist. Regelmäßige Austauschtreffen, Führen auf Augenhöhe mit klaren Zielen, eine offene Fehlerkultur und eigenverantwortliches Handeln sind meiner Erfahrung nach hier genauso zentral wie sinnvolle Aus- und Weiterbildungen.

RUNDSCHAU: Wie viele Menschen mit Behinderungen werden im Bezirk betreut? Welche Angebote macht die Lebenshilfe derzeit, welche vielleicht bald zusätzlich oder auch nicht mehr?

Michael Eberharter: Wir begleiten im Bezirk Landeck 76 Klientinnen und Klienten in den verschiedensten Angeboten in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Freizeit, Frühförderung/Familienbegleitung, Freizeitassistenz/Familienentlastung und Jobcoaching. Klar, dass die nicht starr sind, sondern ganz individuell gemeinsam geschaut wird, was jeder Mensch braucht. Mir geht es grundsätzlich um die Weiterentwicklung unserer Angebote: Was sich Klientinnen und Klienten wünschen, wird bleiben. Anderes wird neu entstehen, weil wir den Bedarf der Klient/innen erkennen. Nicht zuletzt geht es darum, dass wir die UN-Behindertenrechtskonvention mit Leben füllen und auf Grundlage des Tiroler Teilhabegesetzes arbeiten. Darüber hinaus gibt es in Landeck in der Urichstraße 35 eine kostenlose, vertrauliche Beratung für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige, um passende Angebote zu finden. Dabei beraten wir auch nach außen, sprich hin zu anderen Trägern, wenn diese besser passen. Beratung, professionelle Unterstützung oder einfach Entlastung finden Kinder, Jugendliche und ihre Eltern bei der Frühförderung und Familienbegleitung bzw. bei der Freizeitassistenz und Familienent-lastung. Dabei bin ich dankbar, was vor meiner Zeit entstanden ist. Was der Verein damals ermöglicht hat, die Spenderinnen und Spender, die politisch Verantwortlichen, meine Vorgänger und die Assistent/innen der Lebenshilfe.

RUNDSCHAU: Der Trend scheint in Richtung kleinere Einheiten zu gehen. Was bedeutet das für Lebenshilfe-Einrichtungen wie jene am Hasliweg in Landeck? Man hört auch, dass ein neuer Standort in Bruggen gefunden wurde.

Michael Eberharter: Wir orientieren uns am Sozialraum und wollen mitten in der Gesellschaft ankommen, ein Teil der Gesellschaft sein. Wir bemühen uns sehr darum gemeinsam mit Betrieben Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt zu finden, bei denen beide Partner profitieren – so wie zum Beispiel der lebensM in Mötz. Gemeinsam mit der Gemeinde und MPreis haben wir es geschafft, dass es dort wieder ein Geschäft im Ort gibt. Wir wollen also ganz besonders auf Kooperationen bauen, auf die Möglichkeit, dass sich die Menschen, die wir begleiten, sich mit ihren Fähigkeiten in z.B. Handwerksbetrieben, Industrie oder Gastronomie einbringen können. Dazu hoffen wir natürlich auf die Bereitschaft von regionalen Firmen, wie schon gesagt, beide Seiten können davon profitieren. In Bruggen haben wir das frühere Sportcamp angemietet und entwickeln gerade einen neuen Standort. Die Menschen, die dort arbeiten werden, sind in die Gestaltung der Räumlichkeiten eingebunden und entscheiden mit, wie wir gemeinsam diesen Standort mit Leben füllen. Auch hier hoffen wir auf Kooperationen mit anderen Unternehmen. Im Bereich Wohnen liegt die Zukunft darin, Tür an Tür mit Familien, älteren Mitmenschen etc. in Gemeindebauten und Wohnanlagen zu wohnen. Also mitten drin statt nur dabei. Das haben wir mittlerweile an 15 Standorten in ganz Tirol verwirklicht – und es funktioniert sehr gut., wie etwa auch in der Malser Straße in Landeck. Kleinere Wohnungen ermöglichen mehr Privatsphäre. Man kann selbst entscheiden, wie man wohnt, wie man seine eigene Wohnung einrichtet, seinen Platz im Leben gestaltet.

RUNDSCHAU: Menschen mit Behinderung sollen ein barrierefreies, selbstbestimmtes und erfülltes Leben leben können. Inwieweit ist gerade das „selbstbestimmt“ bereits in den Köpfen der Bevölkerung angekommen?

Michael Eberharter: Ich erlebe immer wieder Begegnungen, die mich begeistern, die von gegenseitigem Respekt geprägt und auf Augenhöhe sind. Wir begleiten erwachsene Menschen, die eine Fülle an Erfahrungen mitbringen. Unsere Aufgabe ist es, ihr Recht auf eigene Entscheidungen in der Gesellschaft zu festigen. So ist es mir immer wieder wichtig zu betonen, dass Klientinnen und Klienten auch ohne Begleitung ihren Interessen nachgehen. Sie gehen wie jeder andere auch spazieren, einen Kaffee trinken, in die Disco, zu Veranstaltungen. Manchmal eben mit und manchmal ohne Begleitung.

RUNDSCHAU: Laut Eigenbeschreibung ist die Lebenshilfe Tirol „eine beherzte Wegbegleiterin von Menschen mit Behinderungen“. Was verstehen Sie darunter?

Michael Eberharter: Wir begleiten Menschen entlang ihres Lebensbogens, das heißt die Lebenshilfe Tirol unterstützt Menschen mit Behinderungen dabei, ihre Fähigkeiten zu entdecken, zeigt Entscheidungsmöglichkeiten auf und schafft Möglichkeiten, sich zu entfalten und zu verwirklichen. Dabei ist uns besonders wichtig, unserem Gegenüber immer auf Augenhöhe zu begegnen und auch ein sicherer Anker zu sein. Schlussendlich geht es darum Menschenrechte zu verwirklichen.

RUNDSCHAU: Danke.

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