Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Die Kunst des Einfädelns

„Weben“ – Ein Handwerk mit Tradition

Die Leidenschaft für das Textile begleitet die gelernte Schneiderin schon seit der Kindheit und mit dem Kauf von drei Webstühlen erfüllte sich Sonja Etlinger in Zams einen Traum.
20. September 2022 | von Von Irmgard Pfurtscheller
Die Kunst des Einfädelns<br />
Der Materialverbrauch wird genau berechnet und die Länge der Fäden abgemessen. RS-Foto: Pfurtscheller
Von Irmgard Pfurtscheller

Die Absolventin einer Modefachschule kommt aus dem Mostviertel in Niederösterreich und ist seit 1994 in Tirol beheimatet. Von Wien nach Serfaus bedeutete für Etlinger, die gerne in der Stadt lebte, anfangs eine Umstellung, doch die Arbeit in dem Tourismusort machte ihr gleich Spaß. Bei ihrer Tätigkeit im Handel schätzte sie den Kontakt mit Einheimischen und Gästen aus aller Welt. „Ein Stück Welt kommt zu dir“, empfand Etlinger diese Zeit. Und auch die Liebe kam zu ihr, denn in Serfaus lernte sie ihren Ehemann kennen.
Zurück zum Ursprung. Alles lief gut, doch nach einiger Zeit wurde der Wunsch nach Veränderung spürbar. Den Gedanken, irgendwann wieder zum Ursprung zurückzukehren, hatte sie schon immer. Die Begeisterung für den Textilbereich ließ sie nie ganz los und sie war sich sicher, dass die Zeit dafür wieder kommt. Neben dem Arbeiten mit Nadel und Faden zählt das alte Handwerk des Webens zu ihrem Kindheitswunsch, doch in Niederösterreich gab es keine Möglichkeit, dieses Handwerk zu erlernen. Durch einen glücklichen Zufall erfuhr Etlinger über eine Webschule in Imst. In der Landwirtschaftlichen Schule in Imst steht eine beachtliche Anzahl an Webstühlen bereit und eine Meisterin dieses Faches führt Schüler und Interessierte in die Technik des Handwebens ein. Vom großen Fachwissen der Webmeisterin begeistert, belegte Etlinger mehrere Ausbildungsblöcke in der Webschule. Dass es für diesen Beruf in Österreich keine Lehrausbildung mehr gibt, findet Etlinger sehr schade, denn „irgendwann geht dieses Handwerk verloren“.

EIN TRAUM WURDE WAHR. Vor vier Jahren hielt der erste Webstuhl Einzug in die Wohnung und kurz danach folgte der zweite. Im Keller wurde für die beiden gebrauchten Webstühle Platz geschaffen, die Etlinger von einem Händler aus Deutschland erwarb. Seither gibt es kaum einen Tag, an dem sie nicht am Webstuhl sitzt. Bis man allerdings das „Schiffchen“ mit der Garnspule von einer Seite auf die andere führen kann, braucht es eine komplexe und höchst anspruchsvolle Vorbereitung. Zuerst muss der Webstuhl eingerichtet werden, alle Fäden, oft an die tausend, müssen präzise eingefädelt und gespannt werden. Doch zuvor kommt noch der Rechenstift zum Einsatz. Länge, Stärke und Anzahl der Fäden müssen für das geplante Werkstück genauestens berechnet werden. Wenn dann die Planung und die Vorbereitung erledigt sind, dann erst beginnt das eigentliche Weben.
Handwerk mit Tradition. Früher gab es auf den meisten Bauernhöfen einen Webstuhl und Frauen verwebten das, was sie zur Verfügung hatten. Aus Wolle oder Leinen wurden Gegenstände für den täglichen Gebrauch erzeugt. Auch das was Etlinger auf ihren Webstühlen anfertigt, soll etwas zum gebrauchen sein, nicht nur zum anschauen. Ob feine Babydecken, Tischsets, Kissenbezüge, Geschirrtücher und sonstige Accessoires, alles wird mit Gots zertifizierten, biologisch erzeugten Naturfasern gewebt. Sie experimentiert leidenschaftlich gerne mit Material, Muster und Farben und kommt kaum nach, alle ihre Ideen zu verwirklichen.

REGIONAL UND NACHHALTIG. Zukünftig möchte sie auch mit Schaftwolle aus Ried i. O. arbeiten, um so regional wie möglich zu produzieren. Nachhaltigkeit und die Schonung von Ressourcen sind Etlinger sehr wichtig. Auch Reste und Material-Abschnitte werden kreativ weiterverwendet, nichts wird weggeworfen. Für ihre Arbeit braucht sie auch keinen Strom, es funktioniert mit Muskelkraft und Gehirnschmalz. „Das Handweben ist eine behutsame Tätigkeit und hinter jedem liebevoll erzeugten Stück steht Qualität dahinter.“ Seit Kurzem kann man einige der Arbeiten von Etlinger auch im Selbstbedienungsladen „inser Ladele“ in Zams besichtigen, befühlen, begreifen und auch käuflich erwerben.
Die Kunst des Einfädelns<br />
Dann braucht es Geduld, Genauigkeit und Können, um jeden Faden exakt zu platzieren. RS-Foto: Pfurtscheller
Die Kunst des Einfädelns<br />
Kein Produkt von der Stange, sondern ein handwerklich erzeugtes Qualitätsprodukt aus nachhaltigen Materialien. RS-Foto: Pfurtscheller

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben