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„Es wird nötig neue Ideen zu entwickeln“

Wie Michael Schneider und Elisabeth Parth im „Corona-Jahr“ in Japan Kunst schufen

Seit fünf Jahren arbeiten Literaturwissenschaftlerin und Buchkünstlerin Elisabeth Parth und der Druckgrafiker Michael Schneider in Japan. Das aus Landeck stammende Ehepaar blickt zurück auf ein herausforderndes Jahr, das letztlich aber neue Ideen erfordern und Möglichkeiten eröffnen wird.
1. Feber 2021 | von Daniel Haueis
„Es wird nötig neue Ideen zu entwickeln“<br />
Michael Schneider und Elisabeth Parth: Das Landecker Künstlerehepaar lebt seit fünf Jahren in Japan. Foto: Parth-Schneider
Von Daniel Haueis

Seit fünf Jahren werken Michael Schneider und Elisabeth Parth in Japan. Schneider wurde als Assoziierter Professor an die Fakultät Bildende Kunst, Institut für westliche Malerei an der Tokyo University of the Arts berufen. Und Literaturwissenschaftlerin Parth, wie ihr Gatte Michael Schneider aus Landeck stammend, sorgt u.a. mit dem Verlag edition ps für Buchkunst. „Wir waren in den letzten Jahren so beschäftigt, da ist uns gar nicht wirklich bewusst geworden wie schnell die Zeit vergangen ist. Wir sind nun also schon das sechste Jahr hier, obwohl es sich immer noch so anfühlt als wären wir gerade erst angekommen“, sagt Schneider. Inzwischen haben sie ein Atelier außerhalb von Tokio eingerichtet – ein Haus in traditioneller Bauweise mit einem kleinen Garten in typisch japanischem Stil, das als Werkstatt, aber auch als Zuflucht am Land dient. „Das war besonders hilfreich nach Ausbruch der Pandemie“, sagt Schneider. Japan war aufgrund der Nähe zu China schon sehr früh mit den ersten Fällen konfrontiert, es gab jedoch keinen Lockdown wie in Öster-reich, da der japanischen Regierung die Befugnis dazu fehlt. Dank SARS und Vogelgrippe sind Japaner aber an das Tragen von Masken und die Einhaltung von Hygieneregeln gewöhnt. „Corona“ hat aber auch Schneiders und Parths Pläne durcheinandergewirbelt: Zumindest zwei Besuche in Landeck wären auf dem Programm gestanden. „Wir hoffen, dass wir einige Projekte 2021 nachholen können, werden aber eher die Energie für neue Projekte nutzen“, sagt Schneider, der einen allgemein gültigen Satz anhängt: „Post-Corona stellen sich neue Fragen und es wird nötig neue Ideen zu entwickeln.“

SCHNEIDER IN JAPAN UND FINNLAND. Michael Schneider hatte noch Gelegenheit, an einigen Ausstellungen teilzunehmen – meist in Japan, aber auch in China, den USA oder einigen europäischen Ländern. Zwei Projekte, die ihn sehr beschäftigt haben, waren die Triennalen in Setouchi und in Finnland. Jene in Setouchi im Jahr 2019 in Japan ist ein großes internationales Kunstfestival von ebensolcher Bedeutung. Die Ausstellungsorte sind über mehrere Inseln im japanischen Meer verteilt. „Ich hatte die Gelegenheit mit einer Installation im öffentlichen Raum an der Triennale teilzunehmen. Die Arbeit mit dem Titel ,Ausgedinge‘ war in dem Freilichtmuseum ,Shikoku-Mura‘ eingerichtet, dort finden sich historische Bauformen aus ganz Japan, darunter auch ein traditionelles Gehöft, das aus einem Wohnhaus für die Familie, einem Wirtschaftsgebäude und einem Gebäude für die Altbauern, dem ,Ausgedinge‘ also, besteht.“ Schneider hat sich damals intensiv mit der Demografie Japans, der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft, mit der restriktiven Einwanderungspolitik und dem eklatanten Mangel an Pflegepersonal beschäftigt. Fragen, die nicht nur in Japan einer dringenden Diskussion bedürfen – bekannt sind etwa die Forschungen im Bereich Robotik, mit deren Hilfe Japan in Zukunft die Betreuung alter Menschen bewältigen will. Für seine Installation hat Schneider einige der Schlagzeilen und Überschriften aus Medien mit Laser auf Vinylbahnen graviert und diese um und durch ein simples dunkles Holzhaus, ein „Ausgedinge“, laufen lassen. Für die Grafik-Triennale in Finnland im Kunstmuseum Jyväskulä hat Michael Schneider den japanischen Beitrag kuratiert. Unter dem Titel „Publish or Perish“ hat er eine Auswahl von Werken junger und arrivierter Künstler aus Japan versammelt, die sich mit der medialen Funktion der Druckgrafik auseinandersetzen. Dabei zeigt er auch seine Arbeit „Sharara – Minerva was a witch“. „In dieser Arbeit zitiere ich Gebete von einem jener amerikanischen Fernsehpriester, die regelmäßig in offensichtlich himmlischen Sprachen zu predigen vermögen“, sagt Schneider. Durch das eigene Atelier konnte er mehr Zeit für die Entwicklung eigener Projekte verwenden – das Atelier an der Universität hat weder die Zeit noch die Ruhe für die eigene künstlerische Arbeit geboten. Das Ergebnis der Arbeit im neuen Atelier soll September/Oktober 2021 in der Galerie Nothburga in Innsbruck und nach Möglichkeit auch an anderen Orten in Österreich zu sehen sein, „sehr gerne auch wieder bei Gerald Nitsche im Kårrnerwaldele“, sagt Michael Schneider.

BUCHARBEITEN PARTHS. Elisabeth Parth hatte mit dem Umzug nach Japan dieselben Herausforderungen wie Gatte Michael Schneider und weitere zu bestehen: Schneider hatte seine Arbeit an der Universität und damit Struktur, und er konnte Japanisch bereits sehr gut. „Die Sprachhürde war für mich speziell im ersten Jahr schon einigermaßen hoch und ist auch nach fünf Jahren immer wieder Barriere, im alltäglichen Leben und ausgerüstet mit diversen Übersetzungstools am Smartphone komme ich mittlerweile aber schon ganz gut zurecht“, sagt Parth. Sprachen zu lernen ist für die Literaturwissenschaftlerin aber keine Bürde, und so schwer Japanisch auch ist, „so schön ist diese Sprache auch“, sagt die Landeckerin. Im Atelierhaus außerhalb Tokios in Chiba, Ende 2018 adaptiert und nur etwa eine Stunde von Tokio entfernt, hat Parth wieder in ihre Bucharbeiten hineingefunden. Ein sehr aufwändiges Kunstbuch ist im Frühjahr fertig geworden: „Michael Schneider – Nobody is against it“. Eine für Plattenlithografie adaptierte Version des gleichnamigen Unikates von 2013 zeigt Zeichnungen von Michael W. Schneider (aufgrund eines Datenzwillings in Wien hat Michael Schneider ein „W.“ – es steht für Wilhelm – eingefügt) auf mexikanischem Amate Rindenpapier gedruckt von Satoru Itazu. Knapp vor der Fertigstellung ist ein weiteres Werk. Vor Kurzem publizierte Elisabeth Parth in ihrem Kleinverlag gemeinsam mit einer in Wien und Ungarn lebenden Künstlerin ihren neuen Katalog: „Uta Heinecke – Ich habe nie mit Puppen gespielt“. „Long distance production sozusagen, aber kein Ding der Unmöglichkeit im digitalen Zeitalter“, sagt Parth. „Auf all das hatte das Virus glücklicherweise keinen Einfluss, wohl aber auf meine Vorarbeiten und Pläne für Präsentations- bzw. Ausstellungsmöglichkeiten für meine Bucharbeiten und in diesem Jahr auch wieder Buchkunst zu unterrichten wie in den Jahren zuvor bei der Art Didacta in Innsbruck oder an der Webster University in Wien und St. Louis“, muss Parth feststellen. „,shooganai‘ würde man nun in Japan sagen: So ist es eben“, meint die Landeckerin, „doch Post-Corona kommt bestimmt, und damit, wie Michael richtig meint, neue Ideen, Projekte und Möglichkeiten!“
 
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Detail von „Ausgedinge“, einer Installation Michael Schneiders. Foto: Michael Schneider
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„Nobody is against it“, edition ps 2020 – ein sehr aufwändiges Buch von Buchkünstlerin Elisabeth Parth. Foto: Elisabeth Parth
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„Sharara – Minerva was a Witch“ (2019), je 93 x 20,7 cm, Holzdruck & Siebdruck auf japanischem Papier von Michael Schneider. Foto: Michael Schneider

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