DI Leonhard Steiger hat auf www.agrarpapers.tirol detailliert und anschaulich aufgelistet, welches Gemeindegut nach seiner Analyse verfassungswidrig im Eigentum einer Agrargemeinschaft ist und welches mit gesetzwidrigen Regulierungen zustande gekommen ist – gerade im Bezirk Landeck findet sich viel Grund in diesen beiden Kategorien. Auch Zams. Dort war man bis vor etwa einem Jahr zwar der Meinung, dass keine Gemeindegutsagrargemeinschaft vorliegt, weil es in den 1960er-Jahren zu einer Hauptteilung kam – anders gesagt: Der Grund wurde zwischen Gemeinde und Agrargemeinschaft aufgeteilt. Das sieht mittlerweile aber auch das Land Tirol anders: „Das Amt der Tiroler Landesregierung hat mit einer aktuell vorliegenden erstinstanzlichen Entscheidung festgestellt, dass die in den 60er-Jahren vorgenommene Verschiebung eines riesigen Grundvermögens von der Gemeinde Zams an die Agrargemeinschaft Zams nicht im Zuge einer korrekten Hauptteilung erfolgte und daher das Gemeindegut nach wie vor besteht“, erklärt der Anwalt der Gemeinde, Mag. Gerhard Mader. Das 1952 als Regulierungsverfahren begonnene und 1966 mit einem Hauptteilungsbescheid abgeschlossene Verfahren sei gar kein Hauptteilungsverfahren, da damals keine Bewertung der Vermögenswerte, Rechte und Belastungen durchgeführt worden sei und somit auch nie eine Vermögensauseinandersetzung stattgefunden habe, was das Gesetz aber schon damals gefordert hat. „Damit konnten die Grundflächen auch nie ihre Eigenschaft als Gemeindegut verlieren, daran ändert sich auch durch die Überschrift am Bescheid 1966 nichts“, so RA Mader.
PRÜFUNG IM VERGANGENEN JAHR BEAUFTRAGT. Nach Bekanntwerden der Einschätzung Leonhard Steigers hat Bgm. Benedikt Lentsch den Gemeinderat mit dieser Thematik befasst und darauf hingewiesen, dass die Gemeinde und somit jeder Gemeinderat die Pflicht habe, Gemeindevermögen sorgsam zu verwalten. Dazu gehöre auch prüfen zu lassen, ob das vor knapp 60 Jahren an die AG Zams übertragene Grundvermögen trotzdem immer noch der Gemeinde gehört. Der Gemeinderat hat nach intensiver Beratung mit RA Mader dieser Vorgangsweise einhellig zugestimmt, und die Agrarbehörde habe jetzt die jahrzehntelange Argumentation der Agrargemeinschaft abgelehnt. „Als Bürgermeister bin ich dem Wohl der Gemeinde und damit allen Zammerinnen und Zammern verpflichtet … Ein großer Etappensieg für unser Zams und ein Riesenerfolg für alle Gemeindebürger“, sagt der Dorfchef. Die Entscheidung hat zur Folge (wenn sie rechtskräftig wird – Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht innerhalb von vier Wochen möglich), dass der Gemeinderat einen Substanzverwalter zu bestellen hat, der in Hinkunft an Stelle der Agrargemeinschaft für alle Grundstücksverfügungen zuständig ist.
MERKLICHE EINNAHMEN. Auch die Rücklagen der Agrargemeinschaft seien als Substanzvermögen der Gemeinde zu behandeln, weil diese nur durch Nutzung des gesetzwidrig übertragenen Substanzvermögens gebildet werden konnten. Arm ist die AG Zams nicht, LA Markus Sint (Liste Fritz) nennt sie gar „die sehr vermögende Agrargemeinschaft Zams“. Vom ORF Tirol im vergangenen Jahr genannte Zahlen waren nicht zu verifizieren oder zu widerlegen: Kolportierte 2,5 Millionen Euro an Rücklagen habe die Agrargemeinschaft Zams, Einnahmen aus Pacht und Schotter würden demnach jährlich etwa 450.000 Euro betragen. Der Obmann der Agrargemeinschaft Zams war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „In Zams ist jahrzehntelang sehr viel Geld in die falschen Kassen geflossen. Es wurden der Gemeinde viele Millionen vorenthalten! Das haben mehrere Personen gewusst …“, fasst Leonhard Steiger zusammen.
„Spitze eines Eisbergs“
Leonhard Steiger ortet mehr als 400 verfassungswidrige entschädigungslose Übertragungen
DI Leonhard Steiger, der die Agrargemeinschafts-Thematik auf agrarpapers.tirol aufarbeitet, muss zum aktuellen Fall vorausschicken: „Vorweg darf ich Ihnen sagen, dass Zams nur die Spitze eines riesigen Eisbergs ist.“ Er fordert die Rückübertragung des Gemeindegutes von ca. 400 Agrargemeinschaften an die Gemeinden.
Scheinhauptteilungen habe es auch in 50 weiteren Gemeinden gegeben. Neben „Zams“ sei dies z.B. auch in Landeck der Fall, wo im Falle der Agrargemeinschaft Landeck-Angedair und der Agrargemeinschaft-Zehentschaftsgut Landeck-Stanz keine Grundstücksbewertung stattgefunden habe (weshalb die rechtlichen Vorgaben für eine Hauptteilung eben nicht erfüllt seien). Hinzu kommen nochmals weitere ca. 100 Agrargemeinschaften, die aus Gemeindegut hervorgegangen seien, aber von der Agrarbehörde bei der Beantwortung einer Landtagsanfrage nicht aufgelistet wurden. „Diese ca. 100 AG sind also offiziell (öffentlich) noch gar nicht bekannt. Es stellt sich die Frage, was die Landesregierung da zu verbergen hat. Die diesbezügliche Liste wird von uns gerade erstellt“, sagt Steiger. Und es geht noch weiter: Es gebe zudem über 50 Agrargemeinschaften, bei denen die Agrarbehörde in den letzten Jahren festgestellt hat, dass kein Gemeindegut vorläge, weil die betroffenen Liegenschaften „vormals nicht im Eigentum der Gemeinde“ gestanden wären – ein Blick in das Grundbuch belehre aber eines Besseren: Die Gemeinden standen laut Steiger als Eigentümer in den Grundbüchern. All diese Bescheide seien gleich wie die „Hauptteilungsbescheide“ faktenwidrig und falsch. Kritisiert wird von Steiger, dass Regulierungsakte in Tirol dem Amtsgeheimnis unterliegen, obwohl es sich bei den Parteien um einerseits die Gemeinde, andererseits eine Körperschaft öffentlichen Rechts (AG) handelt.
RÜCKÜBERTRAGUNG. Der Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ bleibt weiterhin aktiv, denn es gibt ein Ziel: „Die Rückübertragung des Gemeindegutes von ca. 400 Agrargemeinschaften an die Gemeinden ist der einzige Weg, um verfassungskonforme Zustände wieder herzustellen“, so Steiger. Dies müsse die Landesregierung machen, denn sie habe „die gesetz- und verfassungswidrige Situation“ auch herbeigeführt. Dass der Verfassungsgerichtshof die Rückübertragung ausgeschlossen habe, sei die Unwahrheit: „Der VfGH hat sich mit dieser Causa noch nie beschäftigt!! Eine Rückübertragung ist übrigens auch im TFLG vorgesehen“, sagt Steiger über das Tiroler Flurverfassungsgesetz.
Liste Fritz stellt eine Landtagsanfrage
Dass die AG Zams eine Gemeindegutsagrargemeinschaft ist, freut Liste-Fritz-Klubobmann Markus Sint: „Das ist rechtlich ein erfreulicher Meilenstein, weil mit dieser Entscheidung die Verfügungsgewalt über Grundstücke, Pachteinnahmen und ein großes Vermögen der Gemeinde und damit allen Bürgern von Zams und nicht nur ein paar Ausgewählten zusteht. Gratulation an die Bürger von Zams und den SPÖ-Bürgermeister.“ „Die Blockierer im ÖVP-Bauernbund und in der ÖVP-dominierten Landesregierung“ seien dafür verantwortlich, dass die Gemeinde Zams erst heute bekommt, was ihr gehört, 59 Jahre nachdem das Land Tirol „dieses Unrecht orchestriert und der Gemeinde Grundstücke und Vermögen weggenommen hat“, erklärt Sint. Jetzt stehe LH Anton Mattle in der Pflicht, alle anderen rund 150 Gemeinden, in denen das Land Tirol seinerzeit ähnlich vorgegangen ist, Stichwort Hauptteilung, von Amts wegen überprüfen zu lassen. „Den Gemeinden und Gemeindebürgern ist endlich zurückzugeben, was ihnen gehört“, nimmt Liste Fritz-Klubobmann Markus Sint die ÖVP-SPÖ-Landesregierung in die Pflicht.
ANFRAGE. Die Liste Fritz stellt jedenfalls eine Landtagsanfrage, die LH-Stv. Josef Geisler betrifft: Er habe 2019 erklärt, in Zams habe das Land Tirol mit rechtskräftigem Bescheid festgestellt, dass es sich nicht um Gemeindegut handle. Sint: „Doppelt falsch. Erstens gab es einen solchen Bescheid gar nie … Zweitens hat das Land jetzt das Gegenteil entschieden. Die Liste Fritz bringt eine neue Landtagsanfrage ein und ÖVP-Landesrat Geisler muss sich erklären“, will Markus Sint nicht zur Tagesordnung übergehen.
Gemeinden müssen aktiv werden
Das Land Tirol kann zum „Fall Zams“ aufgrund des laufenden Verfahrens derzeit keine Stellungnahme abgeben. Ganz grundsätzlich aber ist die Auskunft im Landhaus: Die rechtlichen Angelegenheiten rund um die Agrargemeinschaften sind mit Beschlussfassung der Novelle des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes seit dem Jahr 2014 eindeutig geregelt. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung sehe eine bescheidförmige Feststellung, ob ein Grundstück ein atypisches Gemeindegutsgrundstück ist, nur im Zweifelsfall vor. Dementsprechend sehe der VfGH eine pauschale Überprüfung aller Agrarverfahren der letzten Jahrzehnte durch die Behörde als nicht geboten an. In jenen Fällen, wo Gemeinden eine Überprüfung von Agrarverfahren aus der Vergangenheit wollen, könne die jeweilige Gemeinde diese Prüfung aber jederzeit mittels Feststellungsantrag fordern.
Bgm. Benedikt Lentsch: „Ein großer Etappensieg für unser Zams und ein Riesenerfolg für alle Gemeindebürger“. RS-Foto: Archiv