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„Unabhängig von den damaligen Ansätzen“

Standort des österreichischen Atommüll-Endlagers gesucht – vor 35 Jahren war der Venet „möglicherweise geeignet“

Österreich muss ein Atommüll-Endlager errichten und will über den Standort im Jahr 2041 entscheiden. Vor etwa 35 Jahren war auch ein Oberländer Bergmassiv im Gespräch: der Venet. Die nunmehrige Suche soll aber „vollständig neu und unabhängig von den damaligen Ansätzen“ beginnen.
30. September 2025 | von Daniel Haueis
„Unabhängig von den damaligen Ansätzen“
Rund 17.000 Fässer radioaktiven Abfalls sind in Österreich bis 2045 endzulagern. Foto: stock.adobe.com, inspiretta, generiert mit KI
Auch wenn in Österreich kein Atomkraftwerk arbeitet, fällt radioaktiver Abfall an. Er stammt u.a. aus Medizin, Forschung und Industrie und ist schwach- und mittelradioaktiv, wobei 97 Prozent als kurzlebig klassifiziert sind und eine Halbwertszeit von maximal 30 Jahren aufweisen. Bisher werden diese Abfälle von der Nuclear Engineering Seibersdorf in rund 13.000 Fässern zu je 200 Litern zwischengelagert, was auch bis 2045 vertraglich fixiert ist. Österreich muss aber ein Endlager einrichten: „Die EU gibt den Mitgliedstaaten keine Zeitpläne vor, jedoch müssen sie nachvollziehbare Konzepte und Pläne für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle vorlegen“, berichtet Henriette Herzog von der Geschäftsstelle, die den österreichischen Entsorgungsbeirat fachlich wie administrativ unterstützt.

WANN UND WO UND WIE. Bis Ende 2036 sollen die Standort-Kandidaten identifiziert und bewertet werden. Danach werden sie einer technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Prüfung unterzogen. Die Entscheidung über den tatsächlichen Standort des österreichischen Endlagers ist für Anfang 2041 vorgesehen. Danach beginnen die Detailplanung und Errichtung, die bis 2054 abgeschlossen sein soll. Es ist auch noch nicht klar, wie endgelagert wird: Kurzlebig klassifizierter Abfall könnte in Österreich, langlebiger im Ausland gelagert werden – oder doch der gesamte in Österreich. Im zweiten Fall wären nicht nur oberflächennahe Anlagen, Gewölbe und Silos bis 100 Meter Tiefe nötig, sondern auch Anlagen mittlerer Tiefe bzw. eine Bohrlochlagerung. Der Entsorgungsbeirat empfiehlt, langlebige Abfälle jedenfalls unterirdisch zu lagern (kurzlebige Abfälle können hingegen auch oberirdisch gelagert werden) – eine endgültige Entscheidung über die Lagerungstiefe wurde bislang noch nicht getroffen.

VENET: KARTEN NEU GEMISCHT. Ob nach Klärung offener Fragen der Venet wieder im Gespräch ist wie schon um das Jahr 1990, wird sich zeigen: „Im Zuge der damaligen Standortsuche wurden 16 Standortgebiete einer geologisch-geotechnischen sowie einer sicherheitsanalytischen Bewertung unterzogen. Der Standort Venetberg wurde als ‚möglicherweise geeignet‘ eingestuft“, berichtet Henriette Herzog. Damals gab es im Oberland auch eine Unterschriftenaktion gegen ein Atommüll-Endlager im Venetmassiv. Die damaligen Studien zu Standortgebieten sollen nun aber nicht mehr die Grundlage sein: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die technisch-wissenschaftlichen Standards sowie die Prinzipien für die Beteiligung der Öffentlichkeit an politischen Entscheidungsprozessen maßgeblich weiterentwickelt: „Das neue Verfahren sollte vollständig neu und unabhängig von den damaligen Ansätzen beginnen.“ Auf die Frage, ob es von Relevanz sein wird, dass der Venet inmitten einer der tourismusintensivsten Regionen Österreichs liegt (Stichworte: Sölden, Ischgl, Serfaus-Fiss-Ladis, Pitztaler Gletscher), sagt Henriette Herzog: „Der Entsorgungsbeirat empfiehlt, bei der Auswahl der Standorte nicht ausschließlich die technische Eignung zu untersuchen, sondern auch gesellschaftliche und sozioökonomische Bedingungen zu prüfen, etwa den Abstand zu Wohngebäuden, Naturschutzgebiete, bedeutende Kulturgüter usw.“ Der Prozess der Standort­auswahl soll unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen, um innerhalb eines fairen und nachvollziehbaren Verfahrens eine möglichst hohe Akzeptanz zu erreichen und letztlich den am besten geeigneten Standort identifizieren zu können, so Herzog.

17.000 FÄSSER SIND ZU LAGERN. Bis 2045 müssen laut Studie höchstens 17.200 Fässer in ein Endlager eingebracht werden, jährlich kommen etwa zehn Gebinde hinzu. Der Abschlussbericht über die Ergebnisse des Entsorgungsbeirates über die Entsorgung der radioaktiven Abfälle in Österreich wird noch im Herbst an die Bundesregierung übergeben.
„Unabhängig von den damaligen Ansätzen“
Das Venetmassiv (Bildmitte, Blick von Osten) zieht sich von Landeck und Zams bis Imsterberg und Arzl: Es war vor rund 35 Jahren ein Kandidat für das österreichische Atommüllendlager. Die nunmehrige Standortsuche soll aber „unabhängig von den damaligen Ansätzen“ durchgeführt werden. Foto: Haueis

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