„Was einem nicht gehört, hat man zurückzugeben!“
Leonhard Steiger, Obmann des Vereins Gemeindeland in Gemeindehand, im Interview
8. April 2025 | von
Daniel Haueis

Leonhard Steiger: „Einzig durch Rückübertragung des Eigentums an die Gemeinden kann ein verfassungskonformer Zustand wiederhergestellt werden!“ Foto: Steiger
RUNDSCHAU: Sie sind Obmann des Vereins „Gemeindeland in Gemeindehand“, der das Thema Agrargemeinschaften aufarbeitet. Was hat Sie dazu motiviert?
DI Leonhard Steiger: Ich war beruflich zehn Jahre bei der Landesforstdirektion und dann ab 1990 beim Stadtmagistrat Innsbruck als leitender Beamter für Wald, Almen, Jagden und Grünanlagen bis zur Pensionierung 2012 tätig. In all dieser Zeit hatte ich mit Agrargemeinschaften zu tun. Das Thema Gemeindegut und Agrargemeinschaften wurde 2005 in Fachkreisen virulent und hat mich sofort besonders interessiert, da die Stadtgemeinde selbst Mitglied bei mehreren Agrargemeinschaften ist, die aus Gemeindegut hervorgegangen sind. Somit war ich einerseits Vertreter der Stadt als Mitglied der AG tätig, andererseits als Vertreter der substanzberechtigten Gemeinde. Nebenbei hatte ich Kontakt zu einschlägig tätigen Juristen im Landhaus. Damit will ich sagen, dass ich immer tiefer in die Materie eingedrungen bin, weil sich auch die Höchstgerichte mit der Sache beschäftigen mussten. Nach 2008 – Erkenntnis Mieders – flackerte das Thema einige Zeit auf und gab es auch einige weitere höchstgerichtliche Erkenntnisse, auf welche letztendlich der Landesgesetzgeber mit der TFLG-Novelle 2014 reagierte. Damit war wieder Ruhe eingekehrt, offiziell hieß es: „Es ist jetzt alles geregelt“. Die Öffentlichkeit war beruhigt; das hat man erreicht! Da, wie Sie wissen, bis heute kaum substanziell was weitergegangen ist (im Sinne: die Gemeinden sind zu ihrem Recht gekommen), habe ich 2019 beschlossen, einen Verein zu gründen, der sich die Information der Öffentlichkeit zum Ziel setzt. Haupttriebfeder war der Umstand, dass der verfassungswidrige Zustand (Agrargemeinschaften stehen im Grundbuch als Eigentümer des Gemeindegutes) – trotz mehrerer höchstgerichtlicher Erkenntnisse – von der Landesregierung nicht behoben wird! Das ist demokratiepolitisch nicht zu dulden und zu ertragen! Ich wurde im öffentlichen Dienst als Fachmann ausgebildet und fühle mich verpflichtet, mein Wissen der Öffentlichkeit weiterzugeben.
RUNDSCHAU: Im Fall der Agrargemeinschaft Zams gibt’s inzwischen eine behördliche Entscheidung. Sie nennen auch zwei Landecker Agrargemeinschaften, bei denen kein gesetzmäßiges Hauptteilungsverfahren stattgefunden habe. In wie vielen weiteren Fällen im Bezirk sollte es Ihrer Meinung nach ähnlich laufen?
DI Leonhard Steiger: Ich habe Ihnen die Liste jener AGs übermittelt, bei denen sicherlich kein gesetzeskonformes Hauptteilungsverfahren abgewickelt wurde. Angeblich (LH-Stv. Geisler) haben die betroffenen Gemeinden einen Feststellungsbescheid erhalten. Diese Auskunft hat Geisler auch in Zams gegeben; in Wahrheit hat die Gemeinde aber nie einen Feststellungsbescheid erhalten. So könnte es auch bei anderen Gemeinden sein. Dazu müsste man bei den Gemeinden nachfragen (Vorsicht: Amtsgeheimnis!). Im Oberland sind einerseits AGs, bei denen die Gemeinde zwar im Grundbuch geblieben ist, aber einer AG die Bewirtschaftung des Gemeindegutes mittels Satzung übertragen wurde. Da gibt es leicht unterschiedliche Regelungen; sämtliche sind zum Nachteil der Gemeinden, besonders bei der Nutzung der Wälder bekommen die Gemeinden nicht den ihnen zustehenden Anteil! Ohne die Satzungen und die gelebte Praxis zu kennen, kann man die Größenordnung des Schadens nicht beziffern. Andererseits sind im Oberland viele festgestellte Gemeindegutsagrargemeinschaften. Bei vielen von denen werden die Holzerträge „nach alter Übung“ an die Mitglieder verteilt, was dazu führt, dass den Gemeinden mehr oder weniger große Einkünfte aus Holzverkauf vorenthalten werden. Der Schaden ist enorm!
RUNDSCHAU: Auf https://www.agrarpapers.tirol haben Sie Gemeindedaten verlinkt. Demnach waren bei Grundbuchanlegung 846 Quadratkilometer in Besitz der 30 Gemeinden im Bezirk Landeck – heute sind es nur mehr knapp 295. Da fehlen 551 Quadratkilometer; allein in Ischgl ist das Gemeindeeigentum demnach von 24 auf fast 0 Quadratkilometer geschrumpft.
DI Leonhard Steiger: Diese Daten hat nicht der Verein erhoben, sondern der Tiroler Gemeindeverband und diese Daten sind recht verlässlich. Ob Ihre für Landeck angeführten Zahlen stimmen, habe ich nicht überprüft. Auch in Zams war es so, dass das gesamte Gemeindegut auf die AG übertragen wurde! So hat es die Agrarbehörde in ganz Tirol durchgezogen, mit Ausnahme in jenen Gemeinden, in denen der Widerstand der Gemeindevertreter zu hoch war; dort hat man dann – wie oben erwähnt – eine AG „darübergestülpt“. Einzig der Gemeinde Galtür ist ihr Gemeindegut verblieben und wurde auch keine AG eingerichtet! LH Mattle müsste also wissen, dass das Gemeindegut sehr wohl auch ohne AG gut bewirtschaftet werden kann und gleichzeitig die Nutzungsberechtigten zum ihnen zustehenden Recht kommen!
RUNDSCHAU: Inzwischen gibt es etliche Fachleute, auch ehemals involvierte Landesbeamte, die in den Regulierungen einen Fehler oder gar Skandal sehen. Weshalb tut sich aus Ihrer Sicht dennoch wenig?
DI Leonhard Steiger: Bei Gemeindegutsagrargemeinschafen müsste der Substanzverwalter jährlich die sogenannte „Bedarfsprüfung“ durchführen; dann käme die Gemeinde zu den ihr zustehenden Erträgnissen des „Überlings“ (das ist in Summe sehr viel Geld). Bei jenen Gemeinden, die als Eigentümer im Grundbuch verblieben sind, wo aber eine AG eingerichtet wurde, müsste ebenfalls jährlich die Bedarfsprüfung erfolgen, damit die Gemeinde zu ihrem Überling kommt (die Bewirtschaftung des Gemeindegutes ist in der Tiroler Gemeindeordnung geregelt). In jenen Fällen, in denen Gesetzwidrigkeiten bei der Regulierung vermutet werden, könnte jede Gemeinde (für jede AG einzeln) einen Anwalt beauftragen, der zunächst überprüft, ob ein Rechtsmittel ergriffen werden kann und in weiterer Folge – wie in Zams – den Rechtsweg einschlagen. Dazu muss man aber wissen, dass diese Verfahren viel Geld kosten und es andererseits nur zwei, drei Anwälte gibt, die sich in dieser Rechtsmaterie auskennen. Weiters muss man wissen, dass viele Bürgermeister auf die „Agrarische Wählerschaft“ nicht verzichten wollen und andererseits die Gemeinden finanziell vom Land abhängig sind; von dieser Seite wird Druck gemacht, dass ja keine Änderungen kommen!
RUNDSCHAU: Nach Aussage des Landes können Gemeinden eine Überprüfung ehemaliger Agrarverfahren jederzeit beantragen. Bedeutet das nicht, dass ein Bürgermeister praktisch tätig werden muss, da er ja auf das Gemeindevermögen zu achten hat, wohl auch auf ehemaliges?
DI Leonhard Steiger: Wenn „das Land“ (LH-Stv. Geisler) sagt, die Gemeinden könnten eine Überprüfung ehemaliger Verfahren (bei der Agrarbehörde – wo sonst?) beantragen, so muss man wissen, dass es die Agrarbehörde war, die gesetzlos und verfassungswidrig das Eigentum am Gemeindegut auf AGs übertragen hat. Außerdem war es die Agrarbehörde, die fakten- und gesetzwidrige Feststellungsbescheide erlassen hat. Nun soll diese Behörde (eigentlich müsste man sie Agrar-Interessenvertretung nennen) ihre eigenen Bescheide prüfen, noch dazu über Antrag der Gemeinde! Man will also die Gemeinden einzeln auf die Reise schicken! Zynischer kann eine Auskunft gar nicht sein! Der VwGH hat schon 2008 gesagt: „… es wäre schon lange Aufgabe der Agrarbehörde gewesen, die Regulierungsbescheide den geänderten Verhältnissen anzupassen!“ (schon lange!). Geänderte Verhältnisse sind u.a. höchstgerichtliche Erkenntnisse, Ausscheiden von Mitgliedern aus der AG, weil sie keine Landwirtschaft mehr betreiben, ... etc. Es ist also in erster Linie Aufgabe der Agrarbehörde (der Landesregierung!) den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Einzig durch Rückübertragung des Eigentums an die Gemeinden kann ein verfassungskonformer Zustand wiederhergestellt werden! Siehe dazu: Kienberger: „Das Gemeindegut als Verfassungsproblem“; Verlag LexisNexis, 2018 – Wenn LH-Stv. Geisler immer wieder sagt, der VfGH habe verlautet, dass die Rückübertragung nicht möglich ist, so sagt er die Unwahrheit. Der VfGH hat sich nämlich mit diesem Thema noch nie beschäftigt!
RUNDSCHAU: Sie fordern die Rückübertragung des entzogenen Grundeigentums, die durch ein einfaches Landesgesetz möglich sei. Ist sie das auch in der Praxis? Was z.B. sollte mit Geldern passieren, die an Mitglieder ausbezahlt wurden, wie es auch im Bezirk Landeck vorgekommen ist?
DI Leonhard Steiger: Theoretisch kann die Gemeinde alle gesetzwidrig ausgeschütteten Gelder zurückverlangen. Es ist öffentliches Recht, bei dem es keine Verjährung gibt. In der Praxis wird das schwierig sein und auch von Gemeinde zu Gemeinde verschieden.
RUNDSCHAU: Wie immer es beim Agrar-Thema weitergeht – was soll der Tiroler und was soll der Tiroler Politiker Ihrer Meinung nach daraus lernen?
DI Leonhard Steiger: Was einem nicht gehört, hat man zurückzugeben! Die Politik sollte sich – und das ist eine Binsenweisheit – an die Verfassung halten, d.h. in gegenständlicher Angelegenheit: verfassungskonforme Zustände herstellen – Rückübertragung! Diese ist durch ein einfaches Landesgesetz möglich!
RUNDSCHAU: Danke.
Gemeindeland in Gemeindehand
Der Verein Gemeindeland in Gemeindehand wurde im Jänner 2019 gegründet und hat den Sitz in Innsbruck. Obmann ist Leonhard Steiger, sein Stellvertreter ist Werner Lux. Hinzu kommen zwei Oberländer: der im Obergricht aufgewachsene Nikolaus Mathoy als Kassier und der Mieminger Ulrich Stern als Schriftführer. Die Homepage agrarpapers.tirol wurde „in zweijähriger Arbeit von Dr. Werner Lux, pensionierter Senatspräsident am Oberlandesgericht und Vereinsmitglied, und von mir erstellt“, sagt Leonhard Steiger. Der Verein hat laut dem Obmann den Zweck, „die Öffentlichkeit vom Unrecht, welches den Gemeinden und damit der Allgemeinheit angetan wurde, zu informieren“.
DI Leonhard Steiger: Ich war beruflich zehn Jahre bei der Landesforstdirektion und dann ab 1990 beim Stadtmagistrat Innsbruck als leitender Beamter für Wald, Almen, Jagden und Grünanlagen bis zur Pensionierung 2012 tätig. In all dieser Zeit hatte ich mit Agrargemeinschaften zu tun. Das Thema Gemeindegut und Agrargemeinschaften wurde 2005 in Fachkreisen virulent und hat mich sofort besonders interessiert, da die Stadtgemeinde selbst Mitglied bei mehreren Agrargemeinschaften ist, die aus Gemeindegut hervorgegangen sind. Somit war ich einerseits Vertreter der Stadt als Mitglied der AG tätig, andererseits als Vertreter der substanzberechtigten Gemeinde. Nebenbei hatte ich Kontakt zu einschlägig tätigen Juristen im Landhaus. Damit will ich sagen, dass ich immer tiefer in die Materie eingedrungen bin, weil sich auch die Höchstgerichte mit der Sache beschäftigen mussten. Nach 2008 – Erkenntnis Mieders – flackerte das Thema einige Zeit auf und gab es auch einige weitere höchstgerichtliche Erkenntnisse, auf welche letztendlich der Landesgesetzgeber mit der TFLG-Novelle 2014 reagierte. Damit war wieder Ruhe eingekehrt, offiziell hieß es: „Es ist jetzt alles geregelt“. Die Öffentlichkeit war beruhigt; das hat man erreicht! Da, wie Sie wissen, bis heute kaum substanziell was weitergegangen ist (im Sinne: die Gemeinden sind zu ihrem Recht gekommen), habe ich 2019 beschlossen, einen Verein zu gründen, der sich die Information der Öffentlichkeit zum Ziel setzt. Haupttriebfeder war der Umstand, dass der verfassungswidrige Zustand (Agrargemeinschaften stehen im Grundbuch als Eigentümer des Gemeindegutes) – trotz mehrerer höchstgerichtlicher Erkenntnisse – von der Landesregierung nicht behoben wird! Das ist demokratiepolitisch nicht zu dulden und zu ertragen! Ich wurde im öffentlichen Dienst als Fachmann ausgebildet und fühle mich verpflichtet, mein Wissen der Öffentlichkeit weiterzugeben.
RUNDSCHAU: Im Fall der Agrargemeinschaft Zams gibt’s inzwischen eine behördliche Entscheidung. Sie nennen auch zwei Landecker Agrargemeinschaften, bei denen kein gesetzmäßiges Hauptteilungsverfahren stattgefunden habe. In wie vielen weiteren Fällen im Bezirk sollte es Ihrer Meinung nach ähnlich laufen?
DI Leonhard Steiger: Ich habe Ihnen die Liste jener AGs übermittelt, bei denen sicherlich kein gesetzeskonformes Hauptteilungsverfahren abgewickelt wurde. Angeblich (LH-Stv. Geisler) haben die betroffenen Gemeinden einen Feststellungsbescheid erhalten. Diese Auskunft hat Geisler auch in Zams gegeben; in Wahrheit hat die Gemeinde aber nie einen Feststellungsbescheid erhalten. So könnte es auch bei anderen Gemeinden sein. Dazu müsste man bei den Gemeinden nachfragen (Vorsicht: Amtsgeheimnis!). Im Oberland sind einerseits AGs, bei denen die Gemeinde zwar im Grundbuch geblieben ist, aber einer AG die Bewirtschaftung des Gemeindegutes mittels Satzung übertragen wurde. Da gibt es leicht unterschiedliche Regelungen; sämtliche sind zum Nachteil der Gemeinden, besonders bei der Nutzung der Wälder bekommen die Gemeinden nicht den ihnen zustehenden Anteil! Ohne die Satzungen und die gelebte Praxis zu kennen, kann man die Größenordnung des Schadens nicht beziffern. Andererseits sind im Oberland viele festgestellte Gemeindegutsagrargemeinschaften. Bei vielen von denen werden die Holzerträge „nach alter Übung“ an die Mitglieder verteilt, was dazu führt, dass den Gemeinden mehr oder weniger große Einkünfte aus Holzverkauf vorenthalten werden. Der Schaden ist enorm!
RUNDSCHAU: Auf https://www.agrarpapers.tirol haben Sie Gemeindedaten verlinkt. Demnach waren bei Grundbuchanlegung 846 Quadratkilometer in Besitz der 30 Gemeinden im Bezirk Landeck – heute sind es nur mehr knapp 295. Da fehlen 551 Quadratkilometer; allein in Ischgl ist das Gemeindeeigentum demnach von 24 auf fast 0 Quadratkilometer geschrumpft.
DI Leonhard Steiger: Diese Daten hat nicht der Verein erhoben, sondern der Tiroler Gemeindeverband und diese Daten sind recht verlässlich. Ob Ihre für Landeck angeführten Zahlen stimmen, habe ich nicht überprüft. Auch in Zams war es so, dass das gesamte Gemeindegut auf die AG übertragen wurde! So hat es die Agrarbehörde in ganz Tirol durchgezogen, mit Ausnahme in jenen Gemeinden, in denen der Widerstand der Gemeindevertreter zu hoch war; dort hat man dann – wie oben erwähnt – eine AG „darübergestülpt“. Einzig der Gemeinde Galtür ist ihr Gemeindegut verblieben und wurde auch keine AG eingerichtet! LH Mattle müsste also wissen, dass das Gemeindegut sehr wohl auch ohne AG gut bewirtschaftet werden kann und gleichzeitig die Nutzungsberechtigten zum ihnen zustehenden Recht kommen!
RUNDSCHAU: Inzwischen gibt es etliche Fachleute, auch ehemals involvierte Landesbeamte, die in den Regulierungen einen Fehler oder gar Skandal sehen. Weshalb tut sich aus Ihrer Sicht dennoch wenig?
DI Leonhard Steiger: Bei Gemeindegutsagrargemeinschafen müsste der Substanzverwalter jährlich die sogenannte „Bedarfsprüfung“ durchführen; dann käme die Gemeinde zu den ihr zustehenden Erträgnissen des „Überlings“ (das ist in Summe sehr viel Geld). Bei jenen Gemeinden, die als Eigentümer im Grundbuch verblieben sind, wo aber eine AG eingerichtet wurde, müsste ebenfalls jährlich die Bedarfsprüfung erfolgen, damit die Gemeinde zu ihrem Überling kommt (die Bewirtschaftung des Gemeindegutes ist in der Tiroler Gemeindeordnung geregelt). In jenen Fällen, in denen Gesetzwidrigkeiten bei der Regulierung vermutet werden, könnte jede Gemeinde (für jede AG einzeln) einen Anwalt beauftragen, der zunächst überprüft, ob ein Rechtsmittel ergriffen werden kann und in weiterer Folge – wie in Zams – den Rechtsweg einschlagen. Dazu muss man aber wissen, dass diese Verfahren viel Geld kosten und es andererseits nur zwei, drei Anwälte gibt, die sich in dieser Rechtsmaterie auskennen. Weiters muss man wissen, dass viele Bürgermeister auf die „Agrarische Wählerschaft“ nicht verzichten wollen und andererseits die Gemeinden finanziell vom Land abhängig sind; von dieser Seite wird Druck gemacht, dass ja keine Änderungen kommen!
RUNDSCHAU: Nach Aussage des Landes können Gemeinden eine Überprüfung ehemaliger Agrarverfahren jederzeit beantragen. Bedeutet das nicht, dass ein Bürgermeister praktisch tätig werden muss, da er ja auf das Gemeindevermögen zu achten hat, wohl auch auf ehemaliges?
DI Leonhard Steiger: Wenn „das Land“ (LH-Stv. Geisler) sagt, die Gemeinden könnten eine Überprüfung ehemaliger Verfahren (bei der Agrarbehörde – wo sonst?) beantragen, so muss man wissen, dass es die Agrarbehörde war, die gesetzlos und verfassungswidrig das Eigentum am Gemeindegut auf AGs übertragen hat. Außerdem war es die Agrarbehörde, die fakten- und gesetzwidrige Feststellungsbescheide erlassen hat. Nun soll diese Behörde (eigentlich müsste man sie Agrar-Interessenvertretung nennen) ihre eigenen Bescheide prüfen, noch dazu über Antrag der Gemeinde! Man will also die Gemeinden einzeln auf die Reise schicken! Zynischer kann eine Auskunft gar nicht sein! Der VwGH hat schon 2008 gesagt: „… es wäre schon lange Aufgabe der Agrarbehörde gewesen, die Regulierungsbescheide den geänderten Verhältnissen anzupassen!“ (schon lange!). Geänderte Verhältnisse sind u.a. höchstgerichtliche Erkenntnisse, Ausscheiden von Mitgliedern aus der AG, weil sie keine Landwirtschaft mehr betreiben, ... etc. Es ist also in erster Linie Aufgabe der Agrarbehörde (der Landesregierung!) den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Einzig durch Rückübertragung des Eigentums an die Gemeinden kann ein verfassungskonformer Zustand wiederhergestellt werden! Siehe dazu: Kienberger: „Das Gemeindegut als Verfassungsproblem“; Verlag LexisNexis, 2018 – Wenn LH-Stv. Geisler immer wieder sagt, der VfGH habe verlautet, dass die Rückübertragung nicht möglich ist, so sagt er die Unwahrheit. Der VfGH hat sich nämlich mit diesem Thema noch nie beschäftigt!
RUNDSCHAU: Sie fordern die Rückübertragung des entzogenen Grundeigentums, die durch ein einfaches Landesgesetz möglich sei. Ist sie das auch in der Praxis? Was z.B. sollte mit Geldern passieren, die an Mitglieder ausbezahlt wurden, wie es auch im Bezirk Landeck vorgekommen ist?
DI Leonhard Steiger: Theoretisch kann die Gemeinde alle gesetzwidrig ausgeschütteten Gelder zurückverlangen. Es ist öffentliches Recht, bei dem es keine Verjährung gibt. In der Praxis wird das schwierig sein und auch von Gemeinde zu Gemeinde verschieden.
RUNDSCHAU: Wie immer es beim Agrar-Thema weitergeht – was soll der Tiroler und was soll der Tiroler Politiker Ihrer Meinung nach daraus lernen?
DI Leonhard Steiger: Was einem nicht gehört, hat man zurückzugeben! Die Politik sollte sich – und das ist eine Binsenweisheit – an die Verfassung halten, d.h. in gegenständlicher Angelegenheit: verfassungskonforme Zustände herstellen – Rückübertragung! Diese ist durch ein einfaches Landesgesetz möglich!
RUNDSCHAU: Danke.
Gemeindeland in Gemeindehand
Der Verein Gemeindeland in Gemeindehand wurde im Jänner 2019 gegründet und hat den Sitz in Innsbruck. Obmann ist Leonhard Steiger, sein Stellvertreter ist Werner Lux. Hinzu kommen zwei Oberländer: der im Obergricht aufgewachsene Nikolaus Mathoy als Kassier und der Mieminger Ulrich Stern als Schriftführer. Die Homepage agrarpapers.tirol wurde „in zweijähriger Arbeit von Dr. Werner Lux, pensionierter Senatspräsident am Oberlandesgericht und Vereinsmitglied, und von mir erstellt“, sagt Leonhard Steiger. Der Verein hat laut dem Obmann den Zweck, „die Öffentlichkeit vom Unrecht, welches den Gemeinden und damit der Allgemeinheit angetan wurde, zu informieren“.