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„Bestmögliche Hilfeleistung“

Land Tirol fördert Herdenschutzmaßnahmen

500.000 Euro nimmt das Land Tirol für den Schutz der Alm- und Weidewirtschaft vor großen Beutegreifern in die Hand. Nicht überall aber sind Maßnahmen umsetzbar, wie eine zum Teil im Oberland durchgeführte Studie ergeben hat.
22. Juni 2020 | von Daniel Haueis
„Bestmögliche Hilfeleistung“
Über 700 Schafe und 80 Ziegen von 26 Besitzern werden auf die Verwall Alm in St. Anton aufgetrieben. Sie zu schützen ist laut einer Studie technisch möglich, aber vor allem in der Anfangsphase mit hohen Zusatzkosten verbunden. Foto: Land Tirol/Agridea
Die Alm- und Weidewirtschaft ist durch die zunehmende Präsenz von großen Beutegreifern wie Wölfen unter Druck. In Tirol gab’s heuer bereits 28 Schafsrisse, die nachweislich im Zusammenhang mit einem Wolf stehen; etliche weitere sind noch in Abklärung. Zum Schutz der Tiere und der Almwirtschaft stellt das Land Mittel für Fachberatungen zur Verfügung und unterstützt Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune, Hirten oder Hunde. In den Jahren 2020 und 2021 sind dafür jeweils 500.000 Euro vorgesehen; unterstützt werden können sowohl direkt betroffene Regionen wie auch Pilotregionen ohne unmittelbaren Beutegreiferdruck. „Die Almwirtschaft hat in Tirol nicht nur eine große Bedeutung für die Landwirtschaft, sondern auch für den Tourismus, das Naturgefahrenmanagement und die Biodiversität. Wir müssen alles daransetzen, die Bewirtschaftung der Almen und die Beweidung der Hochalmen auch durch Schafe und Ziegen aufrechtzuerhalten“, erklärt LH-Stv. Josef Geisler. Auf rund 400 der 2100 Tiroler Almen werden Schafe aufgetrieben – ein Gutteil davon im Oberland: Sieben von zehn Schafalmen und fast 85 Prozent der gealpten Schafe befinden sich in den Bezirken Landeck, Imst, Lienz und Innsbruck-Land.

HERDENSCHUTZ NUR TEILWEISE UMSETZBAR UND TEUER. Eine im Vorjahr beim Schweizer Institut Agridea vom Land in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass Herdenschutz in den hochalpinen, oft stark frequentierten Almregionen Tirols nur bedingt umsetzbar und abgesehen vom Arbeitsaufwand mit erheblichen Kosten von elf bis 80 Euro pro Schaf verbunden ist. Zum Vergleich: Ein ausgewachsenes Schaf erzielt bei Versteigerungen durchschnittlich Preise von 250 bis 350 Euro. Auch die Verwall Alm in St. Anton wurde untersucht. Die Gemeinschaftsalm mit 730 ha Nettofutterfläche bietet Weide in 1500 bis 2600 m Seehöhe. Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde werden aufgetrieben, zuletzt waren es 721 Schafe und 83 Ziegen von 26 Schafauftreibern. Und die Alm ist teils intensiv touristisch genutzt. Nach den Studienautoren Daniel Mettler (Agridea) und Simon Moser (Büro Alpe) wäre Herdenschutz dort technisch möglich, verursacht aber hohe Kosten, vor allem in den ersten zwei Jahren der Umstellung. Als mögliche Maßnahmen werden Anpassungen in der Weideführung durch mobile Elektrozäune, zusätzliches Almpersonal, Hütehunde und eventuell Herdenschutzhunde genannt. Der Verwall Alm und der Hühnerspiel Alm in Außervillgraten werden in der Studie technische Machbarkeit des Herdenschutzes attestiert, auf der Umhausener Schafalm und der Seeben Alm in Ehrwald (Mieming) sei Herdenschutz hingegen weder technisch machbar noch sozioökonomisch nachhaltig, hieß es damals. „Wo es möglich ist und die TierhalterInnen dahinterstehen, wollen wir aber bestmögliche Hilfeleistung bieten, um die Bewirtschaftung unserer Bergregionen abzusichern“, sieht Geisler vor dem Hintergrund des EU-Schutzstatus eine Verantwortung der öffentlichen Hand zur Unterstützung der Almwirtschaft. Und: Herdenschutzmaßnahmen sind die Voraussetzung für eine EU-konforme Entnahme: Präventionsmaßnahmen zum Schutz von Tieren müssen ausgereizt sein, ehe ein „schadensauffälliger“ Wolf getötet werden darf.





Serfauser Wolfs-Petition an den Nationalrat

NR Liesi Pfurtscheller hat mit ihren Kollegen Josef Hechenberger und Hermann Gahr eine Petition der Gemeinde Serfaus zum „Schutz der Bevölkerung, der Land- und Almwirtschaft, des Tourismus und des ländlichen Raumes vor großen Beutegreifern“ eingebracht.

„Die Gemeinde Serfaus sowie die Tiroler Almbauern haben hier unsere volle Unterstützung. Es braucht dringend schnelle Hilfe im Umgang mit Problemwölfen in Siedlungs- und Almgebieten“, sagt Pfurtscheller. Nach 23 toten bzw. nicht mehr auffindbaren Schafen ist es für sie „absolut verständlich, dass die Bauern am 6. Juni ihre Schafe frühzeitig von der Komperdellalm abgetrieben haben. Ihren Ruf nach Hilfe müssen wir sehr ernst nehmen, deshalb unterstützen meine zwei Kollegen und ich ihre Petition vollinhaltlich“, so Pfurtscheller. Die Gemeinde Serfaus stellt drei Forderungen auf: Es brauche eine rasche, unbürokratische und leichte Entnahme von Problemwölfen. Der Schutzstatus des Wolfes müsse gesenkt werden (da er nicht vom Aussterben bedroht sei). Und Tirol müsse als wolfsfreie Zone definiert werden, denn „der Schutz der Bevölkerung, die Erhaltung einer gesunden Berglandwirtschaft und die Sicherheit für unsere Gäste setzen einen Lebensraum ohne gefährliche Beutegreifer voraus“. NR Pfurtscheller will ebenso Gespräche mit der EU, um den Schutzstatus von Wölfen zu senken. In „Brüssel“ ist inzwischen die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler aktiv. Die Bauern bräuchten Sicherheit, und gerade im Oberland „ist das gute Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft, Tourismus, Nachhaltigkeit und Regionalität beispielgebend. Sollte ein Glied aus der Kette wegbrechen, ist die gesamte regionale Wirtschaft betroffen“, sagt Pfurtscheller.
 
„Bestmögliche Hilfeleistung“
NR Hermann Gahr, NR Liesi Pfurtscheller und NR Josef Hechenberger mit der Serfauser Wolfs-Petition (v. l.) Foto: Silvia Leitner

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