Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Der Krieg wird sich in die Länge ziehen“

Politikwissenschaftler Gerhard Mangott über den Ukraine-Krieg und Auswirkungen auf das Oberland

Der aus Fließ stammende Politfachmann Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Mangott erwartet kein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine. Eine der im Oberland zu spürenden Auswirkungen: Flüchtlinge und wesentlich weniger Touristen aus der Region.
4. April 2022 | von Daniel Haueis
„Der Krieg wird sich in die Länge ziehen“<br />
Gerhard Mangott: „Touristen werden wesentlich weniger kommen, weil auch Teile der Mittelschicht verarmen werden.“ RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

RUNDSCHAU: Es gibt in Österreich wohl keinen größeren Polit-Experten für die ehemalige Sowjetunion als Sie. Was ist für Sie das wahrscheinlichste Szenario im Ukraine-Krieg – mit welchem Zeithorizont?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Mangott: Der Krieg wird sich leider in die Länge ziehen. Ein Verhandlungsweg wird sich auf absehbare Zeit nicht bieten und so wird Russland versuchen, die Ukraine zur militärischen Kapitulation zu zwingen. Ob das der russischen Seite gelingen wird, ist aber nicht sicher. Es könnte auch zu einem lang andauernden Stellungskrieg kommen.

RS: Was werden die Oberländer, also die Menschen in Ihrer Heimat, vom Krieg zu spüren bekommen – von flüchtenden Ukrainern über steigende Gas-Preise und möglicherweise konfisziertes Eigentum von Oligarchen bis hin zu fehlenden Touristen aus Russland.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Mangott: Flüchtlinge auch im Oberland werden zur erwartbaren Realität gehören; Energiepreise werden sehr wahrscheinlich weiter steigen und hoch bleiben, wenn sich die EU tatsächlich von ihrer Energieabhängigkeit von Russland trennen will. Touristen werden wesentlich weniger kommen, weil auch Teile der Mittelschicht verarmen werden. Zu einer Beschlagnahme von Oligarchenvermögen bräuchte es aber politischen Handlungswillen in Tirol – den sehe ich aber derzeit nicht.

RS: Der Krieg in der Ukraine, noch dazu in Zeiten einer Pandemie, ist auch dem individuellen Wohlbefinden der Oberländer sicher nicht zuträglich. Macht der Politikwissenschaftler einen Hoffnungsschimmer aus?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Mangott: Im Augenblick leider nicht. Eine Verhandlungslösung zeichnet sich nicht ab – die russische und die ukrainische Position zu einer diplomatischen Einigung sind sehr weit voneinander entfernt. Aber auch militärisch wird sich dieser Konflikt nicht schnell entscheiden. Der Krieg wird sich in die Länge ziehen.

RS: Danke.


Plan und Zufall
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Mangott stammt aus Fließ. Seit seiner Schulzeit ist er an Politik interessiert – er hat Politikwissenschaft studiert und ist nun Universitätsprofessor in Innsbruck und gefragter Interviewpartner. Was hat ihn von Fließ zur Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck und weiter zur Spezialisierung auf die ehemaligen Sowjetgebiete gebracht? „Ich hatte schon früh großes Interesse an Politik. Der Bereich hat mich fasziniert. Ist mir wohl in die Wiege gelegt worden“, sagt Mangott. Er wollte auch immer schon Universitätsprofessor werden. „Es war aber ein historischer und persönlicher Zufall, dass ich mich mit 20 Jahren auf die damalige Sowjetunion spezialisierte“, erklärt der 55-Jährige.

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