So war es früher – Ausgabe Landeck (29-22)

Ein mit Hausmarchen (Hausmarken, Hauszeichen) unterzeichnetes Bittgesuch aus dem Jahre 1693. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wollten die zur Kuratie gehörenden Bewohner von Langesthei, da ihre abgelegene Siedlung „einen unzumutbar weiten Kirchgang nach Kappl habe und im Winter wegen großer Lawinengefahr oft längere Zeit von ihrer Seelsorge abgeschnitten seien“, eine eigene Kirche bauen. Um die Baubewilligung dieser Kirche musste jedoch hart gekämpft werden. Vorerst scheiterte das Vorhaben am Widerstand des Kappler Kuraten, der sich um die Schmälerung seiner Pfründe sorgte. Peter Juen aus Langesthei soll sich mehrmals – nach mündlicher Überlieferung zweiundzwanzigmal – zum Bischof nach Brixen begeben haben, um die Baubewilligung zu erreichen. 1693 hatte er Erfolg, die Kirche durfte gebaut werden: Das am 14. Juni 1693 datierte, dem Bischof in Brixen vorgelegte Bittgesuch war vom Kappler Kuraten Thomas Greuter mit Unterschrift und Siegel versehen und von 38 namentlich aufgelisteten Bauern unterzeichnet worden, obwohl diese weder lesen noch schreiben konnten. Die Langestheier hatten nämlich schlicht und einfach ihre Hausmarchen/Hauszeichen neben ihre Namen gezeichnet. Hauszeichen fanden jahrhundertelang als Besitz- bzw. Eigentumszeichen eine mannigfaltige Anwendung: z. B. am Haus, am Vieh („Haarmarch“), am frisch geschlägerten Holz, an Werkzeugen und Geräten. Bis ins 18. Jahrhundert herauf spielten sie auch im Rechtsleben als Hand- oder Willenszeichen eine bedeutende Rolle. Sie dienten bei Personen, die des Schreibens unkundig waren, als Willenserklärung. Die Langestheier Bauern zeichneten daher statt den Namensunterschriften ihre Hausmarken hin, womit sie ihre Bittschrift rechtskräftig beglaubigten.

Foto: Collage aus dem Bildarchiv Josef Walser
Text: Josef Walser, 1985 und 2022; Quellen: Langestheier Pfarrchronik, Seite 4 / Gemeindeblatt Landeck, Nov. 1989