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„Den Wolf kann man nicht aussperren“

Bauernvertreter über die Gefahr, die vom Wolf für die Landwirtschaft ausgeht, und weitere Konsequenzen

Landwirtschaftskammer- und Bauernbundobmann Elmar Monz sieht keinen Platz für den Wolf in Tirol. Ihn im hochalpinen Gelände auszusperren, werde auch nicht gelingen; ganz abgesehen von den Kosten dafür. Die Folge: Bauern sperren die Stalltüre für immer zu – heuer tun dies bereits 45 allein im Bezirk Landeck.
7. Juni 2021 | von Daniel Haueis
„Den Wolf kann man nicht aussperren“<br />
Ein Jäger hat in Nauders, wo ein Schaf gerissen und eines verletzt wurde, einen Wolf gesichtet (Symbolbild). RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

Wolf-Alarm in halb Tirol: Noch kein Ergebnis liegt für die DNA-Proben von toten Schafen in Fügenberg und in Rohrberg vor, ausständig sind auch Untersuchungsergebnisse von zehn toten Schafen in Umhausen, wobei laut Land aufgrund der Anzahl der Risse von einem Großraubtier auszugehen sei. Risse an Nutztieren wurden der Behörde auch aus Nauders und Sölden gemeldet. Beide Fälle wurden amtstierärztlich begutachtet, Proben wurden entnommen und zur genetischen Analyse geschickt. Bezirksbauernobmann Elmar Monz sagt: „Wir merken es in ganz Tirol – überall sind Wölfe.“ In Nauders sei ein Schaf gefressen und eines „angerissen“ worden, und zwar in einer mit Elektrozaun eingezäunten Weide 300 Meter vom Stall entfernt. Fazit: ein totes Lamm und ein schwer verletztes Mutterschaf nach erster Einschätzung durch einen Übergriff von einem großen Beutegreifer. „Der Bauer lässt die Schafe nicht mehr raus“, sagt Monz, der selbst in Nauders Landwirt ist. Der Wolf sei auch gesichtet worden, sagt Monz: Am Abend jenes Tages, an dem die Risse entdeckt wurden (31. Mai) habe ihn ein Jäger gesehen. Es sei ein neuer Wolf, nicht der in Graubünden besenderte Jungwolf, der aus Langtaufers ins Kaunertal gewandert und mittlerweile wohl im hinteren Pitztal ist. LK-Bezirksstellenleiter Peter Frank fügt an: „Es herrscht nun sehr große Angst, da sich das Rissgeschehen praktisch direkt beim Hof abgespielt hat. Mehr Behirtung und Beaufsichtigung … geht eigentlich nicht mehr – mit Einzäunung und der Nachschau am Abend und in der Früh.“

BAUERN SPERREN STALLTÜR ZU. Den Schafbauern gehe es nicht um die Entschädigung, sondern um das „elendige Zugrundegehen“ der Tiere. Deshalb versteht Elmar Monz auch nicht, „weshalb sich so viele für den Wolf aussprechen“: „Da höre ich keinen Tierschützer“, sagt Monz mit dem Bild gerissener Schafe vor Augen. Der Wolf müsse leben, „wo er Platz hat“ – und das ist nicht in Tirol. Peter Frank fügt an: „Wir sind von Wölfen umzingelt, der gesamte Lebens- und Wirtschaftsraum ist in Gefahr: Es geht um den Verlust von Artenvielfalt durch aufgelassene Almen, Verbrachung, Verbuscherung, Verwaldung und Erosion. Es geht um den Verlust von schönen Erholungsräumen für Einheimische und Gäste – welche Familie will dort urlauben und wandern, wo Wölfe umherschleichen und Nutztiere und Wildtiere reißen? Es geht um den Verlust der Berglandwirtschaft mit nicht wiedergutzumachenden Folgen für alle, die im Berggebiet leben.“ Elmar Monz ist mit seiner Wolfs-Geduld jedenfalls am Ende. Die „Wolf-Kuschelei“ werde man „nicht dulden können“, die Lösung des Problems sei die „schnelle, unkomplizierte Entnahme des Wolfes“. Monz hat seine Gründe: 45 Landwirte haben heuer keinen Mehrfachantrag mehr gestellt – sperren also die Stalltüre zu. Und gerade die Schafbauern seien Nebenerwerbsbauern, die mit ihren Tieren auch unzugänglichere Bereiche und auch Almen freihalten. Er wolle „nicht, dass nächstes Jahr wieder 50 Bauern aufhören“, sagt Monz und fordert landespolitisches Eingreifen: „Die Politik muss handeln“, so Monz, der sich über Änderungen des Jagd-, des Naturschutz- oder (am vielversprechendsten) des Almschutzgesetzes eine schnelle Entnahme von Problemwölfen vorstellen kann. Auf die EU könne man nicht warten – und aussperren könne man den Wolf auch nicht.

WEIDELENKUNG, NICHT HERDENSCHUTZ. Die drei Projekte im Bezirk, die den Wolf zu beachten scheinen, sind für Monz kein Herdenschutz: „Das ist Weidelenkung“, sagt der Bauernobmann. Die je knapp 1000 Schafe aus Spiss-Pfunds-Fließ und aus Nauders und die bis zu 400 Schafe aus Serfaus-Ladis werden zwar begleitet und notfalls in einen Pferch getrieben. Aber: „Den Wolf kann man nicht aussperren – von der Praxis ist das soweit weg. Im hochalpinen Raum gibt es kein Einzäunen“, sagt Monz. Und falls schon eingezäunt werde: „Wer soll das bezahlen?“ Wenn man in Tirol die Almwirtschaft und einen Erholungsraum wolle, „muss man zugeben, dass der Wolf nicht Platz hat“. Für Peter Frank sind die drei Versuche im Obergricht „nur für wenige Einzelfälle als Versuch anzuwenden“, da in Tirol meist nicht so viele Schafe aufgetrieben werden. Die Zäune seien auch nicht wolfsabweisend ausgeführt, „weil das schlichtweg nicht möglich ist“. Erste Erfahrungswerte zeigten, dass sich das Zusammenführen von bisher separat gealpten Schafherden als extrem schwierig darstellt und die Schafe sich von ihren langjährigen Gewohnheiten nicht abbringen lassen wollen. „Der Verlauf des Sommers wird weitere Erkenntnisse bringen“, sagt der LK-Chef.



WWF fordert Wiederbelebung des Hirtenwesens

Anlässlich der beginnenden Almsaison fordert der WWF Öster-reich ein Herdenschutz-Paket. „Der Wolf ist eine streng geschützte Art und eine absolute Bereicherung für unsere Natur. Für ein gutes Miteinander braucht es mehr Herdenschutz und eine Wiederbelebung des traditionellen Hirtenwesens“, sagt WWF-Wolfsexperte Christian Pichler. Zugleich benötige es ein besseres Monitoring und schärferes Vorgehen gegen kriminelle Abschüsse von Wölfen. Der Gründer des Vereins ‚Hirtenkultur‘, Stefan Knöpfer, sagt: „Behirtung schützt Nutztiere vor Krankheiten, Unwetter oder Steinschlag. Das sind sehr viel häufigere Todesursachen als Wölfe. Eine von Hirtinnen und Hirten gelenkte Bewirtschaftung von Weiden oder Almen stärkt den Schutz vor Bodenerosion und belebt die biologische Vielfalt – etwa von Pflanzen und Vögeln.“ Auch wenn Herdenschutz im alpinen Gelände herausfordernder sei als im Flachland, führe daran kein Weg vorbei. LK-Bezirksstellenleiter Peter Frank plädiert für eine differenzierte Darstellung, „denn unsere Schaf- und Almbauern betreiben seit jeher Herdenschutz, d.h. sie beaufsichtigen die Herden mittels wechselweiser oder auch täglicher Nachschau bis hin zu einer ständigen Behirtung auf wirklich großen Schafalmen. Die Heimbetriebsweiden sind alle umzäunt. Davon getrennt zu betrachten ist der beutegreifer- oder wolfsabweisende Herdenschutz (Schutz vor Wölfen), der sich bei unseren Gegebenheiten (Höhenlage, Geländeverhältnisse, Herdenstruktur) nur auf den wenigsten Almen umsetzen lässt.“ Als wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahme auf den Hochalmen bleibe letztlich nur die Behirtung übrig: „Elektrozäune können auf manchen Almen unterstützen, dass Gebiete abgezäunt werden und die Schafherde kompakter bleibt und gelenkt wird, sie erfüllen jedoch nie das Kriterium, dass sie wolfsabweisend sind“, sagt Frank – auch ein hoher Zaun werde übersprungen oder untergraben, das würden auch die Erfahrungen aus Nachbarländern, wo es immer wieder zu Wolfsrissen in geschützten Herden kommt, belegen.




 
„Den Wolf kann man nicht aussperren“<br />
Bauernobmann Elmar Monz: „Ich will nicht, dass nächstes Jahr wieder 50 Bauern aufhören.“ RS-Foto: Archiv
„Den Wolf kann man nicht aussperren“<br />
Peter Frank: „Es geht um den Verlust der Berglandwirtschaft mit nicht wiedergutzumachenden Folgen für alle, die im Berggebiet leben.“ RS-Foto: Archiv

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