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„Wir müssen jetzt offen diskutieren“

Zammer Bgm. Lentsch über die Zukunft des „Venet“

Die Politik im Talkessel Landeck-Zams und die Verantwortlichen der Venet Bergbahnen AG stehen aufgrund bevorstehender notwendiger Großinvestitionen wieder einmal vor der Aufgabe, sich mit der grundsätzlichen Perspektive und Strategie für den „Hausberg Venet“ zu beschäftigen – und Zukunftsentscheidungen zu treffen.
10. Mai 2022 | von Von Herbert Tiefenbacher
„Wir müssen jetzt offen diskutieren“<br />
Bgm. Benedikt Lentsch: „Es macht keinen Sinn, den Flickenteppich an halbfertigen Erneuerungs- und Sanierungs-ideen fortzuführen.“ RS-Foto: Tiefenbacher
Von Herbert Tiefenbacher

Der Landecker Gemeinderat beschloss in seiner jüngsten Sitzung, wie alljährlich, die Umwandlung von geleisteten Zahlungen im abgelaufenen Geschäftsjahr an die Venet Bergbahnen AG in Gesellschafterzuschüsse. Dieser Forderungsverzicht ist hinsichtlich einer ausreichenden Eigenkapitalquote notwendig. Diese Zahlungen sind aber eine nicht unwesentliche Herausforderung vor allem für die Budgets der beiden Hauptaktionäre, die Gemeinden Landeck und Zams. Die jährliche Verzichtshöhe der Stadtgemeinde liegt in der Größenordnung von 500.000 Euro, und jene der Gemeinde Zams bewegt sich bei knapp 400.000 Euro. Zudem wird die Venet Bergbahnen AG jährlich durch die Ferienregion TirolWest finanziell unterstützt. Der Tourismusverband leistete etwa 2020 einen Zuschuss in Höhe von 40.000 Euro und 40.000 Euro für den Betriebsabgang. Also steuerte die Ferienregion TirolWest 2020 insgesamt 80.000 Euro bei. Die Gemeinde Fließ leistet einen jährlichen Unterstützungsbeitrag von 25.000 Euro. Das heißt, die Venet Bergbahnen AG bekommt derzeit eine jährliche Summe von rund einer Million Euro an Unterstützungszahlungen aus lokalen öffentlichen Budgets.

INTERVIEW. Einige Insider meinen, nun sei endgültig der Zeitpunkt gekommen, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, sondern schnellstmöglich auf Basis einer Grundsatzdiskussion eine Weichenstellung für die Zukunft vorzunehmen. Einer, der sich zu dieser Sache öffentlich bereits mehrmals zu Wort gemeldet hat, ist der neue Zammer Bürgermeister Benedikt Lentsch, u.a. in einem RUNDSCHAU-Interview. Er hat die strategischen Entscheidungen rund um den „Venet“ ganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. Darüber und über andere entscheidende Fragen sprach die RUNDSCHAU mit dem neuen Zammer Ortschef.

RS: Teilst Du die Meinung, dass es jetzt schnellstmöglich eine grundsätzliche Diskussion und Weichenstellung für die Zukunft des „Venet“ braucht?
Lentsch: Die kurze Antwort ist ja. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder eingefordert, dass wir den Venet als Naherholungsgebiet für die Menschen aus der Region neu aufstellen und in ein ruhiges bzw. sicheres Fahrwasser bringen müssen. Wie das gelingen kann, darüber müssen wir heute reden. Darauf aufbauend müssen wir überlegt und konsequent handeln. Alles mit dem Ziel, dass unser Hausberg mit den Freizeitmöglichkeiten für die Menschen vor Ort erhalten bleibt. Genau das ist aktuell nicht gesichert und das macht mir als Zammer Bürgermeister große Sorgen.

RS: Welchen Standpunkt wirst Du in die Diskussion einbringen? Ist der „Venet“ grundsätzlich noch zu retten?
Lentsch: Natürlich. Es gibt durchaus Optionen, um kleine Ski- und Wandergebiete sinnvoll und nachhaltig zu bewirtschaften und es gibt neue Chancen – zum Beispiel im Bereich des Radsports oder des Tourengehens –, die man intelligent nutzen kann. Das müssen wir tun. Von neuen Highlight-Ideen im Sinne von zusätzlichen kostspieligen Anlagen halte ich wenig. Ich glaube, wir müssen das, was wir haben, auf einen modernen Stand bringen und ein ganzjähriges Nutzungsangebot schaffen, das eine zeitgemäße Naherholung ermöglicht und gleichzeitig die Kosten bestmöglich reduziert.

RS: Wo ist für Dich hier die Grenze des finanziell Zumutbaren für die beiden Gemeinden?
Lentsch: Seitens der Gemeinde sind wir dazu bereit, Geld für die Naherholung zu investieren. Andere Gemeinden investieren dafür in Schwimmbäder oder ähnliche kostspielige Anlagen. Wichtig ist für mich, dass wir eine langfristig gute Lösung haben. Das muss unser Ziel sein und hier muss uns auch bewusst sein, dass das ohne Investitionen nicht gehen wird. Ich will den Budgetposten Venet nicht streichen, aber ich will wissen, dass unser Geld bestmöglich so eingesetzt wird, dass wir unseren Hausberg heute und noch viele Generationen nutzen können.

RS: Was ist aus Deiner Sicht die Schlüsselfrage? Nach Meinung von Insidern ist die entscheidende Frage, wie es grundsätzlich weitergehen soll: so wie bisher Sommer- und Winterbetrieb oder nur mehr Sommerbetrieb. Man steht im Hinblick auf das Auslaufen von zwei Konzessionen vor enormen Investitionen: Die Kosten für den Neubau der Hauptbahn betragen zwischen 25 und 30 Millionen Euro und eine Modernisierung würde grob geschätzt fünf Millionen Euro kosten. Und die Investitionskosten für den Südlift sollen bei 500.000 Euro liegen.
Lentsch: Ich bin der Meinung, dass wir jetzt offen diskutieren und alle Varianten auf den Tisch legen müssen. Ich bin weder Touristiker noch Bergbahnbetreiber – ich bin Bürgermeister der Gemeinde Zams. Insofern kann ich meine Erwartungen für die finanzielle Unterstützung formulieren: Ich will, dass der Venet als Naherholungsgebiet für die Menschen in der Region erhalten wird. Das ist mein Anspruch, mit dem ich in jedes Gespräch zum Venet gehen werde. Wie wir dieses Ziel bestmöglich erreichen, ist in der Diskussion zu klären. Dort wird man die unterschiedlichen Notwendigkeiten hinsichtlich Modernisierung besprechen und im Sinne eines schlüssigen Gesamtkonzepts bewerten. Es macht keinen Sinn, den Flickenteppich an halbfertigen Erneuerungs- und Sanierungsideen fortzuführen. Genau dadurch haben wir leider in der Vergangenheit schon viel Geld verloren.

RS: Wäre das finanzielle Problem des Skibergs mit der Neuerrichtung der Hauptbahn überhaupt gelöst? Würden dadurch mehr Gäste bzw. Einheimische auf den Berg gelockt werden?
Lentsch: Wie gesagt: Es braucht ein Gesamtkonzept – von den Bahnen über die Gastronomie über die Veranstaltungen bis hin zu den Laufzeiten.

RS: Bis wann sollte die Entscheidung getroffen sein?
Lentsch: Ich möchte, dass wir bis zum Ende des Jahres ein umfassendes Sanierungs- und Nutzungskonzept für die kommenden Jahre vorliegen haben. Dafür müssen wir jetzt Expertinnen und Experten einbinden und anfangen strategisch an die Herausforderung heranzugehen. Was positiv ist: Es herrscht derzeit eine wirklich gute Gesprächsbasis im Aufsichtsrat. Dies sollten wir nutzen.

RS: Sollte zum Thema „Venet-Zukunft“ eine Volksbefragung im Talkessel durchgeführt werden?
Lentsch: Aus meiner Sicht ist klar, dass auch die Bevölkerung in den Diskussionsprozess rund um den Venet miteingebunden werden muss. Diese Variante würde ich einer Volksbefragung vorziehen, weil wir so viel mehr Mitsprache ermöglichen können. Eine Volksbefragung ist ja oder nein – das wird den komplexen Herausforderungen aus meiner Sicht nicht gerecht.

RS: War der „Venet-Bob“ (rund 1,4 Mio. Euro) eine Fehlinvestition, und wenn ja, was soll damit geschehen?
Lentsch: Aus meiner Sicht ja. Der Venet-Bob war, wie viele andere Maßnahmen, ein undurchdachter und singulärer Rettungsversuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war, weil das Gesamtkonzept gefehlt hat. Ohne Strategie und ohne langfristigen Entwicklungsplan verbrennt man Geld. Genau dieses Problem müssen und werden wir jetzt angehen.

RS: Danke für das Gespräch.



Anteilige Zahlungen der Stadtgemeinde Landeck

Die Stadtgemeine Landeck hat im Zeitraum 5. März 2021 bis 5. April 2022 an die Venet Bergbahnen AG Zahlungen im Gesamtbetrag von 503.249,40 Euro geleistet. Der Landecker Gemeinderat gab in der jüngsten Gemeinderatssitzung einstimmig einen Forderungsverzicht für diesen Betrag zuguns-ten des Seilbahnunternehmens ab. Dieser Betrag setzt sich aus Annuitäten für als Bürge und Zahler übernommene Darlehensverpflichtungen, Abgangsabdeckungen und Investitionsbeiträgen zusammen. Diese Zahlungen werden in einen Gesellschafterzuschuss umgewandelt. Hier die getätigten Zahlungen: 241.108,10 Euro für sechs Raten für drei Bürgschaftsdarlehen (0,33 Mio., 1,9 Mio., 3 Mio.). 100.000 Euro für Abgangsdeckungsbeitrag (Februar 2022). 162.141,30 Euro für Investitionsbeiträge (Projekt Zukunft Venet etc.). Diese Zahlungen entsprechen einem Prozent-Anteil von 55 Prozent. Die Gemeinde Zams hat einen anteiligen Betrag von 45 Prozent zu zahlen.
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Die Venet Bergbahnen AG bekommt derzeit eine jährliche Summe von rund einer Million Euro an Unterstützungszahlungen aus lokalen öffentlichen Budgets. RS-Foto: Tiefenbacher

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