Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Mit Österreich nicht zu vergleichen“

1. Jänner 2020 | von Nina Zacke
Auch ein Besuch des hypermodernen Benfica-Lissabon-Stadions „Estádio da Luz“ (Stadion des Lichts, 65647 Plätze) stand am Programm. Foto: Raymond Verheijen
21 Teilnehmer besuchten den Kurs, hier post man im „Benfica Lab“ – dort wo die neue Generation des Fußballs entwickelt wird – für ein Foto (in der Mitte Thomas Klaus und Simon Melmer). Foto: Raymond Verheijen

Oetzer Trainer-Duo war zu Besuch bei Benfica Lissabon


Nicht allzu oft kommt es in der Tiroler Fußballgeschichte vor, dass Trainer aus dem Oberland bei einem Champions League-Gruppenteilnehmer zu Gast sind. Das waren Thomas Klaus und Simon Melmer von der Fußballschule Tirol beziehungsweise von USV Thurner Oetz. Die beiden besuchten dort einen Kurs von Raymond Verheijen mit dem Titel „Football Braining Experience“. Zudem stand neben dem Besuch der Benfica Lissabon-Akademie auch das Europa League-Spiel Sporting Lissabon gegen PSV Eindhoven am Programm. Die RUNDSCHAU interviewte Oetz-Trainer Thomas Klaus.

 

Von Albert Unterpirker

 

RUNDSCHAU: Thomas, wie kam es dazu, dass du nach Lissabon zu diesem Kurs gereist bist?

Thomas Klaus: Ich besuche nun seit über einem Jahr diese Kurse von Raymond Verheijen. Letztes Jahr war ich in Amsterdam und Lissabon. In diesem Jahr war ich in Salzburg (bei Red Bull Salzburg, Anm.), Split (Hajduk Split) und eben in Lissabon (Benfica Lissabon). Der erste Kurs und der Austausch auf internationalem Parkett führte dazu, dass ich die Kurse regelmäßig besuche und mich im Anschluss auch weiterhin mit den anderen Trainern austausche. Es sind die Erfahrungen, der Austausch mit anderen Trainern und das Wissen, das vermittelt wird, das seinesgleichen sucht.

 

RS: Was waren die Inhalte des Kurses?

Klaus: Der Kerninhalt des Kurses drehte sich um die Psychologie im Fußball und wie neueste Erkenntnisse der Gehirnforschung im Fußball eingesetzt werden können. Neben zahlreichen Theoriestunden standen auch viele Gruppenarbeiten bis tief in die Morgenstunden auf dem Programm. Es war ein wirklich sehr anstrengender und fordernder Kurs, der mit unseren Ausbildungen in Österreich nicht zu vergleichen ist.

 

RS: Was kann man bezüglich fußballerischen Aspekten für das Tiroler Oberland respektive USV Oetz mitnehmen?

Klaus: Alle Inhalte und Eindrücke von Lissabon lassen sich super integrieren und übernehmen. In Portugal wird auch Fußball gespielt, allerdings haben sie ganz andere Ansätze als hier. Den Kindern wird viel mehr Freiheit gelassen und es sind fast ausschließlich Spiele, die genutzt werden, um die Kinder zu verbessern. Aber auch für die Erwachsenen ist einiges dabei, da es ja generell um das Gehirn ging. Wir sprachen über die besten Lehrmethoden und wie diese im Training und anderen Bereichen des Lebens eingesetzt werden können. Neben den fußballerischen Schwerpunkten gab es natürlich auch sehr viel Persönlichkeitsentwicklung. Es ist toll, dass das eigene Wissen und die Handlungen bestätigt werden und man auf dem richtigen Weg ist. Auch wenn dieser Weg für viele neu und unverständlich ist, so sieht man im internationalen Umfeld, dass es in die richtige Richtung geht. Und diese Dinge werden jetzt natürlich vermehrt in mein Training und in meine Vorträge und Ausbildungen eingebaut.

 

RS: Wie war die Atmosphäre im Stadion beim Spiel?

Klaus: Es ist einfach unvergleichlich mit Österreich. In Portugal wird der Fußball gelebt – und das merkt man an jeder Straßenecke. Bereits vor dem Spiel hört man rund um das Stadion Fangesänge und jeder Besucher ist mit mindestens einem Fanschal bestückt. Während des Spiels wird ordentlich mitgefiebert und beinahe jede gute Aktion mit großem Jubel unterstützt. Eine wirklich tolle Atmosphäre, die in Österreich leider nicht zu finden ist.

 

RS: Welche Eindrücke hattest du von der Akademie?

Klaus: Ich war mittlerweile schon einige Akademien im In- und Ausland besuchen (unter anderem Red Bull Salzburg, Austria Wien, FC Bayern Campus, Hajduk Split) und bin wirklich sprachlos. Benfica hat alles, was das Fußballherz sich wünscht. Angefangen von sechs Rasenplätzen (inkl. Stadion), zwei Kunstrasenplätze, einen 360 Grad „Futbonaut“ (High-Tech-Trainingsgerät, Anm.) der neuesten Generation etc. Den Spielern fehlt es an Nichts und sie werden rund um die Uhr betreut. Der ganze Tag eines jeden Spielers ist individuell durchgeplant. Vom Frühstück über Schule bis hin zum Abendessen. Alle Termine etc. werden den Spielern direkt via eigens entwickelter App übermittelt. Zusätzlich dazu hat jeder Spieler seinen eigenen Ernährungsplan, welcher auf seinen Energieverbrauch angepasst wird. Natürlich hat Benfica auch ein ausgeklügeltes Scoutingsystem und auch das wurde uns näher gebracht.

 

RS: Was sind generell die größten Unterschiede bezüglich Fußball-Auffassung gegenüber hierzulande?

Klaus: Der Fußball wird dort einfach gelebt. Alleine wenn du im Landeanflug bist und die zahlreichen Fußballplätze mit Flutlicht siehst, ist das schon überwältigend. Du siehst ganz klar, dass der Fußball in Portugal einen ganz anderen Stellenwert hat als in Österreich. Als wir das Stadion von Benfica besuchten, war daneben ein kleiner Kunstrasenplatz und dieser war voll mit Kindern von drei bis sechs Jahren, die dort schon von Trainern betreut werden. Bei den Trainings wurde ausschließlich mit Spielen gearbeitet, was bei uns noch nicht der Fall ist. Leider orientieren wir uns zu sehr an Deutschland und versuchen, die isolierten Technikübungen zu kopieren. Es wäre aber sinnvoller, wenn wir uns auch in anderen Ländern umsehen. Überwältigend war ebenfalls, dass jedes Kind, das wir beim Training gesehen haben, mit einer Vereinsdress inklusive Wunschnamen und Wunschnummer ausgestattet war. Dass der Fußball in Portugal so gelebt wird, liegt sehr wahrscheinlich daran, dass es weniger Ablenkung durch Smartphones, Playstation und Co. gibt.

 

RS: Wie habt ihr drüben gelebt/gewohnt, wie seid ihr angereist?

Klaus: Greta Thunberg wird es nicht gerne hören, aber wir sind mit dem Flugzeug angereist. Mit dem ersten Flug des Tages ging es am Montag von München nach Lissabon und am Freitag (Rückreise) war es der letzte Flug, der in München gelandet ist. Das Hotel lag im Stadtteil Oeiras und war erneut sensationell gut. Vom ersten bis zum letzten Tag fehlte es uns an nichts. Wobei das Hotel natürlich nebensächlich war, da wir bis tief in die Nacht in unseren Gruppen mit verschiedensten Aufgaben beschäftigt waren.

 

RS: Die ganze Aktion war für die Fußballschule Tirol?

Klaus: In erster Linie war es für mich persönlich, um mich weiterzuentwickeln und neue Kontakte im internationalen Fußball zu knüpfen. Diesmal war es äußerst interessant, da sich ein hochrangiger Mitarbeiter vom FC Barcelona unter den Teilnehmern befand. Doch wer glaubt, dass er deswegen anders mit uns kommunizierte, der irrt. Er war offen und erzählte viel von den Ansichten von Barcelona – und es ergaben sich spannende und aufschlussreiche Diskussionen über die Entwicklung des Fußballs.

 

RS: Dein Fazit?

Klaus: Es war erneut ein sehr forderndes und inspirierendes Erlebnis. Es wurden viele neue Kontakte zu anderen Trainern geknüpft, mit denen sich jetzt regelmäßig ausgetauscht wird. Durch diesen Austausch versuchen wir, gemeinsam den Fußball zu entwickeln und neue Modelle für die Ausbildung von Spielern und Spielerinnen zu entwickeln. Es hat sich definitiv gelohnt und ich freue mich schon auf die nächsten Kurse 2020. Da ist Borussia Gladbach, Bayer Leverkusen und Real Madrid schon gebucht.

21 Teilnehmer besuchten den Kurs, hier post man im „Benfica Lab“ – dort wo die neue Generation des Fußballs entwickelt wird – für ein Foto (in der Mitte Thomas Klaus und Simon Melmer). Foto: Raymond Verheijen

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