Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Am Sonntag bin ich erst einmal fertig“

Christian Tschernutter radelt 24 Stunden für ein Mädchen mit Handicap

Asterix hatte seinen Zaubertrank. Was ihm Miraculix da hineinmischte, weiß keiner. Bei Christian Tschernutter freilich ist die Sache klar: Sein Trainer Martin Langegger hat ihm nach jeder Übungseinheit zwei rohe Eier „verordnet“. „Eiweiß pur“, schmunzelt der Reuttener Bergwanderführer und Mountainbike-Guide. Das soll ihm die nötige Power geben, um sein großes Ziel zu erreichen: 24 Stunden für einen guten Zweck mit dem Rennrad zu strampeln.
7. Juli 2020 | von von Jürgen Gerrmann
„Am Sonntag bin ich erst einmal fertig“
Christian Tschernutter will am Wochenende 24 Stunden zwischen Reutte und Weißenbach radeln, um einem Mädchen mit Handicap zu helfen. Foto: Privat
von Jürgen Gerrmann

Am Samstag, dem 11. Juli, um 10 Uhr, ist es so weit: Dann steigt der gebürtige Kärntner auf sein Rennrad – und will einen ganzen Tag lang nicht wieder runter. Zwischen dem Kreisverkehr an der Gemeinde Reut-te und dessen Pendant am Ortsrand von Weißenbach will er pausenlos pendeln und die 17 Kilometer-Runde binnen 24 Stunden so oft wie möglich absolvieren.
Denn jeder Kilometer zählt, und jeder Kilometer bringt auch Geld: einen beziehungsweise zwei Euro haben Christian Tschernutters Hauptsponsoren ausgelobt. Doch der Erlös fließt nicht in dessen eigene Tasche, sondern kommt einem Mädchen mit Handicap aus dem Außerfern zugute, das nicht gehen kann und nun ein neues (größeres) Therapierad braucht, das mit E-Motor 4500 Euro kostet. Für sie legt sich der 43-Jährige nun schon seit Monaten ins Zeug. Wenn er noch mehr Geld erstrampelt, soll es für neue Rollstuhlreifen oder einen barrierefreien Terrasseneingang verwendet werden.

TROTZ CORONA WEITERTRAINIERT. Die Wurzel dieser außergewöhnlichen Aktion liegt in der Corona-Zeit: Eigentlich hatte sich Christian Tschernutter für das 24-Stunden-Radrennen in Kelheim in Niederbayern angemeldet. Doch wegen der Pandemie sagten die Organisatoren das Event an der Mündung der Altmühl in die Donau ab.
„Sein Physio und Coach Martin hat ihn dann gebeten ,Bitte hör trotzdem nicht auf zu trainieren – Du bist jetzt so gut drauf!“, erzählt Tschernutters Frau Dagmar, eine gebürtige Landeckerin, die ebenfalls Feuer und Flamme für dieses Projekt ist und auch Langstrecken-Erfahrung besitzt: Gemeinsam haben die beiden die 24 Stunden „rund um die Kirschenhalle“ in Hitzendorf in der Steiermark geschafft und sich dabei jede Stunde abgewechselt. „Acht Stunden hin, 24 Stunden geradelt, dann wieder acht Stunden zurück – das war schon heftig“, erinnern sich die zwei.
Wie dem auch sei: Martin Langeggers Rat nach der Kelheim-Absage („Das kannst Du doch auch alleine machen!“) fiel auf jeden Fall auf fruchtbaren Boden. Die Strecke zwischen Reutte und Weißenbach wählte Tschernutter deswegen aus, „weil es eine einfache Route ist, die im Bezirk liegt und für die man außer nachts kein Begleitfahrzeug braucht“. „Und die Fans sind ja schon vor Ort und können vom Streckenrand aus anfeuern und zujubeln“, fügt Dagmar hinzu.
Corona konnte den Fahrrad-Freak übrigens nicht bremsen. Er strampelte einfach auf dem Balkon auf der Rolle – je Einheit acht Stunden. Und als man wieder raus durfte, wurde die Dosis erhöht: 12, 16  und bei der Generalprobe waren es gar 20 Stunden. Dagmar Tschernutter: „Und am Ende ist er topfit daheim angekommen und hat noch das Frühstück mitgebracht.“
„Als Wanderführer und Bike-Guide hast du natürlich auch eine Grundkondition“, sagt Christian kurz vor dem Start. Und sein Versuch vom Wochenende ist ja nicht seine erste Langstreckenerfahrung: Mit dem Mountainbike war er unter anderem beim Sellaronda-Hero (52 Kilometer/2700 Höhenmeter) und dem Dolomiti Superbike (57 km/1688 Hm) dabei, mit dem Rennrad hat er zum Beispiel die 230 Kilometer beim Radmarathon im Tannheimer Tal und die 220 Kilometer bei dessen Pendant am Bodensee in den Beinen.
In den letzten Tagen gab es übrigens auch noch viel Organisatorisches zu bewältigen: Rund 20 Freunde und Bekannte unterstützen Christian Tschernutter auf seinem Weg zum großen Ziel. Da galt es, die einzelnen Dienste einzuteilen: Wer gibt wann Windschatten? Wer steuert um welche Uhrzeit das Begleitfahrzeug? Wer hilft bei der Verpflegung? Auch da muss man übrigens vermutlich nebenherradeln. Denn Christian Tschernutter möchte möglichst nicht absteigen und daher während der Fahrt essen und trinken („Warmes Wasser ist da sehr wichtig“, sagt Dagmar): „Ich will mich nicht hinsetzen, sondern – solange es irgendwie geht – fahren.“
Und wenn es dann geschafft ist? Auch da will Christian Tschernutter keine große Pause machen: „Am Sonntag bin ich garantiert erst einmal fertig. Aber am Montag gehe ich wieder wie gewohnt mit meinen Gästen vom Campingplatz Bannwaldsee bei Füssen, die auch zum Abfeuern kommen, wandern. Wohin, weiß ich noch nicht – aber ich mach auf jeden Fall was Leichtes“, lacht er.

WIE MAN HELFEN KANN. Wer will, kann Christian Tschernutter bei seinem Projekt unterstützen: Die IBAN des Spendenkontos lautet AT91 3699 0000 0901 6999 (Betreff: Therapiefahrrad). Zudem ist die gesamten 24 Stunden über eine Spendenbox bei der Verpflegungsstation bei Susannes Naschwerk in der Lechtaler Straße 33a in Lechaschau aufgestellt. Und natürlich freut er sich auch sehr über moralische Unterstützung am Streckenrand.

 
„Am Sonntag bin ich erst einmal fertig“
Voller Vorfreude auf ein außergewöhnliches Projekt – Christian Tschernutter erzählt von seiner 24-Stunden-Tour: „Mindestens 600 Kilometer will ich schaffen.“ RS-Foto: Gerrmann

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