Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Artenschutz wird in der Lebenshilfe Reutte groß geschrieben

Vom Aussterben bedrohte Hühnerrassen finden ein neues Zuhause

Drei seltene Hühnerrassen haben in der Lebenshilfe eine liebevoll betreute Heimstatt gefunden. So wird sichergestellt, dass diese vom Aussterben bedrohten Rassen weiterhin geschützt werden. Ein Vorzeigeprojekt, das nicht nur den Hühnern, sondern vor allem den Klienten und Mitarbeitern der Lebenshilfe zugute kommt.
30. Juni 2020 | von von Regina Hohengasser
Sie verstehen sich: Die Klienten der Lebenshilfe Reutte und ihre Hühner! RS-Foto: Hohengasser
von Regina Hohengasser

Bekannt war diese kleine Hühnerfarm den Außerfernern schon länger, welche Geschichte sich aber dahinter verbirgt, nur Wenigen. Zeit, um diese farbenfrohen Hühner ins Rampenlicht zu stellen. An einem warmen Frühsommertag fahre ich zur Lebenshilfe. Dort angekommen, gehe ich in das schöne einladende Gartengelände, wo ich die Hühner schon gackern höre. Ich setze mich mit Christian und Eva (beide Assistenten) zusammen, um mehr über dieses tolle Projekt zu erfahren.

EINE IDEE WURDE GEBOREN. Schon vor etwa acht Jahren fing die LH mit einer Hasenzucht an. Die Idee dazu hatte ein ehemaliger Zivildiener. Seit einigen Jahren aber züchtet Christian mit seinem Team drei äußerst rar gewordene Hühnerrassen. Sie haben so klingende Namen, wie: russische Pawlowskaja, Südtiroler Proveis-Ultentaler und belgische Brabanter-Bauernhühner. Der Ursprung dieser Hühner geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Das Pawlowskaja-Huhn kann man als die älteste Rasse Russlands bezeichnen, sie galt bereits als ausgestorben. Der Hahn bekommt eine stolze Größe und hat schillernde Farben. Das Proveis-Ultentaler Huhn wurde einst aus Mittelitalien in die bodenständigen alpinen Hühnerschläge Südtirols eingekreuzt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts war auch dieses Huhn durch das Aufkommen der Legehybriden fast ausgestorben. Überlebt haben sie lediglich in der Gemeinde Proveis-Ultental, daher der Name. Das Brabanter-Bauernhuhn stammt aus Belgien. Es ist robust und unkompliziert in der Haltung, eben ein richtiges Bauernhuhn. Kennzeichnend für diese Rasse ist ein ausgeprägter Federschopf. Auch dieses Huhn ist extrem gefährdet, nur mehr wenige Züchter widmen sich dem Erhalt dieser Rasse.  

TIERE ALS CO-THERAPEUTEN. Tiere ins Konzept von sozialen Einrichtungen einzubeziehen, legt uns die Wissenschaft schon länger ans Herz. Zahlreiche Studien belegen, dass Bindungsfähigkeit, Verantwortungsgefühl und Vertrautheit gefördert werden. Die Begegnung und der Dialog mit ihnen sprechen Körper, Geist und Seele gleichermaßen an. Die Beziehung, die zwischen Mensch und Tier entsteht, hat positive Effekte auf die Lebensqualität und setzt Impulse für heilende Prozesse. Für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist die Arbeit mit Tieren in der freien Natur von unschätzbarem Wert. Die Klienten mit einer verantwortungsvollen, sinnerfüllten Aufgabe zu betrauen, aus denen sie langsam wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schöpfen, ist das vorrangige Ziel von Christian und seinem engagierten Team. Die Menschen mit Bedacht in eine berufliche Tätigkeit zu führen und ihnen so wieder einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft zu geben, ist ebenfalls Ziel des gesamten Teams.

DIE PRAXIS.  Es gibt sechs Ställe, von denen jeder mit einer anderen Farbe gekennzeichnet ist. Arbeitsmaterialien wie Bürste, Spachtel, Schaufel usw. haben die gleichen Farben wie der dazugehörige Stall. Das erleichtert den Klienten die Arbeitsabläufe – wie Ausmisten, Futter streuen, Eier einsammeln und vieles mehr. Die sich täglich wiederholenden Arbeitschritte geben Halt und Freude an der Selbstständigkeit, sodass die Arbeiten von den Klienten mit der Zeit selbst eingefordert werden. Dass der Artenschutz weiter verbreitet wird, dafür sorgen die Bruteier. Regionale Hühnerzüchter bestellen bei Christian regelmäßig Bruteier, so werden die Rassen vor dem Aussterben verschont. Sobald die Population wieder eine gewisse Anzahl erreicht hat, möchte sich das LH-Team einer anderen bedrohten Rasse zuwenden. Eine, wie ich meine, geniale Idee.

EIN TOLLES TEAM. Auch der Spaß kommt in der LH nicht zu kurz. Dazu eine spontane Begebenheit: Samuel, ein junger, fröhlicher Klient, fuhr mit Eva (Assistentin) im Schubkarren ausgelassen durch den Garten. Dass sich dieses Team – bestehend aus zehn Personen (Assistenten und Klienten)  – gut versteht, spürt man sofort. Christian und Eva werden nicht müde zu betonen, dass die Zusammenarbeit deshalb so gut funktioniert, weil sie sich als EIN TEAM verstehen, wo jeder Einzelne einen wichtigen Platz einnimmt und seinen Beitrag zum Gesamtprojekt leistet. Das Schönste an ihrer Arbeit ist, so Christian und Eva, wenn Klienten über sich hinauswachsen und spüren, dass sie durch das eigene Tun wertvolle Entwicklungsschritte gehen und Gutes bewirken können. Ein Projekt mit Vorbildwirkung, das in vielen Bereichen Schule machen könnte.
Artenschutz wird in der Lebenshilfe Reutte groß geschrieben
Lebenshilfe stellt sicher, dass vom Aussterben bedrohte Hühnerrassen weiter bestehen. Foto: Christian Schneider

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