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Bürgermeister statt Seefahrer

22. Jänner 2019 | von Nina Zacke
Bürgermeister statt Seefahrer
Alois Oberer – ein Steirer auf dem Thron der Marktgemeinde. RS-Foto: Gerrmann

Luis Oberer feierte am Sonntag seinen 70. Geburtstag – Klares Nein zur dritten Amtszeit


Kaum zu glauben, aber wahr: Reuttes Bürgermeister Luis Oberer hat am Sonntag seinen 70. Geburtstag gefeiert! Im Gespräch mit der RUNDSCHAU blickt er auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Von Jürgen Gerrmann

Dass er dereinst Oberhaupt einer Tiroler Marktgemeinde werden würde, hätte er sich als junger Bursch wohl niemals träumen lassen. Denn da richtete sich seine Sehnsucht hinaus aufs weite Meer. Nach seiner Ausbildung an der Fachschule für Metallbearbeitung in Kapfenberg stand für den Leobener fest: „Ich will zur See fahren und die Welt kennenlernen.“
Zunächst lernte er freilich erst einmal das Außerfern kennen. Und für Reutte sollte es sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen, dass der junge Steirer unter chronischer Finanznot litt: „Ich habe keinen Knopf Geld gehabt“, schmunzelt er heute. Zufällig stieß er auf ein Stellenangebot der Plansee-Werke und heuerte dort an. Für eine Übergangszeit. Bis er genug Geld hatte, um sich seinen Traum zu erfüllen.
Unerfüllter Traum.

Doch eine alte Erkenntnis lautet: Provisorien sind oft das Dauerhafteste. Bei Plansee herrschte nämlich Arbeitskräftemangel: „Unter Walter Schwarzkopf gab es in kurzer Zeit drei schneidige Lohnerhöhungen. Zudem hat man mir meine komplette Technikerausbildung bezahlt“, erklärt Oberer, warum sein großer Traum ins Hintertreffen geriet und heute gar nicht mehr existiert.
An die erste Begegnung mit Reutte erinnert sich Oberer noch ganz genau: „Ich bin am 2. Februar 1969 hergekommen. Da lag wahnsinnig viel Schnee. So was kannte ich aus der Steiermark gar nicht.“ Das Datum bedeutet: Demnächst kann der Bürgermeister auch sein goldenes Außerfern-Jubiläum feiern.
Wohlgefühlt hat er sich damals sofort: „Ich war begeistert, wie viele Möglichkeiten es hier gibt. Ich habe schon immer gerne Sport gemacht. Und hier gibt es ja alles, was man braucht: Seen, Berge, Radwege.“ Überhaupt: Das Fahrrad hat es ihm schon seit eh und je angetan (was man vermutlich auch an seiner innerstädtischen Verkehrspolitik ablesen kann): „Als Hochzeitsreise haben wir damals eine Österreich-Rundfahrt gemacht.“ 20 Jahre lang bedeutete Urlaub für ihn auch Radfahren: „Halb Europa“ wurde dabei mit dem Drahtesel erkundet. Und vor zwei Jahren strampelte er mit seinem Sohn von Reutte zum Gardasee. Mitten durch die Bergwelt. 13 000 Höhenmeter in sechs Tagen.
Liebe zu den Bergen.

Auch die Wanderstiefel schnürt der Bürgermeister immer noch gern. Sein Lieblingsgipfel? „Die Dremelspitze bei Bschlabs. Die hatte eine tolle Form, ist anspruchsvoll, erfordert ein bissel Kraxlerei – und oben hat man eine wundervolle Aussicht.“
Zudem bieten ihm die Berge auch Distanz zur Hektik des Alltags. Auf der Galtalm hat er eine Hütte gemietet, abseits der Wege: „Da kann ich abschalten. Da habe ich Ruhe. Das taugt mir.“
Gab’s eigentlich etwas, das ihm am Anfang in Reutte gar nicht gefallen hat? „Die Integration war schon schwierig“, sagt Oberer: „Als Steirer war man eher Ausländer. ,Baraber’ hat man da zu uns gesagt. Oder ,Nord-Jugos’. Aber da viele Steirer da waren, war das nicht so schlimm. Es hat ja damals sogar einen Steirer Club gegeben.“
Aber spätestens als er 1979 in den Plansee-Betriebsrat einzog, war das vorbei. Zwischen 1985 und 2008 fungierte er dort sogar als Gesamtobmann, saß ihm Aufsichtsrat von Plansee und Ceratizit. Noch heute ist er übrigens stolz auf das gute Miteinander von Geschäftsführung und Arbeitnehmern: „Wir hatten immer ein gutes Gelingen für beide Seiten im Auge.“
Lob für Konkurrenten.

Sein Wirken bei der Arbeitnehmervertretung erwies sich denn auch als Plus bei seiner Bürgermeister-Kandidatur: „Man kannte mich. Das war sicher ein Vorteil.“ Das übrigens geschah im Gegensatz zu seinem Ankommen in Reutte nicht zufällig, sondern zielgerichtet. Er wollte nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand eben nicht einfach zuhause sitzen und Däumchen drehen. Daher übersiedelte er eigens von Lechaschau nach Reutte, um kandidieren zu können, schloss sich dem Team Leben an: „Die habe ich gekannt, die waren einverstanden, dass ich auch als Bürgermeister kandidiere und nicht nur als Gemeinderat, die hatten eine kleine Struktur, auf der man aufbauen konnte.“
Und es klappte: Team Leben verdoppelte seine Sitzzahl von zwei auf vier – und Oberer entschied die Stichwahl mit ganzen 19 Stimmen vor Dietmar Koler von der ÖVP für sich.
So leicht war die Ausgangslage also nicht: Oberer war zwar Bürgermeister, hatte aber nur vier von 17 Sitzen, Koler mit der Liste „Gemeinsam für Reutte“ hingegen mit acht fast die absolute Mehrheit. Freilich: „Ich hätte es mir schlimmer vorgestellt.“
Denn auch in der Gemeinde funktionierte das „Modell Plansee“. Der Bürgermeister wird nämlich nicht müde, sein Gegenüber von damals zu loben: Wir haben sechs Jahre super zusammengearbeitet und gemeinsam was weitergebracht. Er hat mir sehr viele Freiheiten gelassen, obwohl er die Mehrheit hatte. Das habe ich an ihm geschätzt. Er hatte absolute Handschlagqualität.“
Und die Reuttener hätten es wohl geschätzt, dass die unsäglichen Streitereien im Gemeinderat damit ein Ende gefunden hätten.
Bald ist Halbzeit.

In diesem Miteinander seien sehr viele positive Dinge entstanden: die Alpentherme, die aufgrund der ursprünglichen Pläne zum Fiasko hätte werden können („Der Baustopp und das Umschwenken auf mehr Sauna und Wellness haben sich als goldrichtig erwiesen“), die Erweiterung des Seniorenzentrums, das Multifunktionsgebäude am Sportplatz, die „Riesentwicklung“ am Ehrenberg, die highline („Da war die Unterstützung der Gemeinde das Zünglein an der Waage“).
Nun ist fast Halbzeit bei seiner zweiten Amtsperiode (die Wiederwahl konnte er mit 70 Prozent für sich feiern, seine Liste Luis errang zehn von 19 Sitzen). Besonders zufrieden macht ihn, dass die 2012 installierte Wirtschaftsförderung solch gute Arbeit leiste: Die Leerstandsquote bei den Geschäftsflächen in der Marktgemeinde habe sich etwa von 30 auf 5 Prozent erniedrigt – eine Entwicklung, die Kollegen in Ballungsräumen vor Neid erblassen lassen dürfte. Es sei eben richtig gewesen, keine Einkaufszentren mehr zuzulassen.
Drei Jahre währt seine Amtszeit noch. Und es warten noch eine Menge Projekte (wie zum Beispiel die Neugestaltung des Untermarkts als Begegnungszone). Wobei er bekennt: „Im Grunde geht mir alles zu langsam. Mein Motto lautet ,Gestalten statt Verwalten’. Für die Verwaltung habe ich meine prima Mitarbeiter. Ich will gestalten.“
„Kein Problem mit dem Loslassen“.

Dass Geduld auch aus seiner Sicht nicht seine allergrößte Stärke ist, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass für ihn feststeht: „In drei Jahren ist für mich dezidiert Schluss.“ Hat er kein Problem mit dem Loslassen? „Nein. Für mich wird das dann auch kein Ausstieg, sondern maximal ein Umstieg, Ich war für mit Leib und Seele Planseer. Dort aufzuhören, war schlimmer.“
Und was kommt danach? „Ich engagiere mich vielleicht sozial oder kulturell. Auf jeden Fall mache ich etwas, das mich total ausfüllt. Ich bin keiner für halbe Sachen.“ In den Gemeinderat will er freilich nicht: „Ich halte nichts von einer Muppets-Show, bei der immer die Älteren reinbäffen.“
Kunst als Leidenschaft.

Vielleicht widmet er sich dann ja seiner großen Leidenschaft, der Kunst. Die wurde durch seine damalige Lebensgefährtin Tamara O’Byrne geweckt, nachdem er vorher damit nicht so viel am Hut gehabt hatte: „Wir waren auf einer Ausstellung in Basel. Da hing ein Bild von einem alten Meister, ziemlich dunkel. Aber von dem bin ich nicht mehr weggekommen. Tamara hat dann gesagt, ich solle halt mal nach dem Preis fragen. Das waren 170 000 Euro. Und das Verrückte ist: Ich hätte das Bild gekauft, wenn ich das Geld gehabt hätte! Gott sei dank hatte ich es nicht.“ So unterstützte er stattdessen junge Künstler („Viele von ihnen habe ich durch Tamara kennengelernt.“): „Die haben sich gefreut, dass sie was verkauft haben. Und ich, dass ich sie fördern konnte. So hatten beide was davon.“
Kulturförderung sei etwas ganz Wichtiges: „Wer sagt, man brauche Kunst und Theater nicht, der hat nichts von der Gesellschaft verstanden.“ Kultur sei auch wichtig fürs Stadtmarketing.
Reutte als Stadt?

Womit wir bei einem Stichwort wären, das auch mit Luis Oberer verbunden wird. Es gibt ja Leute, die sagen, dass er träume, dass Reutte mit ihm als Bürgermeister zur Stadt erhoben werde. „Stimmt“, antwortet er ohne zu zögern. Schließlich gebe es in Österreich außer der Marktgemeinde Tamsweg nur noch einen Bezirksort, der nicht Stadt sei. Aber das erfordere eine intensive Diskussion, obwohl „an den Grundvoraussetzungen bei uns nichts fehlt.“ Derzeit müsse man sich um andere Dinge kümmern. Gerüchte, dieser Schritt werde erst vollzogen, wenn wieder die ÖVP den Bürgermeister stelle, kommentiert er nicht. Zudem: Gäste und auch Zugroaste sehen Reutte jetzt schon als Stadt. Mit oder ohne förmlichen Titel.

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