Richard Lipps neues Buch und eine Ausstellung in der Ehrenberger Klause widmen sich Maximilian I.
Er war (römischer) König, (Tiroler) Landesfürst und Kaiser (des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation). Und nicht zuletzt hoch begnadet im Selbst-Marketing (wie man heute wohl sagen würde): Vielerlei Facetten Maximilians I., dessen anlässlich seines Todes vor 500 Jahren heuer intensiv gedacht wird, wurden am vergangenen Donnerstag in der Ehrenberger Klause deutlich.
Von Jürgen Gerrmann
Die Doppelveranstaltung mit der Eröffnung einer ihm gewidmeten Ausstellung als neuem Teil der Dauerschau „Dem Ritter auf der Spur“ und der Präsentation des neuen Buches von Reuttes Historiker Richard Lipp, das sich auch mit ihm befasst, hätte der Majestät sicher gefallen. Denn im „Gedächtnus“ nachfolgender Generationen zu bleiben, war ihm stets überaus wichtig: „Wer sich im Leben kein Gedächtnus schafft, hat auch nach dem Tod kein Gedächtnus und wird mit dem ersten (Sterbe-)Glockenton vergessen.“
Nun, sein Sehnen ist in Erfüllung gegangen: Kaum ein anderer der rund 60 Herrscher, die das Heilige Römische Reich deutscher Nation in seiner rund 1000-jährigen Geschichte hatte, blieb so in Erinnerung wie „der letzte Ritter“. Vor allem in Tirol. Und auch im Außerfern.
Kaplanei und Ehrenberg.
Alle Hände voll zu tun hatte Richard Lipp bei der Präsentation seines neuen Buches: Seine Arbeit über Maximilian und das Außerfern war überaus gefragt.
All diese Spuren zeichnet Lipp in seinem neuen Buch beeindruckend nach: Dass er dabei im zehnten und letzten Kapitel auf das Tiroler Landlibell und die touristische Erfolgsgeschichte der „Zeitreise“ auf Ehrenberg eingeht, ist dabei der Nachklang eines Echos, das seit einem halben Jahrtausend durchs Außerfern hallt.
Auch auf geistlichem Gebiet: So weist er zum Beispiel im ersten Kapitel, das sich „Maximilian und Reutte“ widmet, darauf hin, dass der Kaiser dem heutigen zentralen Ort des Außerfern eine Kaplanei gestiftet habe. Das war im Jahr vor seinem Tode (also noch bevor die Franziskaner hier aufzogen). Allerdings war der Pfarrer von Breitenwang der Chef des Kaplans.
Zu Ehrenberg hatte Maximilian eine besonders enge Beziehung: In Triumphzug Maximilians tritt nämlich ein Reiter mit dessen Fahne prominent auf. Allerdings existierte der nur im Gemälde. In der Wirklichkeit stattgefunden hat der Aufmarsch nie.
Auch um Vils kümmerte sich der jetzt so lebhaft Gefeierte: Das lag zwar damals außerhalb Tirols – aber in seiner Eigenschaft als Kaiser ordnete er dann das Gerichtswesen in dieser Region neu.
Leidenschaftlicher Jäger.
Die große Leidenschaft Maximilians (in welcher monarchischer Eigenschaft auch immer): die Jagd. Und die war vermutlich seine größte Herzens-Verbindung zum Außerfern, wie Lipp verdeutlicht. Dass er genau aufschreiben ließ, wie viel Hirsche, Rehe und anderes (jagdbare) Getier es in den 40 verschiedenen Jagdgebieten des Außerfern gab (wobei er freilich nicht in allen auf die Pirsch ging), ist heute sicher nicht nur für Waidmänner interessant. Sondern auch, und vor allem, für Biologen.
Das gilt genauso für die Statistik, die er für alle 18 Fischgewässer anordnete – vom größten See bis zum kleinsten Tümpel wurde da alles festgehalten. Eine bessere Wasserlache findet sich zum Beispiel heute am Fuß des Steinebergs: Einst war das ein Forellenteich. Also kann man auch ökologische Vergleiche ziehen. Vielleicht ist ja gerade dieser (Naturschutz-)Aspekt die nachhaltigste Wirkung, die Maximilian aufs Außerfern bis heute hat.
„Denn bei der Post geht’s nicht so schnell“: So singt die Christl im „Vogelhändler“. Und so mancher dürfte auch heute noch in dieses Lied einstimmen. Doch laut Lipp gilt das für Maximilians Zeit nicht unbedingt: Der ließ die „Mutter aller Postämter“ im Außerfern in Lermoos einrichten, die Postlinie von Barwies auf dem Mieminger Plateau nach Füssen führte über die Fernpass-Strecke. Der Kaiser war auf schnelle Verbindungen angewiesen: „Sonst wäre dieses Riesenreich nicht zu regieren gewesen“, sagte Lipp. Und staunendes Raunen regte sich in der bis auf den letzten Platz besetzten Moritzkapelle, als er hinzufügte, dass ein Brief von Innsbruck nach den Niederlanden dank der überall postierten schnellen Reiter gerade mal zwei Tage brauchte!
Ritter Theuerdank.
Ein Meistwerk der Selbst-Inszenierung ist aus heutiger Sicht auch, dass Maximilian auch einen der damals wie heute beliebten Abenteuer-Romane über sich selbst verfassen ließ. In dem eher an einen Comic erinnernden Opus heißt er „Ritter Theuerdank“ und übersteht wie im 20. Jahrhundert James Bond allerlei Gefahren: Zweien davon sieht er sich bei Ehrenberg und im Lechtal ausgesetzt, ist aber zu clever, als dass er in die jeweilige Falle tappte. Da hatten die Ruchlosen eben Pech...
Auch einige „Menschen um Maximilian“ porträtiert Lipp kenntnisreich: etwa Kaspar Gramaiser, genannt Lechtaler (oder umgekehrt: Lechtaler, genannt Gramaiser), des Herrschers obersten Gebirgsjägermeister, zu dem er wohl ein besonders inniges Verhältnis hatte und der vor seinen Augen in den Tod stürzte. Oder Georg Gossenbrot, der Pfleger von Ehrenberg, der Maximilian öfters aus der finanziellen Patsche half, indem er ihm die nötigen Kredite besorgte. Oder den aus Vils stammenden Afrika- und Indienreisenden Balthasar Springer, der im Auftrag der Augsburger Handelsfamilie Welser in jener Zeit zu großen Fahrten aufbrach. Oder den Allgäuer Holzbildhauer Jörg Lederer, von dem die Statue der Anna Selbdritt in der Reuttener Annakirche stammt und der ebenfalls zu Maximilians Zeit wirkte.
Dieses sakrale Kunstwerk taucht dann auch bei der Suche nach weiteren Spuren Maximilians auf. Lipp ist dabei auch in der Pflacher Ulrichskirche und an einigen (sowohl alten als modernen Fassaden) im Außerfern fündig geworden.
Geschichte zum Angreifen.
Die gelungene Ergänzung der Dauerausstellung in der Ehrenberger Klause, die sich mit Maximilian befasst, wurde von Birgit Maier-Ihrenberger kuratiert. Sie wartet zunächst mit einer Kurz-Biografie des Monarchen auf, schildert dann dessen Verhältnis zu Reutte und Ehrenberg, geht auf Jagd und Fischerei ein, zeigt einen Überblick über den gesamten Ritter Theuerdank (und natürlich besonders die Szenen aus dem Außerfern), stellt seine wichtigsten Vertrauten vor. Und als besonders Highlight kann man seinen eigenen Kopf in ein Porträt von Maximilian und seiner Familie „hineinschummeln“.
Auch Kinder sollen ihren Spaß haben – zum Beispiel, wenn sie all das Getier, dem der Kaiser auf der Jagd nachstellte, quasi auf Augenhöhe zum Greifen nah haben. Oder den Kaplan von Reutte und den Pfarrer von Breitenwang die Plätze tauschen lassen können.
Sowohl im Buch als auch bei der Ausstellung kann man dem Kaiser ganz nah kommen. Beides ist sehr gut gelungen. Das meinte nicht nur das zahlreich erschienene Publikum. Auch der Kaiser selbst und seine Gattin Bianca Maria Sforza goutierten das sichtlich – in Form ihrer Reinkarnationen (Füssens Ex-Stadtapotheker Manfred Wagner und die Reuttenerin Josefine Glätzle) und mit huldvollem Lächeln und zuneigungsvollem Winken. Wie gesagt: Maximilian hätte seine Freude daran. Denn seine „Gedächtnus“ lebt im Außerfern noch ein halbes Jahrtausend, nachdem ihm das Sterbeglöcklein geläutet hat.