Von Jürgen Gerrmann.
Seit exakt 21 Jahren tut er das nun schon, denn als er seine Feinbäckerei von seinem Vater Josef übernahm, trat er auch in dieser Hinsicht in dessen Fußtapfen. „Ich mach das aber ganz strikt nur von Aschermittwoch bis Karsamstag, dann ist Schluss bis nach dem nächsten Faschingsdienstag“, stellt er im Gespräch mit der RUNDSCHAU klar: „Ich mach ja auch keine Krapfen im September.“
Tradition – die spielt bei Manfred Holzmayr offenkundig eine ganz zentrale Rolle. Denn als er zum Chef wurde, stand für ihn fest: „Ich wollte ganz traditionell weiterarbeiten und habe daher viele Produkte vom Vater übernommen.“ Wie lange der in seiner Backstube schon diese ganz besondere Brezel in den Ofen schob, das weiß Manfred nicht zu sagen. Er hat es wohl bereits getan, als er noch ein kleiner Bub war.
UNVERWECHSELBARER GESCHMACK.
Die Fastenbrezel unterscheidet sich nicht viel von der herkömmlichen Brezel – nur, dass eben die Lauge fehlt. Und dennoch (oder deswegen) schwärmen viele geradezu von ihrem unverwechselbaren Geschmack. Wobei es natürlich auch hier die fast schon philosophischen Grundsatzdebatten gibt, ob denn nun die Variante mit grobem oder feinem Salz die bessere sei.
Und wie bei der Laugenbrezel liegt der Ursprung auch bei der Fasten-Variante im Grunde im Dunkel: „Darüber lässt sich nicht viel sagen.“ Und die Frage „Wer hat's erfunden?“ erst recht nicht beantworten.
Sicher ist laut Holzmayr nur, dass es sie in der Steiermark, im Salzburger Lungau, in Füssen und Hopferau, auf der Schwäbischen Alb („In Biberach sind sie interessanterweise süß“), ja, sogar ziemlich weit oben im Norden im hessischen Taunus gibt. Auch beim Faschings-Schellerlaufen in Nassereith ist sie mit von der Partie: „Da wird der Teig übrigens erst eine Minute in kochendes Wasser getaucht und kommt erst danach in den Backofen.“
PARALLELE IN POLEN.
Diese Art der Herstellung erinnert den Reuttener Bäcker an etwas, womit ihn einmal bei einer Messe in Stuttgart polnische Kollegen begeistert hatten, als sie zeigten, wie man deren Nationalgebäck, die Obwarzanki, die als Bagels mittlerweile internationale Karriere gemacht haben (allerdings ohne die typische Verdrehung innerhalb des Teigringes), am besten hinbekommt.
Viele Außerferner dürften die Fas-tenbrezel auch als Teil des Palmbuschen kennen: „Früher hängte man sie allerdings immer möglichst nach oben, damit die kleinen Buben nicht so leicht hinkamen und sie vor der Zeit verspeisten.“
DER ZUFALL ALS BÄCKER.
Ganz ohne Zweifel ist die Fastenbrezel ein von der Religion geprägtes Gebäck, das den Verzicht symbolisiert. Verzicht auf Lauge in diesem Fall. Aber warum verwendet man denn überhaupt Lauge bei Backwaren? „Wegen des Geschmacks“, sagt Holzmayr. Entstanden sei das Rezept – wie so viele Delikatessen aus Backstube oder Küche – wohl eher durch Zufall.
Eine der Geschichten, die sich darum ranken, laute so: „Früher hat man zum Reinigen der Backstube keine Chemikalien verwendet, sondern Holzasche. Einem Lehrling soll dann die Brezel aus Versehen in den Putzkübel gefallen sein und er sie dann schnell in den Ofen geschoben haben, damit es keiner merkt.“ Natürlich war also wieder mal der Lehrling schuld...
Heute darf zur Brezelherstellung allerdings kein Putzkübelwasser mehr verwendet werden: „Nur noch verdünnte reine Natronlauge.“ Der Grad der Verdünnung ist dabei laut dem Bäckermeister gesetzlich geregelt: „Da hat man nicht viel Spielraum.“ Aber so entstehe eben der typische Laugengeschmack.
Heute kennt buchstäblich jedes Kind die Laugenbrezel oder anderes Laugengebäck. Vor gar nicht allzu langer Zeit war das indes anders und beschränkte sich das Brezel-Imperium auf den süddeutschen Raum (mit Schwaben und Württemberg als Hochburgen). Erst als die Industrialiserung des Bäckerhandwerks einsetzte, trat die Brezel ihren Siegeszug rund um den Globus an. Was nicht alle bejubeln. Auch bei Manfred Holzmayr schwingt eine gehörige Portion Skepsis mit, wenn er auf die „Uniformierung“ des Backens in Großbetrieben blickt: „Auf der ganzen Welt findet man mittlerweile dieselben Teiglinge.“
Aber Brezel-Liebhaber wissen: Mit einer handgemachten Brezel von einem Bäcker, der mitten in der Nacht aufsteht und in seine Backstube geht, können die nie und nimmer mithalten – sowohl mit als auch ohne Lauge.
Manfred Holzmayr und Martina Pohler mit einem Korb voll Fastenbrezen.