Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Die Liebe zum Lehren und zum Schreiben

Liselotte Paulmichl aus Vorderhornbach konnte sich zwei große Träume erfüllen

„Nenne Dich nicht arm, weil Deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind – wirklich arm ist nur der, der niemals geträumt hat“: So schrieb einst Österreichs große Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach. Wie wahr! Und insofern ist Liselotte Paulmichl aus Vorderhornbach, die im Lechtal wohl alle nur „Lotte“ nennen, mehr als reich. Denn sie konnte sich gleich zwei große Träume erfüllen: den vom Lehren und den vom Schreiben.
21. Juni 2021 | von Jürgen Gerrmann
Die Liebe zum Lehren und zum Schreiben
Das Schreiben ist die große Leidenschaft von Liselotte Paulmichl aus Vorderhornbach. Zwei Bücher hat sie schon veröffentlicht, über dem dritten sitzt sie gerade. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
In die Wiege gesungen war das der kleinen Lotte indes nicht, als sie in den 50er-Jahren in Steeg im Lechtal aufwuchs, das in jener Zeit gefühlt noch viel weiter vom „großen“ Reutte entfernt war als heute. Mathilde und Johann Hauser, ihre Eltern, betreuten damals zuerst die Bockbach- und dann die Krabachalm, was zunächst einen Vorteil hatte: Sie und ihre Geschwister durften schon drei Wochen vor Schulschluss hinauf in die Berge und hatten quasi vorgezogene Ferien. Und da gab es mit Mutter, Vater („ein alter Steeger und Wilderer“) und Geschwistern eine Menge zu erleben. So viel, dass gleich ein ganzes Buch daraus wurde: „Wir Kinder der 50er-Jahre“ erschien 2017 und wurde zum Renner – mittlerweile ist es fast ausverkauft.

Zeit zum Spielen und Träumen. 
„Ich war keine gute Hirtin“, sagt Lotte gleich mehrmals in unserem Gespräch. Aber Zeit zum Spielen (nicht zuletzt mit Steinen) und vor allem Träumen blieb dennoch: Und da sah sie in der wunderbaren Landschaft hinter so manchem Felsen, Baum oder Busch immer wieder Elfen, Feen, Geister und vielleicht Prinzen hervortreten und spann schon als kleines Mädchen so manche Geschichte – auch mal inspiriert von einem „Winnetou“-Buch, das sie heimlich mit auf die Alm geschmuggelt hatte. All das weckte in ihr schon damals die Sehnsucht nach dem Schreiben. Mit elf Jahren wollte sie zum Beispiel einmal ein herrliches Abendrot in den Lechtaler Bergen verbal skizzieren: „Aber mir fehlten buchstäblich die Worte. Das hat mich damals ganz traurig gemacht.“ Auch diese Zeit auf der Krabachalm spielt eine große Rolle in ihrem neuen Buch „Aufbruch in die 60er-Jahre“, über dem sie gerade sitzt.
Mit ihrem zweiten großen Traum hatte sie fast schon abgeschlossen, denn die Sommer auf der Alm besaßen auch einen Nachteil: Die Kinder kamen auch erst drei Wochen nach Schulbeginn wieder herunter ins Tal. Das war zwar in der zweiklassigen Volksschule in Steeg kein Problem, aber an der Hauptschule in Elbigenalp ging das halt nicht mehr. „Ich hatte schon immer den Traum, Lehrerin zu werden, dachte aber, das sei leider ein Ding der Unmöglichkeit“, erzählt sie heute. Die Aufnahmeprüfung am Gymnasium in Innsbruck schaffte sie zwar, bekam aber keinen Heimplatz. Sie wollte schon fast alle Hoffnung fahren lassen – aber dann tat sich doch noch ein Türle auf: Ihre Mutter erfuhr, dass im Internat in Zams ein Platz frei sei.

Strenge Jahre in Zams.
Begeistert sagte sie zu, ließ sich auch nicht durch die hohen Hürden am Anfang beirren: „Latein, Französisch, höhere Mathematik – von all dem hatte ich ja noch gar keine Ahnung.“ Strenge Jahre hatte sie an dieser kirchlichen Schule durchzustehen: „Aber dieses Durchbeißenmüssen hatte auch was für sich.“ Denn sie biss sich bis zum großen Ziel durch: „Ich wurde tatsächlich Lehrerin!“ Zunächst an der Hauptschule Tannheim, „wo es damals viel zu wenige Deutschlehrer gab“, später an der Volksschule Häselgehr, der Volksschule Stockach („damals gab es dort 24 Kinder – und heute gar keine Schule mehr“) und schließlich an der Hauptschule Elbigenalp, wo ihr die Integration sehr viel Freude bereitete – wie auch das vierjährige Studium in Geschichte und Deutsch, das sie in jenen Jahren auch noch absolvierte. Pausiert hatte sie zwischendrin, als sie als Pensionswirtin in ihrem „Haus am Lechtal“ in Vorderhornbach fungierte: „Aber das hab ich auch gern gemacht. Dadurch konnte ich ja auch bei den Kindern bleiben.“ Ihre Tochter, ihr Sohn, ihre fünf Enkelkinder sowie ihr Mann Fritz, der 16 Jahre als Berufsmusiker mit den Lechtaler Buam unterwegs war, im Alter noch Steirische Harmonika lernte und sie nun auf ihren Lesungen begleitet (sofern nicht gerade ein Lockdown ist), waren und sind überhaupt seit eh und je eine große Kraftquelle und Freude für sie.
Liselotte Paulmichl wird auch heute nicht müde, davon zu schwärmen, was für ein erfüllender Beruf das Lehrersein ist: „Wobei ich immer ein besonderes Faible für Kinder hatte, die sich nicht so leicht tun.“ Viele quälten sich da nicht zuletzt mit der deutschen Sprache herum: „Und da hab ich mir überlegt, wie die Mädchen und Buben die Sprache lieben lernen können.“ Und dann fiel ihr etwas ein: Reime könnten die Lösung sein! Ein kleines Verslein, ein Gedicht (nicht kompliziert, sondern ganz schlicht), das nimmt die Angst und schafft viel Freude – für große und für kleine Leute. Resultat: Noch heute sprechen sie ihre Schüler voller Begeisterung auf dieses lebendige Element im Unterricht an, das ihrer Furcht vor der Sprache ein Ende bereitete.

Die Freude an der Sprache.
Für Lotte war die Leidenschaft für die Sprache mit der Pensionierung noch lange nicht passé. Im Gegenteil: Sie absolvierte ein Fernstudium für Autoren, das von Hamburg aus angeboten wurde. Und fand nach dessen Abschluss als Tirolerin schnell das richtige Sujet für ihren ersten Roman: „Das Bild von Andreas Hofer hat sich in meinem Leben schon sehr gewandelt. Als Schülerin hab ich ihn als Held bewundert, als Lehrerin habe ich mich für den Geschichtsunterricht intensiv mit ihm befasst. Sein Eintreten für die Freiheit fasziniert mich noch immer. Aber das muss man im Zusammenhang mit seiner Zeit sehen. Mit seinem religiösen Fanatismus und seiner mangelnden Toleranz gegenüber Andersdenkenden kann ich allerdings nichts mehr anfangen.“ Und eine Frage tauchte in ihr immer öfter und immer heftiger auf: „Warum hört man von seiner Frau eigentlich so wenig bis gar nichts?“ Also recherchierte sie im Ferdinandeum über diese Anna, geborene Ladurner, aus Algund, die als „G’stopfte aus dem Etschtal“ im Passeiertal zunächst gar nicht so wohl gelitten war, als sie den Sandwirt geehelicht hatte. Sie studierte Quellen und besuchte das Grab der Witwe des Helden. Und setzte sich dann hin, um ein fiktives Tagebuch dieser Frau im übermächtigen Schatten ihres Mannes, die aber die Schneid hatte, vor den Kaiser hinzutreten und ihn daran zu erinnern, „dass er mir noch etwas schuldig ist“, zu schreiben: „Dabei habe ich mich bemüht, eine möglichst einfache Sprache durchzuhalten.“
Manches ändert sich übrigens auch im Leben: „Als mir der Vater immer von den wunderbaren Blumen auf den Almen erzählt hat, ist mir das furchtbar auf den Wecker gegangen.“ Jetzt spürt sie der Poesie von Seidelbast oder Löwenzahn, Frauenschuh oder Margeriten in eigenen Reimen nach, lässt Blumen in Versen sprechen, die auch in der RUNDSCHAU („Mir gefällt diese Zeitung mit ihrer Mischung aus Aktuellem, Geschichtlichem und Naturthemen einfach wahnsinnig gut“) immer wieder ihren Platz finden. Sie selbst blüht dadurch übrigens im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf: „Während Corona hatte ich wahnsinnige Ängste entwickelt, war blockiert, konnte nichts mehr zu Papier bringen. Aber jetzt schreibe ich wieder ganz wild.“ So wie es eben ist, wenn Träume sich erfüllen.

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